Ritter der Schatten

Ritter der Schatten, Cover, Rezension
Roger Zelazny

“Knight of Shadows” ist der vorletzte Band der ganzen “Amer” Serie.  Während Roger Zelazny die ersten drei Romane der zweiten Miniserie innerhalb von drei Jahren veröffentlicht hat und sie wie ein Buch erschienen ließ, nahm er sich für den vorletzten und den abschließenden Band ein wenig mehr Zeit.

Positiv ist weiterhin, dass Roger Zelazny sich mit den beiden letzten Romanen ein wenig frei geschwommen hat. Der lange Schatten der ersten fünf Romane um Corwin von Amber erschien erdrückend.  Anstatt die Ideen der ersten Serie weiter zu verfolgen und den Kampf gegen die Schatten mit der nächsten Generation fortzusetzen, stellt der Autor viele Grundsätze auf den Kopf.  Beginnend mit der Idee einer computerisierten Alternativwelt im Gegensatz zu den vielen Dimensionen, in deren Mittelpunkt Amber steht, über die bekannten Familientwiste bis zur inzwischen relativierten Ermordung seiner Verlobten Julia.  Vor allem dieser Mord stellte eine Art Paukenschlag im Auftaktroman des zweiten Zyklus dar. 

Es ist nicht das einzige Element, das Roger Zelazny entweder relativiert oder wie angedeutet verändert. Corwin von Amber ist zwar ein sympathischer Spross des Amber Clans gewesen, dem der verwaiste Thron seines Vaters  zugestanden hätte. Auf dem Thron sitzt inzwischen einer seiner Brüder. Mit Intelligenz, Waffen von der Erde und schließlich einer Heroic Fantasy Entschlossenheit ist er gegen seinen Bruder vorgegangen, den er als seinen Feind angesehen hat.  Wie bei einigen anderen hintergründigen Geschichten des Amerikaners ist aber niemals so wie es auf den ersten Blick erscheint.

Bei den Geschichten um Merlin bzw. Merle Amber geht Roger Zelazny einen anderen Weg.  Merlin ist in erster Linie ein Zauberer, der seine Fähigkeiten im Laufe der insgesamt fünf Romane weiter entwickelt. Merle ist wie der Auftaktroman zeigt auch deutlich besser mit der Erde und ihrer Technik verbunden inklusiv der nicht magischen Entwicklung einer künstlichen Intelligenz. Das Merlin weder der Magier aus der König Arthur Saga ist noch im zweiten Roman dieses Zyklus mit seiner eigenen Erfindung viel anfangen will, sind frustrierende Entwicklungen, mit denen der Autor in den beiden schwächeren Büchern der Miniserie auch sehr viel Potential verschenkt.

Der Auftakt des Romans ist der angesprochene Paukenschlag. Hinter dem Zauberer Maske verbirgt sich schließlich die angeblich ermordete Freundin Julia. Im ersten Buch hat Merlin vor allem nach ihr und ihrem potentiellen Mörder gesucht; Hinweise erhalten, dass sie sich für obskure Zirkel und Magie interessiert.  Das aus ihr plötzlich ein derartig mächtiger Magier wird, erscheint unwahrscheinlich. Neben dem Geschlechtertausch wirkt Julias erstes indirektes Auftreten eher wie ein Schein denn ein Sein. 

Ein Überraschungselement und gleichzeitig das Brechen vieler Regeln ist nicht immer eine souveräne Vorgehensweise eines Autors. Es kommt auf eine geplante Vorbereitung an.  Vor allem darf sich diese überraschende Wendung nicht wiederholen. Schon in den Corwin Büchern sind einzelne Protagonisten nicht nur einmal, sondern zweimal wieder auferstanden und diese Variation nutze sich relativ schnell ab.

Anstatt den Paukenschlag für sich stehen zu lassen, nimmt Roger Zelazny anschließend Tempo aus dem Plot. Neben dem eher phlegmatischen Smalltalk zwischen Jasra und Mandor als Zusammenfassung der Ereignisse der ersten drei Merlin von Amber Romane impliziert Merlin plötzlich, dass er immer vermutet hat, das Julia eine Zauberin ist. Ein deutlicher Widerspruch zur Prämisse, die Roger Zelazny im sechsten Amer Roman aufgebaut hat.    

Es ist nicht das letzte Mal in diesem Zyklus, dass der Autor anscheinend die Grundidee durcheinander würfelt und den Plot in eine gänzlich andere Richtung treibt. Betrachtet man die fünf Corwin von Amber Romane unabhängig von der abschließenden Thronbesteigung und dem natürlich nur vorläufigen Sieg über das Reich der Schatten wirken die fünf Bücher sehr gut konzipiert und vor allem mittels Vor- und Rückgriffen auch durchgeplant, obwohl er stilistisch, handlungstechnisch immer den Eindruck hinterlassen hat, aus dem Stehgreif das Chaos zu improvisieren.

Aus dem vorangegangenen Roman ist die Suche/ Rettung der ebenfalls mit ihm verwandten Coral übernommen worden.  Interessant ist, dass der Autor mit dieser Suche eine nicht unbedingt neue, aber von einem zu langen psychedelischen Roadtrip unterbrochene Idee einbaut, deren Potential schon in den ersten Corwin von Amber Büchern nur gestreift werden konnte. Anscheinend sind die Muster als eine Fantasy Variation der Künstlichen Intelligenz mindestens mit einem Bewusstsein ausgestattet, wenn nicht sogar Intelligenz.

Parallel wird ein ursprünglicher Verdacht wiederbelebt. Anscheinend ist Merlins selbstlernendes Computerprogramm Ghostweel  genauso heimtückisch, manipulierend und vielleicht unehrlich wie seine Amber Verwandten.  Die Anzahl der Verwandten wächst mit jedem Roman stark an.  Genau wie die wiederkehrenden Toten, wobei nicht von Zombies gesprochen werden sollte.  Mit der Idee, das Ghostweel zwei hypothetische Gesichter hat, wird zwar eine Idee wie angedeutet aus dem ersten Buch wieder aufgenommen, es werden aber keine weiteren Fakten hinzugefügt.  Vor allem wenn der Leser das Ende der ganzen Serie betrachtet, in dem ein wenig vorgegriffen Roger Zelazny einige Prämissen des vorliegenden elften Bandes wieder relativiert.

Auf die Ebene der Magie im Gegensatz zu der Auseinandersetzung mit der künstlichen Intelligenz kehrt der Amerikaner wieder bei der Suche nach dem Juwel of Judgment zurück,  das zusammen mit der Herkunft der ihn schützenden Dämonen aus den Schatten quasi aus dem Nichts in den Schoß des Helden fällt.

Positiv gesprochen hätte andere Autoren mindestens einen oder zwei Romane um Ideen verfasst, die der Amerikaner hier nicht immer zufriedenstellend extrapoliert im Vorbeimarschieren streift.   Hier wirken diese Episoden allerdings aufgesetzt und gehen in den psychedelischen Diskussionen um die Herkunft der Muster, die mögliche Intelligenz und vor allem das Verhalten bei einer Verletzung der Muster buchstäblich unter.

Auch die verschiedenen Familienverbindungen ermüden in dieser Häufigkeit. In den ersten sechs Corwin von Amber Büchern konnte Corwin stellvertretend als Alter Ego des Autoren manchmal auch nicht an sich halten, wenn aus dem buchstäblichen Nichts der Schatten ein weiterer Verwandter auf die Bühne sprang. Die Dialoge wirken absichtlich gestelzt und parodistisch geschrieben.  „Knight of Shadows“ ist in dieser Hinsicht viel zu ernst gehalten und einige der Winkelzüge machen weder mit viel Langmut, geschweige denn einer bislang versteckten Logik wirklich nachhaltig Sinn.

Roger Zelazny scheint auch hinsichtlich des Konzepts müde geworden zu sein, so dass der vorliegende vorletzte Roman zwar gegen Ende hin ein wenig stärker und fokussierter erscheint, als Ganzes aber weiterhin nicht überzeugen kann und die Demontage der Grundidee der ganzen Serie Zeugnis redet.  

 

  • Broschiert: 298 Seiten
  • Verlag: Heyne (1995)
  • ISBN-10: 3453085329
  • ISBN-13: 978-3453085329
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