Mark C. Glassny
Mark C. Glassny baut seit mehr als fünfzig Jahren – er begann 1961 mit einem Aurora Modellbausatz – Filmmonster en Detail nicht nur zusammen, sondern entwirft für seine Schätze Dioramen und Hintergründe. Nicht selten versucht er die fertigen Bausätze zu verfeinern. Rund die Hälfte seiner zweihundertfünfzig Modelle finden sich in diesem Buch versammelt. In seinem humorvoll pointierten Vorwort spricht er davon, dass er auf der einen Seite ohne Science Fiction Film Fan, der beim Betrachten eines neuen Streifens sein Hirn am Kinoeingang abgibt, um unterhalten zu werden. Der Betrachter seiner vielen Modelle muss ihm zusammen, denn die wenigen intellektuell ansprechenden Streifen wie „2001“ verfügen nicht über die Monster, die Glassny meistens am Wochenende als Entspannung zu seinem anstrengenden Beruf als Genetiker und Mikrobiologe zusammenbaut.
Nicht umsonst lädt er seine Leser ein, das Buch aus zwei Perspektiven anzugehen. Zum einen zeigen seine Modelle dreidimensionale Erweiterungen bekannter, berühmter oder berüchtigter Filmmonster. Das ist ohne Frage richtig und stellt in manchen Fällen wie zum Beispiel beim berühmten „Metropolis“ Roboter eine interessante Improvisation dar, weil kein Fotos ihrer Rückseite existiert. Die andere Ebene, „Movie Monsters in Scale“ zu betrachten ist wahrscheinlich die für die meisten Leser zugänglichere Variante. Die unzähligen Fotos, von denen einige in Farbe in der Mitte des Buches abgedruckt worden sind, zeigen durch die Dioramen so viele bekannte Szenen aus guten, schlechten oder abgefahrenen Filmen, das man am liebsten die entsprechenden DVDs in den Player schieben und die Zeit mit seinen Erinnerungen verbringen möchte.
Mark C. Glassny entstammt der Generation, die meistens die „Universal“ Monster Filme im Fernsehen und die Horrorfilme der sechziger Jahre noch im Kino sehen konnte. „Famous Monsters of Filmland“ stellte die einzige Möglichkeit dar, die Monster noch einmal intensiver zu betrachten und mehr über diese Filme zu lesen. Schon der Splatterpunk David J. Schow hat in einem langen Artikel für „Fangoria“ seine Schwäche für diese Streifen im Allgemeinen und die besonderen Bausätze im Besonderen offenbart. In seiner Einführung geht Glassny kurz und pointiert auf die Geschichte der Modellsätze ein. Beginnend mit den ersten Firmen wie „Aurora“, die für einen kleinen Sammlerkreis exquisite Bausätze veröffentlichten bis zu den ersten Garage Kids, die ihre ersten Sätze aus einem gehärteten Baumharz gefertigt und teilweise nur in Zeitungspapier eingeschlagen verkauft haben. Dabei weißt Glassny darauf hin, dass die Qualität dieser meistens nur in hunderter Auflagen – mit einer Brennform konnten nur 250 Exemplare gegossen werden – im Laufe der Jahre immer besser geworden ist. In den neunziger Jahren übernahmen dann wieder die großen Firmen die Produktion dieser Modellsätze, wobei neben nostalgischen Themen nur noch selten modernes Material hinzugefügt worden ist. So besteht sein Kapitel über die achtziger Jahre aus einer Handvoll Modelle, während insbesondere die dreißiger/vierziger Jahre und die Zeit der atomaren Monster einen Schwerpunkt des Buches bilden. Glassny warnt aber auch vor dem immer stärker um sich greifenden Raubkopierermarkt, die billige Kopien der Kunstwerke aus Plastik vertrieben und einige elementare Produzenten aus dem Markt getrieben haben. Diese Einführung wird weniger die eingefleischten Fans als die neugierigen Gelegenheitszuschauer ansprechen. Wie vieles in diesem Buch geht es auch weniger um einen kompletten Überblick über die Entwicklung der Modellmonster, sondern Glassny will mit verständlichem Stolz präsentieren, was man mit ein wenig Fingerfertigkeit, Übung und Erfahrung sowie Phantasie zaubern kann. Im ersten Teil „Process“ beschreibt Glassny sehr ausführlich die Materialen und die Methoden, mit denen er an die Modelle herangeht. In diesem Abschnitt wird „Movie Monsters in Scale“ eher zu einem patenten Ratgeber. Glassny ist erfahren genug, dass er ohne zu belehren eine Reihe von Tricks und Kniffen verraten kann, mit denen die Modelle einzigartiger und schöner werden. Im Verlaufe der Bildergalerie kehrt Glassny immer wieder zur Einleitung zurück und erläutert, an welchen Modellen er während des Zusammenbaus und nicht selten der Bemalung seine Erfahrungen gesammelt hat. Als allererstes sollten die Modelle nach dem Auspacken gründlich gewaschen werden. Dieses Kapitel schließt der stolze Bastler mit einer Zusammenstellung der Werkzeuge und Materialien ab, die er sich im Laufe der Zeit zugelegt hat. Das einzige, was nicht mehr ersetzbar ist, scheint sein Augenlicht zu sein, da er sich bei einem besonders schwierigen Modell zumindest laut eigener Aussage die Augen verdorben hat.
Mit dem zweiten Teil springt Glassny endlich ins Geschehen. Der Bogen seiner Modell reicht vom ersten „Frankenstein“ Monster aus dem Jahre 1911 – da der Film inzwischen wieder gefunden und auf DVD veröffentlicht worden ist, brauchten die Modellbauer nicht mehr auf einige eher unscharfe Fotos aus Ackermanns „Famous Monster of Filmland“ zurückgreifen – bis in die Gegenwart mit mehreren „Termintor“ Inkarnationen, dem existentiellen „Robocop“ oder für einige überraschend auch Harrison Ford als „Indiana Jones“. Textlich hat sich Glassny einiges ausgedacht. Jeder Film wird mit einer kurzen Inhaltsangabe vorgestellt, bevor Glassny den Bausatz inklusiv des Dioramas erläutert und auf die Schwierigkeiten/ Kniffe beim Bau hinweist. Während die Inhaltsangaben mehrmals durch persönliche Eindrücke abgerundet worden sind, kann der Leser Glassnys Hang zum Perfektionismus an den abgebildeten Modellen verfolgen. Die meisten Fotos sind aus der Totale, so dass viele der kleinen Details nicht sofort sichtbar werden. Wenn der Schöpfer aber einzelne Teile der Modelle – siehe insbesondere Frankensteins Laboratorium oder die sich auf einem Spaziergang befindliche Mumie – genauer unter die fotographische Lupe nimmt, erkennt man erst, wie viel Mühe sich der Autor des Buches gemacht hat. Dabei geht es nicht nur um die Bemalung der Modelle oder ein besonderes Arbeiten beim Zusammenkleben der Modelle, sondern es geht ihm um eine möglichst lange Lebensdauer. Wenn er erzählt, dass er hinsichtlich einer besseren Bemalung das Kind im Arm des Frankenstein Monsters vorsichtig herausgesägt und separat angemalt hat, mag man es kaum glauben. Um einen realistischen Ton eines brennenden Feuers herzustellen, hat er die Holzscheite des Modells vorsichtig mit einem kleinen Bunsenbrenner – niemals im Haus verwenden, heißt natürlich der entsprechende Hinweis – verkohlt. Um Robocops einzigartige Metalllegierung seiner Rüstung realistisch darzustellen, hat er die Figur sieben bis acht Mal in genauen Abständen übermalt. Bei anderen Figuren hat er kleine Nadeln in die Finger gesteckt oder um die Dramatik der zu einem Stillleben gewordenen Bewegung nicht zu verlieren, wurden die Finger auch schon einmal an die Hintergrundwand geklebt. Für viele Modelle hat Glassny – erkennbar in den die Sammlung abschließenden Fotos – die entsprechenden Aushangfotos herausgesucht und den Modellen hinzugefügt.
Aber Glassny ist nicht nur ein fanatischer Modellbauer, der den Regeln seiner Kunst folgt. Zu den humorvollen Exzessen gehört eine Eigenkreation, in der die berühmten Universal Monster während einer Drehpause zu sehen sind. Sie spielen Poker. Bei anderen Modellen hat Glassny die entsprechenden Hintergründe selbst gebaut bzw. erweitert, um mehr Leben in seine Figuren zu hauchen.
McFarland hat drucktechnisch ganze Arbeit geleistet. Die großformatige Paperbackausgabe besteht nach der Einführung und vor einem ausreichenden Inhaltsverzeichnis im Grunde nur aus einer Unzahl von Fotos. Insbesondere die Farbphotos unterstreichen den nicht selten auf eigenen basierenden Realismus seiner Monster. Da es insbesondere für die Stummfilme und die ersten Universalmonsterstreifen keine Farbfotos gibt, musste Glassny improvisieren, was ihm anscheinend gut gelungen ist. Die sich schon auf der Leinwand in schillernden Farben präsentierenden Monster sind ebenfalls gut getroffen. Um sich nicht allzu sehr zu wiederholen, hat der Autor bei der Auswahl der hier präsentierten Monster nicht nur auf die ganze inzwischen mehr als einhundert Jahre alte Geschichte des phantastischen Filme zurückgegriffen, sondern er hat sich bemüht, unterschiedliche Kreaturen zu zeigen. Dabei reicht das Spektrum über die schon angesprochenen „Frankenstein“ und „Dracula“ Figuren sowohl der dreißiger Jahre als auch der Hammerära hinaus bis zum „Kabinett des Caligari“. Lon Chaneys gequälte Kreaturen sind ebenso vorhanden wie die japanischen Monster, die sich in diesem Fall mit Elektrizitätswerken und ihren Stromleitungen auseinandersetzen müssen. Immer wieder wird der Leser auf einzelne Namen treffen, die als Gestalter der Modellvorlagen ganze Generationen in ihren Bann geschlagen haben. Die stummen Helden der Dreidimensionalität, denen Glassny dank dieses Buches auch ein Denkmal setzt.
Wenn der Untertitel des Buches von „A Modeler´s Gallery of Science Fiction and Horror Figures and Dioramas“ spricht, dann trifft es nur zum Teil den visuellen Tenor dieses empfehlenswerten Buches. Es ist ein Streifzug durch den phantastischen Film mit Abstechern zu den B- oder C Streifen, deren nicht selten so billig hergestellte Monster als Modelle den besten Eindruck hinterlassen, aus einer ungewöhnlichen, aber mehr und mehr faszinierenden Perspektive. Es ist die Einladung, sich am Bau der Modelle zu versuchen, nach und nach einen eigenen Stil zu entwickeln und im kleinen Frankensteins Schöpfungsprozess nachzuvollziehen. Mit dieser Prämisse schließt sich mit in empfehlenswerten, visuell bezaubernden und zu einer stetigen Rückkehr einladenden Sammlung ein Kreis. Und wer zwei linke Hände hat, kann sich an den zahllosen Fotos erfreuen. Ein idealer Ergänzungsband zu „Graven Image“, in dem die über viele Jahrzehnte gemalten Filmplakate phantastischer Filme gewürdigt worden sind.
Mark C. Glassny, "Movie Monsters in Scale",
ISBN: 9780786468843
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