Wieder beginnt Axel Halbach mit dem verzweifelten Kara Ben Nemsi in seiner sächsischen Heimat, der unbedingt seinem aufdringlichen Onkel eine neue Geschichte erzählen soll. Notfalls eben eine erfundene Geschichte. Das sollte doch kein Problem sein.
Bevor er allerdings zur Tat schreiten kann, steht Hadschi Halef Omar überraschend vor seiner Tür. Der lange angekündigte Besuch im fernen Sachsen. Aber Hadschi Halef Omar ist nicht der einzige Besucher. Ein Gelehrter mit der Karte einer römischen Stadt bittet Kara Ben Nemsi um Hilfe. Anscheinend wird die im Sand versunkene Stadt regelmäßig ausgeplündert und die Schätze kommen auf den Schwarzmarkt. Die Karte weist den Weg zu einem noch nicht entdeckten Schatz, der vor Plünderungen geschützt werden soll. Als Dritter im Bunde ist Sir David Lindsay sofort Feuer und Flamme, ein neues Abenteuer zu erleben.
Mit dem Schiff geht es erst einmal nach Tripolis, wo die Freunde Kenntnis von einem Frauenschmuggel erlangen. Die überwiegend jungen Frau werden aus ihren Dörfern verschleppt, an die Küste verbracht und dort per Schiff nach Saudi Arabien verkauft, wo die reichen Scheichs begierig neues Fleisch erwarten. Auch die Tochter eines Freundes ist unter den Entführten.
Die Schatzsuche muss scheinbar hinten angestellt werden.
Axel Halbach hat im Laufe der vielen Jahre, in denen er die Karl May Hommage Romane verfasst hat, im positiven Sinne eine Routine entwickelt. Viele Grundmechanismen dieser besonderen Gattung von Abenteuerroman kann er nicht ändern. Aber der Autor bewegt sich ausgesprochen originell in den engen Schemata des Karl May Kosmos. Mit Tripolis verfügt die Geschichte genauso wie die Exkursion in den Bereich des Voodoo über neue Aspekte. Bereichert wird dieser Hintergrund durch den Rückgriff auf vertraute Nebenfiguren, denen Hadschi Halef Omar und Kara Ben Nemsi vor allem im Axel Halbach Kosmos schon einmal begegnet sind. Auch wenn der Blitz- Verlag sich bemüht, die Nachdrucke in der chronologischen Reihenfolge neu zu veröffentlichen, ist mindestens ein Abenteuer bislang noch nicht nachgedruckt worden, auf das Kara Ben Nemsi in seinen Erinnerungen verweist.
Zweimal gerät Kara Ben Nemsi durch den eigenen Leichtsinn in Lebensgefahr bzw. unterschätzt seine Feinde sträflich. Bei der lebensgefährlichen Situation rettet ihn ein Schlüssel, den er vorher eingesteckt hat. Das wirkt konstruiert, aber angesichts der komplexen Handlung und vor allem des hohen Tempos muss Axel Halbach auf dem Weg zum Finale diese Szenen relativ schnell abhandeln. Der umgehend bestrafte Leichtsinn ist dabei weniger nachvollziehbar, denn Kara Ben Nemsi hat wenige Tage vorher schon erfahren, dass die Verbrecherbande über zahlreiche Augen und Ohren auch in den entlegenen Winkeln verfügt und die Freunde auch während ihrer Arbeiten im Tal beobachtet. Daher wirkt die Szene eher dramaturgisch aufgesetzt, eröffnet aber den Weg direkt in das Finale mit der fast klischeehaften Gier nach Gold und der Verfolgung des fliehenden Schurken. Der Schut lässt grüßen.
Trotz der durchscheinenden Kritik muss immer wieder betont werden, dass die Karl May Stammleser in ihrem Kosmos Vertrautes lesen möchten. Selbst die im magischen Orient spielenden Abenteuer direkt aus dem Karl May Verlag können bestimmte Gesetzmäßigkeiten des Kosmos nicht umschiffen. Neu ist, dass die Schurken nicht nur durch in erster Linie eigene Dummheit sterben, sondern das während der Gefechte nicht immer bedingungslos versucht wird, das Leben der Verbrecher zu schonen, um sie der gerechten Strafe zuzuführen und ihnen nicht selten damit mindestens einmal zusätzlich die Möglichkeit zu geben, aus der Gefangenschaft zu fliehen.
Aber diese vertrauten Sujets machen vor allem auch den Reiz von Axel Halbachs gut erzählten Geschichten aus. Man schmunzelt, wenn Kara Ben Nemsi als Geist aus dem Jenseits einen der Mädchen Entführer quasi bekehrt, um wenige Seiten weiter von diesem plötzlich aufgeklärten Mann wichtige Informationen zu bekommen. In einer anderen Sequenz ist einer der Verbrecher schon vorher zur Erkenntnis gekommen, auf dem falschen Weg zu wandeln und ermöglicht mittels seiner Passivität den Guten einen wichtigen Sieg. Im Vergleich zu Karl May schwingt Axel Halbach weniger die christliche Moralkeule. Dadurch wirken seine Texte auch fließender und trotz der in den Details bekannten Handlungsbausteine auch deutlich moderner.
Besonders bei der Zeichnung der Einheimischen geht Axel Halbach noch einen Schritt weiter. Während bei Karl May nicht selten Kara Ben Nemsi mit seinen wenigen Getreuen auf feige Einheimische stoßen, die sich dem Joch der jeweiligen Banditenführer beugen, treffen Axel Halbachs Helden auf deutlich mehr entschlossene und teilweise demokratisch denkende Stammesführer, die sich relativ schnell und dann auch eigenständig handelnd Kara Ben Nemsi und seinen Getreuen anschließen.
Wie Karl May beschreibt Axel Halbach Land und Leute mit dem notwendigen Respekt. Hintergrundinformationen werden unauffälliger in die laufende Handlung eingestreut und die teilweise den Lesefluss störenden ausführlichen Exkursionen Karl Mays, welche der Sachse Sekundärquellen entnommen hat, sind deutlich eleganter und weniger belehrend in die von einem hohen Tempo geprägten Geschichten eingeführt. Alle nicht für das Lesevergnügen notwendigen Informationen werden in Form kurzer Nachwörter präsentiert.
Die beiden wichtigsten Sujets - Frauenhandel und die Schatzsuche - verbindet Axel Halbach im Handlungsverlauf effektiv und auffällig miteinander. Dazu kommt die kurze Exkursion in den Bereich des Voodoos mit einem markanten Kurzauftritt Sir David Lindsay, der einmal nicht den reichen Tölpel spielen muss. Vielleicht begradigt Axel Halbach das ganze Voodoo Thema inklusiv der entsprechenden Hexe zu schnell. Hier wird einiges an Potential verschenkt, aber das ist Kritik auf einem hohen Niveau, denn “Von Leptis Magna in den Dschebel Nefusa” gehört nicht nur wegen der einzigartigen geographischen Landschaft, sondern der temporeichen Geschichte mit einigen spannenden Szenen zu den besten Axel Halbach / Karl May Geschichten und die Neuauflage für ein hoffentlich größeres Lesepublikum als die kaum antiquarisch zu erhaltenden Privatdrucke ist mehr als überfällig. Ralph Kretschmann hat abschließend auch ein stimmungsvolles Titelbild beigesteuert.
Axel Halbach
VON LEPTIS MAGNA IN DEN DSCHEBEL NEFUSA
Band: 22, Abenteuer-Roman
Seiten: 292 Taschenbuch
Exklusive Sammler-Ausgabe
Preis: 12,95 €