Der Tod sagt Amen

Originaltitel: 
Arizona si scateno… e li fece fuori tutti!
Land: 
Italien / Spanien
Laufzeit: 
102 min
Regie: 
Sergio Martino
Drehbuch: 
Joáquin Romero Marchent
Darsteller: 
Anthony Steffen, Marcella Michelangeli, Aldo Sambrell, Roberto Camardiel, José Manuel Martin, Raf Baldassarre
zusätzliche Infos: 
auch bekannt unter dem Titel: "An den Galgen, Hombre"
Kinostart: 
05.08.71

Inhalt & Kritik:
von Thomas Harbach (für sf-radio.net)

Mit „Der Tod sagt Amen“ legt Koch Media in ihrer jetzt nummerierten Italo- Western Edition den Debüt- Western des in allen Genres kompetenten Sergio Martino vor. Sein Spätwestern „Mannajana- das Beil des Todes“ gilt als seine bessere Arbeit, aber an dieser routinierten Auftragsarbeit lassen sich sehr gut die Stärken und damit einhergehend die Schwächen des Genres ablesen. Es gibt keine Helden im Italo- Western. Nur Opportunisten, die für einen Augenblick – der Schwäche – ihren bisherigen Weg verlassen und aus einer eingeschränkten Perspektive eine gute Tat begehen. Damit werden sie nicht zu Engeln, aber zumindest zu zugänglichen Charakteren. Der Erfolg bei oft ungesetzlichen Beutezügen steht in einer engen Verbindung mit dem Tod. Und Tod bedeutet für diese Antihelden nicht eine schnelle Kugel – manchmal in den Rücken -, sondern qualvolle Folter durch die überzeichneten Schurken, Entwürdigung und schließlich für das nihilistische letzte Duell einen Augenblick unglaublicher und nicht selten unglaubwürdiger Willensstärke. Sie leben in einer archaischen Welt, in welcher Gesetzeshüter oft den Stern nicht wert sind, den sie tragen und ihr einziges Ausdrucksmittel ist der Colt. Allerdings verfügen sie alle über eine verschlagene Intelligenz, den Instinkt, in der Schlangengrube der Wüste Almarias zu überleben. Nur wenige Regisseure wie Sergio Corbucci und natürlich Sergio Leone haben in ihren deprimierenden Pferdeopern existentielle Fragen gestellt. Antworten haben sie keine gegeben. Die meisten Filme reduzierten sich schnell auf Gewaltorgien, in denen einfachste Fragen mit der einfachsten Antwort – dem Duell Mann gegen Schurke – beantwortet worden sind. Das ist auch bei „Der Tod sagt Amen“ letzt endlich der Film.

Der Film übernimmt mit Zwei- Flaschen- Whiskey – in beiden Filmen von Roberto Camardial dargestellt – eine komische Figur aus dem schon 1966 gedrehten Western „Arizona Colt“. In den siebziger Jahren nicht zuletzt aufgrund des Erfolges des Duos Terrence Hill & Bud Spencer standen diese ungehobelten, dummen, aber treuherzig trinkfesten Charaktere als Comic Relief Schlange in den Western. Für Mitte der sechziger Jahre entstandene Filme eine noch ungewöhnliche und vor allem, gewöhnungsbedürftige Konstellation. Denn obwohl die Hauptfigur von „Der Tod sagt Amen“ den gleichen Namen in beiden Filmen trägt, ist sie nicht nur aufgrund eines Wechsels des Hauptdarstellers von Giuliano Gemma zu Anthony Steffens ganz anders angelegt als im ersten Film.

Die eigentliche Handlung der beiden Filme unterscheidet sich in ihrer groben Ausrichtung nicht sonderlich. „Arizona Colt“ mimt über weite Strecken eine auch für „Der Tod sagt Amen“ realistische Vorgeschichte. In „Arizona Colt“ überfällt die Bande von Torrez Gordo Watch ein kleines Gefängnis an der Grenze zu Mexiko. Er sucht willige Männer für seine Bande, die er mit seinem Zeichen, einem S, brandmarkt. Watch geht davon aus, daß alleine die Befreiung aus dem Gefängnis Grund genug ist, sich seiner Bande anzuschließen. Doch einer der Befreiten lässt das nicht mit sich machen: Arizona ist ein junger Meisterschütze, der lieber auf eigene Faust arbeitet und sich handfest gegen die Zwangsrekrutierung wehrt. Er setzt sich nach Blackstone Hill, einer kleinen Grenzstadt, ab. Auch die Bande ist auf dem Weg nach Blackstone Hill, um die Bank leer zu räumen. Nachdem Kay, ein Kundschafter Gordos, die junge Tochter des Saloonbesitzers vergewaltigt und getötet hat, setzt sich Arizona auf dessen Spur für 500 Dollar und die zweite Tochter des Saloonbesitzers. Zusammen mit dem Halunken Whiskey will er der ganzen Bande das Handwerk legen. Eine ähnliche Prämisse ist der Katalysator der blutigen Ereignisse in „Der Tod sagt Amen“. Arizona Colt und Zwei- Flaschen- Whiskey sollen einen Hazienda- Besitzer gegen eine skrupellose Bande schützen, die hinter seinem Gold, seiner hübschen Tochter – Roselba Neri – und seinem Leben hinter her sind. Arizona Colt hält zwar nicht viel von den Verbrechern, will sich aber auch nicht die Hände schmutzig machen. Schließlich stehen sie selbst in einem ungerechtfertigten Konflikt mit dem Gesetz. Sie werden Arizona zu Unrecht als Räuber gesucht. Nach ihrer Flucht aus dem Knast bzw. vom Galgen – eine der Szenen, die inzwischen zu einem Markenzeichen des Italo Western geworden sind und zumindest in dieser Konstellation wirkt die Szene sehr unglaubwürdig, fast statisch inszeniert - lehnen sie auch das zweite Angebot eines bestohlenen Hazienda-Besitzers, die Diebe zur Strecke zu bringen, ab. Sie machen sich aber auf eigene Rechnung an die Verfolgung der Bande, um das gestohlene Gold selbst in den Besitz zu bekommen. Als Zwei- Flaschen- Whiskey von den Gangstern - wie auch Roselba Neri - gefangen genommen und brutal gefoltert wird, nimmt Arizona Colt wie es sich für einen Italo- Western gehört persönlich.

Sergio Martino hat sich in seiner langen, abwechselungsreichen Karriere als guter Regisseur mehrfach bewiesen, der oft durch innovative Kameraperspektiven, einen rasanten Schnitt und vor allem ein visuelles Einfühlungsvermögen aus dem Nichts heraus Spannung erzeugen kann. Insbesondere bei seinen Polizeithrillern – obwohl Umberto Lenzi mit seinen Filmen um die Kröte Thomas Milian hier unangefochten an der Spitze steht – konnte er zu Beginn der siebziger Jahre überzeugen. „Der Tod sagt Amen“ gehört zu seinen frühesten Arbeiten. Er bezieht (noch) nicht wie einige Jahre später den Hintergrund der jeweiligen Szenen in die Handlung ein und die erdrückende Weite des Wilden Westen wird in erster Linie auf Aufnahmen in der Halb- und Totalen reduziert. Auffälligste Schwäche ist Martinos Missfallen, die wenigen Duellszenen zumindest abwechselungsreich mit einer beweglichen Kamera zu inszenieren. Nur in einer Szene blitzt sein eigentümlicher visueller Humor auf. Anscheinend hat Arizona mit sechs Schüssen einem Gegner den Revolverlauf zerschossen. Als sein Kumpel Whiskey sich über die verschwendete Munition beschwert, fallen plötzlich fünf tote Attentäter aus ihren Verstecken. Visuell noch ein wenig unsicher und oberflächlich inszeniert, wird Sergio Martino in seinen nächsten Filmen dieses Versteckspiel deutlich überzeugender ausbauen. Um als Western überzeugen zu können, muss „Der Tod sagt Amen“ in erster Linie seinen Pro- und Antagonisten vertrauen. Optisch gehört der Film zu den eher unterdurchschnittlich inszenierten Filmen. Handlungstechnisch dagegen überschreitet der Streifen die Schwelle zwischen Gewaltorgie und zumindest verbaler Komödie mehrmals in beide Richtungen. Der Zuschauer kann sich im Verlauf des kurzweilig erzählten Films auf kein Subgenre einstellen. Insbesondere Zwei- Flaschen- Whiskeys manchmal sehr kindliche und kindische Sprüche sollen die Handlung ironisch süffisant kommentieren, stehen aber in einem starken Kontrast zu den oft sehr brutalen – auch allerdings aus heutiger Sicht eher harmlos wirkenden – Folterszenen

Im Vergleich zu den stimmungsvoll die Handlung unterstützenden Balladen Morricones haben sich die Produzenten für einen fast lustigen, Ohrwurmartigen Song aus der Feder des langjährigen Morricone Partners Bruno Nicolai entschieden. Für die ersten fünfzehn Minuten des Films durchaus passend, da sowohl Arizona mit zwei Schießübungen als auch Zwei- Flaschen- Whiskey ihr jeweiligen Stärken ausspielen können. Der Zuschauer hat das Gefühl, als wolle Sergio Martino ganz absichtlich die beiden als eine rauere Version von Bud Spencer und Terrence Hill etablieren. Auch wirken die Pistolenduelle nicht zuletzt aufgrund der übertrieben fallenden Stuntmen den ganzen Film über surrealistisch irreal und sterstärken die ironische Komponente der dauerquasselnden und kontinuierlich saufenden komisch- tragischen Figur.

Nicht nur mit der Entführung von Zwei- Flaschen- Whiskey, sondern auch der brutalen Folter am stotternden Bandentrottel wird der Ton des Films härter und brutaler. Als letzter im Bunde wird auch Arizona Colt gefoltert, aber dieser ist zu Beginn des Films auch schon für Verbrechen gehängt worden, die er nachweislich nicht begangen hat. Darum wirkt ausgerechnet die notwendigste und am meisten das sich entfaltende nihilistische Drama betonende Szene ungewöhnlich konterproduktiv. Da auch Zwei- Flaschen- Whiskey über weite Strecken des Films – nach seiner Folter und Flucht – aus dem Handlungsbogen verschwindet, wird „Der Tod sagt Amen“ zu einem zumindest stellenweise dunklen Rachewestern. Mit diesem Wechsel verflacht allerdings auch der Spannungsbogen, die Duelle sind zwar rasant und interessant inszeniert, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Arizona Colt mit einer einzigen Waffe schließlich mehr als zwanzig Männer nacheinander tötet, überzieht die Glaubwürdigkeit des Films und lässt ihn wieder auf das Komödienniveau insbesondere der „Nobody“ Filme zurückfallen. Innerhalb des Plots gibt es zu wenige wirklich Überraschungen und selbst Arizonas Plan, das Gold und das Mädchen zu retten, wirken fatal improvisiert und stellenweise insbesondere vom statischen Drehbuch konstruiert. Diese Oberflächlichkeit zeigt sich auch an den beiden Frauenfiguren. Roselba Neri ist der dunkle Typ, die Hure und Verräterin, die aus dem bürgerlichen Käfig ihres Vaters kommend natürlich den falschen Mann liebt und ihre sadistische Verschlagenheit in zu wenigen Szenen wirklich effektiv ausspielen kann.

Marcella Michaelangeli ist die schöne Blonde, die zukünftige Mutter von Arizona Colts Kindern – dieser Dialog findet tatsächlich so statt und kumuliert in Arizonas Aufforderung: „Laß uns Kinder machen“ -. Sie arbeitet zwar in einem schäbigen Saloon – es ist nicht ganz klar, ob sie nur hinter dem Tresen ausschenkt – aber sie ist im Herzen rein und wird für ihre Liebe zum Helden bestraft. Spätestens mit dieser Tat hat der Schurke die Grenze überschritten und aus einem Auftrag, Tochter und Gold zurückzuholen, wird eine persönliche Rachgeschichte. Es ist schade, dass diese interessanten Bestandteile des Plots immer unter ferner Liefen abgehandelt werden, sie implizieren nicht nur mehrere sadomasochistische Neigungen – so foltert der Schurke nur Männer und tötet die Frau mit einem schnellen Messerstich! -, sondern hätten den einzelnen Charakteren Motive über die stereotypen Elemente des Italo- Western hinaus gegeben. Bis zum Ende des Films hin verwischen zumindest die Grenzen zwischen Gut und Böse. Auch wenn Arizona Colt schließlich den größeren Schurken aus persönlichen Motiven heraus tötet, bleibt lange unklar, ob er nicht doch das Gold stehlen will, um sich persönlich zu bereichern. In einer Art nachgeschobenen Epilog wird sein Charakter in zweifacher Hinsicht geläutert und ihm nachträglich der Heldenstatus des Films zuerkannt. Diese Vorgehensweise negiert einen Teil des interessanten Plots und schließt den Kreis zu den komödiantischen Elementen zu Beginn des Films. Während die Handlung nicht alle Erwartungen an einen soliden Rachewestern oder eine unterhaltsame Spaghetti- Komödie erfüllen kann, hat Sergio Martino eine solide und bekannte Darstellerregie um sich versammelt. Die beiden weiblichen Darstellerinnen Neri und Michelangeli sehen vor allem in dieser schmutzigen Umgebung hinreißend aus. Insbesondere Roselba Neri als zwielichtige Opportunistin kann deutlich mehr als die Rolle ihr abfordert. Trotzdem strahlt sie in ihren zu wenigen Szenen als verführerische Unschuld und eifersüchtige Intrigantin. Roberto Camardiel wiederholt im Großen und Ganzen seine Rolle aus dem vier Jahre vorher entstandenen „Arizona Colt“. Sie ist ihm aber auf den übergroßen Leib geschrieben. Dabei unterstützt ihn auch die schwungvolle, aber nicht krampfhaft auf lustig getrimmte Synchronisation. In der Hauptrolle des „Arizona Colt“ hat Anthony De Teffe alias Anthony Steffen mit seiner drahtigen Gestalt und seinem ausdruckslosen Gesicht oberflächlich Ähnlichkeit mit Clint Eastwood, erreicht aber nur in wenigen Szenen des charismatische Leinwandpräsenz. Von seinem Handeln her ist sein Charakter drehbuchtechnisch allerdings sehr nahe an dem Mann ohne Namen angelegt, teilweise zu nahe.

So ist er auch zu Beginn des Films ein reiner Söldner, der zumindest ansatzweise die beiden unterschiedlichen Parteien gegeneinander ausspielt, er wird von einer Frau verraten und wird schließlich emotional in die Auseinandersetzung involviert. Am Ende verzichtet er auf jegliche Belohnung – seinen Vorschuss hat er schon zur Ablenkung der Schurken im wahrsten Sinne des Wortes den Fluss runtergespült – und wendet sich angewidert von der feigen, innerlich verkommenden, ach so bürgerlichen Gesellschaft ab. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die deutsche Stimme Klaus Kindler von Clint Eastwood auch Steffen spricht. Ihm Gegenüber steht mit Aldo Sambrell ein klassischer Bösewicht, der in vielen sehr guten Italo- Western klassische Bösewichter verkörperte. Er quält seine Feinde und ärgert sich über die Unfähigkeit seiner eigenen Leute. Eine solide Leinwandpräsenz, dem man nur einen Charakterzug nicht abnimmt: das er Roselba Neri wirklich liebt und nicht nur ausnutzt. Diese markanten Gesichter heben „Der Tod sagt Amen“ über seinen reinen Durchschnittsplot hinaus. Wer sich für Sergio Martinos vielfältiges Werk und vor allem seine Wurzeln als Regisseur interessiert, wird einige gute Ansätze in dieser frühen Arbeit finden.

Im Vergleich zu den ersten DVD Veröffentlichungen der Italo Western Reihe ist das Bild etwas schwächer. Es ist etwas unschärfer und die Farben wirken ausgewaschen. Allerdings sind vor allem die Bilddefekte digital beseitigt worden und entschädigen für die im Vergleich zu einigen anderen italienischen Filmen dieser Epoche eher durchschnittliche Qualität. Im Vergleich zu der auch nicht befriedigenden italienischen Tonspur mit entsprechenden deutschen Untertiteln ist auch der deutsche Ton dumpf und rauscht an einigen Stellen. Die Mischung der manchmal zu leisen Musik – wenn nicht das Titellied gesungen wird – mit den Dialogen funktioniert zufrieden stellend und die Dialoge sind klar verständlich. Die bislang geschnittenen Szenen sind im Original mit deutschen Untertiteln präsentiert, fügen dem Plot des Films allerdings keine neuen Elemente hinzu. Die Extras bestehen aus zwei sehr schön anzusehenden Interviews. Einmal berichtet Sergio Martino in einem 12 minütigen Gespräch über die Produktion des vorliegenden Films und fängt an, über die ihm liebsten Filme seiner Karriere zu berichten.

Dieses Interview ergänzt eine Reihe von anderen Gesprächen, die inzwischen sowohl auf der DVD von „Der Killer von Wien“ als auch auf der Dokumentation „Denn sie kennen kein Erbarmen“ in den letzten Jahren veröffentlicht worden sind. Im Vergleich zu Sergio Sollima kann Sergio Martino seine Arbeiten realistischer einschätzen und hinterlässt einen gesetzten, aber sympathischen Eindruck. Der deutsche Dan van Husen hat in einer Reihe von italienischen Filme meistens in Nebenrollen mitgespielt. Unter anderem auch in „Der Tod sagt Amen“. In dem zweiten Interview erinnert sich van Husen an einige seiner Filme, seine Kollegen und das Leben in Almeria. In erster Linie lebt sein Interview von den zahlreichen Anekdoten und seiner realistischen Selbsteinschätzung. Der Kinotrailer in akzeptabler Qualität rundet die Extras ab. Der Text ist bei den neuen Ausgaben der Italo- Western Edition nicht mehr als Booklet hinzugefügt, sondern direkt auf die Innenseiten der aufklappbaren Covers gedruckt worden. Kurz, pointiert und mit lesenswerten Informationen ausgestattet.

 

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