Schattenmänner

Christian von Ditfurth

"Schattenmänner" ist der vierte Roman aus der Feder Christian von Ditfurths um den erfolgreichen wie exzentrischen Berliner Kommissar Eugen de Bodt und seine kleine Mannschaft. Weitere Bände sollen in den nächsten Jahren erscheinen. 

Der Historiker und Kriminalschriftsteller kehrt zu den Wurzeln der Serie "Heldenfabrik" zurück und präsentiert einen wie immer ungewöhnlichen Kriminalfall, der sich in eine sehr politische Richtung entwickelt.  "Zwei Sekunden" und "Giftflut" dagegen begannen mit außergewöhnlichen Ereignissen, die Christian von Ditfurth plottechnisch nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. Dadurch wirkten die geradlinigen Romane unrund bis leider auch "Giftflut" unlogisch. Im vierten Band konzentriert sich der Autor wieder deutlich mehr auf einen durchgehend überzeugend strukturierten Plot und eine vor allem der paranoiden Trumpära entsprechend gestaltete Pointe. Auch wenn auf den ersten Blick der "Fall" weniger  spektakulär erscheint, wirkt das Buch homogener und zeigt Christian von Ditfurth als souveränen süffisanten Erzähler, der seine ganze Routine ausspielt und nicht sich bemüht, plakativ etwas Spektakuläres wie absolut Unglaubwürdiges zu erschaffen.

 Ausgangspunkt ist der brutale Mord an der Geliebten eines aufstrebenden bayerischen Ministers und  der Mutter seines unehelichen Kindes. De Bodt löst scheinbar trotz aller politischen Steine, die ihm in den Weg gelegt werden, relativ schnell. Die Geliebte ist ein zweites Mal schwanger, die Ehefrau wird über das wieder aufgenommene Verhältnis informiert und die Dinge gehen seinen Lauf. Für die Polizei ist der Fall in der Praxis abgeschlossen. Nur de Bodt sieht den Katalysator wo anders.

 Auf den Parallelhandlungsebenen wird der Leser im Gegensatz zum Kommissar über weitere seltsame Unfälle und Morde informiert. In Düsseldorf wird ein Mann von einem Auto überfahren, die örtliche Polizistin Kern ist sich aber hinsichtlich der Fahrerflucht nicht sicher. In Frankreich wird eine junge Frau beim Anstehen nach Eis in einem Cafe von einem Scharfschützen erschossen.

 In jedem Fall ermittelt ein unterschiedlicher Kommissar, wobei Christian von Ditfurth nicht zuletzt wegen der letzten international angelegten Fälle auf Nebenfiguren zurückgreifen kann, mit denen der Leser positiv schon vertraut ist.

 Der Klappentext verrät im Grunde die einzige, sich aber im Laufe der Handlung erst langsam herausschälende Gemeinsamkeit der Opfer. Sie sind alle Mitglieder einer Facebook Gruppe mit Katzenliebhabern, obwohl sie mit den Felltigern in der Realität wenig anfangen können. 

 Christian von Ditfurth erzählt vor allem seine deBodt Krimis mit ständig wechselnden Perspektiven, sehr kurzen Kapiteln, einem hohen Tempo und dem Reiz des provozierenden, auch ein wenig schockierenden Cliffhangers innerhalb der Handlungsbögen. Der Leser soll förmlich weiter getrieben werden. Interessant ist, dass seine Ermittler nicht nur Fehler begehen dürfen – der Fenstersturz könnte nicht nur deBodts Karriere, sondern den ganzen Fall beerdigen -  , sondern der sie durch die unterschiedlichen Interessensgruppen ständig umgebende Tod wirklich aus dem Nichts zuschlägt. In einigen Szenen wie den Malern im Haus gegenüber des Polizeihauptquartiers in Berlin droht der Plot ins Groteske abzugleiten. Ein Manko, das von Ditfurth in „Schattenmänner“ schneller unter Kontrolle bringt und das Abdriften in die Tiefen amerikanischer Blockbusterthriller verhindert.

 Der Autor setzt auch mehr auf die Puzzlementalität, die dem Plot zu Gute kommt. Wie anfänglich scheinbar nicht miteinander verbundene Taten doch zusammenfließen und einen gemeinsamen Nenner und einen „ersten“ Toten als Ausgangspunkt haben, so verzahnen sich in der zweiten Hälfte des Buches die einzelnen Plotlinien miteinander. Alleine die Beträge, die für einen einzigen Datenträger bezahlt werden müssen, sind atemberaubend. Als potentieller Käufer wäre mancher Leser wahrscheinlich schon verzweifelt. Aber Christian von Ditfurth macht am Ende des Romans deutlich, dass Verwirrspiel durchaus auch einen Hintersinn haben kann.

 Während in „Zwei Sekunden“ die Auflösung des Falls extrem konstruiert und in „Giftflut“ Christian von Ditfurth mit seiner Anklage gegen den rücksichtslosen Kapitalismus und die absolute Profitgier einige Regeln ignoriert, stellt sich die Frage, ob der Weg hinsichtlich der Destabilisierung aus dem Lager der potentiellen Freunde kommend realistisch ist.  Der Plan impliziert, dass die neue Weltordnung bedeutet, nichts mehr gegen die Konkurrenz aus Russland oder China anzutreten, sondern die eigene Flanke aus egoistischen Gründen zu schwächen. Wird diese Anti James Bond Idee allerdings akzeptiert, dann ist die Auflösung konsequent und bis auf einige kleinere Exzesse in sich selbst überzeugend logisch.

 Die bisherigen drei deBodt Fällen konnten mindestens auf der persönlichen Ebene überzeugen. Das Team der Exzentriker mit dem in sich gekehrten deBodt, dem Maulhelden Yussuf und der deBodt liebenden Silvia Salinger im Kampf gegen das Böse, aber auch die aus deBodt Sicht dummen Paragraphenreiter im eigenen Haus hat sich gut etabliert. Eine Weiterentwicklung findet allerdings auch nicht statt. deBodt mag Salinger, sie ihn. Aber sie haben beide Angst, was eine Beziehung für ihre berufliche Zusammenarbeit im Allgemeinen und bei einem beziehungstechnischen Scheitern auch für sie beide im Besonderen bedeuten würde. Immer wieder streift von Ditfurth dieses Thema, ohne einen Schritt weiter zu kommen oder es auch nur zu variieren.

deBodt fällt in der ersten Hälfte des Buches durch seine zahlreichen Zitate auf.  Nicht immer sind diese passend und wirken manchmal auch eher affektiert als pointiert. Christian von Ditfurth unterliegt in diesem Punkt der Versuchung vieler Krimiautoren, ihre jeweiligen Protagonisten fast immer und überall exzentrisch manchmal weniger zu charakterisieren als fast schon zu karikieren. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen und vor allem die erste Hälfte mit einem Zitat pro kurzem Kapitel beginnt mit der Geduld der Leser zu spielen und wirkt manchmal auch wie Zeilenschinderei.

 Die Alleingänge deBodts nehmen auch innerhalb seines Teams deutlich zu. Auch wenn abschließend der Erfolg fast alle Mittel heiligt und seine Vorgesetzten trotz drohenden Entlassung nach Verstoß gegen die Suspendierung plötzlich wieder ihre Fähnchen in den Wind hängen, überspielt von Ditfurth die Spannungen innerhalb der kleinen Gruppe zu oberflächlich. Immerhin hängt auch die Karriere, wenn nicht sogar das Leben Salingers und Yussufs von deBodts unorthodoxem, aber natürlich abschließend erfolgreichen Vorgehen ab. Pyrrhussiege kann sich niemand erlauben. Yussuf und Salinger versuchen irgendwo die verschwiegenen Alleingänge ihres Chefs sich selbst zu erklären, das aber nichts hängenbleibt, erscheint unwahrscheinlich. Zumindest kann deBodt stellvertretend für den Leser an einigen Stellen auch die eigenen Leute mit seinen verblüffenden geographischen Wendungen überrascht. Hier gibt es aber auch ein Problem. Christian von Ditfurth neigt ein wenig zu Wiederholungen, wie das abgeschieden gelegene Werk und schließlich das zweite Treffen auf dem ehemaligen Flugfeld in Berlin symbolisieren. Interessant ist auch, dass deBodt hier zugreift und aus dem Instinkt heraus handelt. Wenn die Gegenseite wie impliziert wird über ausreichende Mittel verfügt, um ein weiteres Team anzuheuern – für 100.000 Euro pro Mann - , dann hätten sie auch ohne Frage deBodts Kollegen beschatten können.

Auch hier schließt sich eine weitere indirekte Frage an. deBodt wird als derartig gefährlich von einer Gruppe angesehen, dass er direkt getötet werden soll,. Drei Anschläge funktionieren nicht, was seine Gefährlichkeit aus den Augen der Täter erhöhen, aber nicht wie während der finalen Auseinandersetzung senken sollte. Daher wirkt dieser Schwenk auf die Zielgerade unabhängig vom tragischen Ausgang der Festnahme stark konstruiert, um den Spannungsbogen zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen.      

 Alleine Yussuf durchleidet einiges. Das Computergenie im Westentaschenformat mit der Fähigkeit, aus dem Nichts heraus zu organisieren. Als gehbehinderter Quotentürke wird er auch zum Gespött. Yussuf scheint in dem komplizierten, aber nicht immer komplexen Fall noch mehr als die über weite Strecken sich in ihren engen Vorgaben bewegende Salinger Mittler zum Leser zu sein. Mit seinen witzigen, teilweise sarkastischen  Bemerkungen erdet er immer wieder den Handlungsbogen und zeigt auf, wie ungewöhnlich sprich gefährlich auch dieser Fall für die inzwischen irgendwie auch von ihrer Behörde isolierten erfolgreichen Sonderermittler fast wider Willen ist.

 Internationalität ist Trumpf bei den Nebenfiguren. Auch wenn sie wenig direkt miteinander zu tun haben, vereinigt deBodt Franzosen und Russen zu einer schlagkräftigen Gruppe, die gegen ihre nationalen Interessen vor allem an der Überführung einer Gruppe von Mördern teilweise auch in Gestalt von angeheuerten Söldnern gemeinsam arbeiten. deBodt ist dabei Kopf und Mittler. 

 Die Offiziellen beginnend mit erzkonservativen ehrgeizigen Politikern und endend wieder bei deBodt feigen und opportunistischen Vorgesetzen kommen in keinem seiner Krimis gut weg. Pointiert, ironisch bis sarkastisch entlarvt von Ditfurth das Herr der kleinkarierten Beamten als die Personen, die immer auf den Flügeln der geschriebenen Gesetze reitend lieber Niederlagen in Kauf nehmen als die goldenen Regeln ihrer Existenz zu verletzen. Bei denen Stillstand fast schon eine Art Rennen sein kann, während Rückschritt als unabwendbare Normalität anerkannt wird.

 „Schattenmänner“ ist zusammen mit „Heldenfabrik“ der bislang beste deBodt Roman, weil Christian von Ditfurth bei spektakulären Plots eben nicht zu stark übertreibt und trotz der Versuchung bei den in allen vier Fällen interessanten Ausgangspositionen diszipliniert und im literarischen Rahmen konsequent geerdet bleibt, anstatt in die Tiefen des übertriebenen amerikanischen Actionkinos teilweise unnötig wie unrealistisch abzutauchen. 

 

 

Schattenmänner: Thriller (Kommissar de Bodt ermittelt, Band 4)

  • Broschiert: 480 Seiten
  • Verlag: C. Bertelsmann Verlag; Auflage: Originalausgabe (13. August 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783570103524
  • ISBN-13: 978-3570103524
  • ASIN: 3570103528
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