Perry Rhodan Planetenroman 57/58 "Die verhängnisvolle Expedition" / "Phantom- Station"

H.G. Ewers

Mit „Die verhängnisvolle Expedition“ veröffentlicht der Zaubermond Verlag die erste professionelle Arbeit H.G. Ewers für die Perry Rhodan Serie aus dem Jahr 1964. Der zweite in diesem Doppelband enthaltene Roman „Phantom Station“ erschien nur kurze Zeit später. Wer sich in den Frühzeiten der „Perry Rhodan“ Serie nicht mehr oder noch nicht so gut auskennt, der braucht dieses Mal nicht auf das Vorwort Rainer Nagels warten. Wie später noch Rainer Castor nimmt sich H.G. Ewers in diesem auch umfangtechnisch leicht überdurchschnittlichen Debüt "Die verhängnisvolle Expedition" sehr viel Zeit und Raum, um nicht nur die anzufliegende Welt Gnom noch einmal vor den Augen der Leser Revue passieren zu lassen, sondern minutiös und detailliert seinen Planetenroman in die Ereignisse der Erstauflage einzupassen und dabei die Leser nicht unbedingt zu langweilen.

Der Plot spielt nach dem Sieg gegen den Robotregenten, der dank Atlans Akzeptanz als Mitglied des Herrschergeschlechts ebenfalls noch einmal zusammengefasst wird. Es gibt noch einen Hinweis auf den Einsatz eines Fiktivtransmitters an Bord der DRUSUS. Aber in erster Linie stehen dieser faszinierende fremdartige Planet und vor allem die Suche nach außerirdischen Leben aus anderen Dimensionen im Mittelpunkt der Handlung.  Oberst Julian Tifflor soll das Geheimnis  des Gom Wesens lösen, dem schon einige der Mutanten auf der Spur gewesen ist. H.G. Ewers stellt Tifflor anfänglich als engagierten, aber auch heißblütigen jungen Mann dar, der diese Art von Auftrag eher als minderwertig ansieht. John Marshall versucht ihm zu erklären, dass Perry Rhodan sehr viel Wert auf die Mission legt. An Bord des GOSHUN befinden sich neben Tifflor und Marhall auch selten verwandte, aber lieb gewonnene Mitglieder des Mutantenkorps mit ihren so phantasievollen Fähigkeiten wie der Suggestor Saburo Jamasaki. Die Wissenschaftler sollen die Welt untersuchen. Im Anflug verweist H.G. Ewers noch einmal auf die Erstauflage, in welcher der Mond Laros von der Arkonbombe mit Nickel überzogen worden ist. Die Labore der Aras befinden sich jetzt unter einer undurchdringlichen Metallschicht. Auf der unwirtlichen Welt Gom versuchen die Mutanten mittels eines speziellen PSI Senders Kontakt zu dem fremdartigen Wesen Gnom aufzunehmen. Ewers nimmt sich sehr viel Zeit, diese Bemühungen ausführlich zu beschreiben, bevor sich der Plot langsam in Richtung van Vogts „Space Beagle“ mit pazifistischen Untertönen verschiebt.   Einige Männer und ihre Shifts verschwinden oder tauchen in der von Stürmen heimgesuchten Atmosphäre dieser Welt plötzlich wieder auf. Tifflor findet einige der Männer bewusstlos und mit bräunlichem Staub bedeckt, bei dem es sich um Spuren des Gom Wesens handeln könnte.

Wahrscheinlich ist es Rainer Nagel gar nicht so bewusst aufgefallen, aber auch die im voran gegangenen Doppelband veröffentlichten beiden Romane von Willy Voltz setzen sich mit den Missverständnissen zwischen Menschen und wirklich fremden Wesen auseinander. Im Gegensatz zum eher routinierten und nicht immer nachhaltig originellen erzählerischen Vorgehen Willi Voltz setzt H.G. Ewers in seinem Debütroman anfänglich auf die klassischen Spannungselemente, die zum Beispiel auch John W. Campbells "Who goes there"  oder Finneys "Invasion der Körperfresser" auszeichneten. So wird im Laufe der Handlung impliziert, dass einer der kurze Zeit verschwundenen Menschen evtl. nur eine aus der Gom Substanz bestehende Attrappe ist.  An einer anderen Stelle wird Tifflor von ebenfalls verschwundenen Menschen angegriffen und kann sich nur durch eine schnelle Reaktion mit dem Strahler retten. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten sind noch nicht so ausgereift, als dass H.G. Ewers in diesen rückblickend für den Plot zu langen Szenen wirklich Paranoia und ggfs. auch Angst vor dem Unbekannten, vor der kompletten Übernahme schriftstellerisch entwickeln kann. Zu sehr springen gleich die alles erläuternden Wissenschaftler dem Plot bei und zerreden einige sehr gute Passagen förmlich.  Die Interaktion zwischen diesen möglichen Puppen oder künstlichen Gom Ablegern beschränkt sich auf den Hinweis, einer wäre möglicherweise ein Verräter. Diesen roten Faden nimmt Ewers im Verlaufe des Buches leider nicht mehr auf.

 Viel interessanter ist der zweite Teil des Romans, in dem von Marshall angeführt die Mutanten die Tunnel bis zu einer ihnen unbekannten unterirdischen Anlage untersuchen. Bizarrer Höhepunkt ist ein Gom Wesen, dass quasi im Stein verschwindet, nachdem es sich ganz "flach" gemacht hat. Die Beschreibung von fremden Wesen und ihren potentiellen Kulturen nicht selten mit einem Schuss Humor werden später zu einem Markenzeichen von H.G. Ewers. Erste Ansätze finden sich in diesem Erstling. Zwischen den vermeintlich übergeordneten Dimensionen und einer Frühform der virtuellen Realität beschreibt Ewers, dass nicht selten wie auch bei den angesprochenen Planetenromanen Will Voltz immer noch der Mensch sein größter Feind ist. Während K.H. Scheer in der Erstauflage rein defensiv die Menschen sich mit Planeten zerstörenden Waffen "verteidigen" untersuchen die Autoren der deutlich freier zu gestaltenden Planetenromane dieser Ära immer wieder den Kontakt mit den Fremden, der zum gegenseitigen verständnis und vor allem auch zu der Möglichkeit führt, ungewöhnliche Freundschaften zu schließen und von den jeweils anderen zu lernen.  Ganz auf Marshall und Tifflor wollte Ewers sein Debüt nicht abstellen, so dass Perry Rhodan einen allerdings auch künstlich erscheinenden Kurzauftritt hat.

Zusammengefasst ist "Die verhängnisvolle Expedition" ein gutes Debüt von H.G. Ewers in der Perry Rhodan Serie. Er extrapoliert phantasievoll die losen roten Fäden der Erstauflage und umschifft das Klischee von der gewaltsamen Konfrontation sehr elegant. Während Gom atmosphärisch überzeugend beschrieben worden ist, weist die erste Hälfte des Buches für die Planetenromane ungewöhnliche Längen so, während die finale Auseinandersetzung auf mehreren Ebenen deutlich besser unterhält.

  “Phantom- Station” ist H.G. Ewers vierter “Planetenroman”, der aber deutlich vor „Die verhängnisvolle Expedition“ spielt.  Rainer Nagel positioniert in seinem Nachwort das Abenteuer. Während Perry Rhodan in „Die geheimnisvolle Expedition“ nur einen kurzen wenig befriedenden Gastauftritt hat, ist „Phantom- Station“ einer der ersten Planetenromane, bei denen der Fokus alleine auf Perry Rhodan und Reginald Bull liegt. Hinzu kommt, dass Bully weniger der Stichwortgeber und rothaariger Sidekick ist, sondern in dem dramaturgisch sehr kompakt gestalteten Science Fiction Abenteuer eine wichtige Rolle spielt. Im Gegensatz zur Erstauflage hat sich der Ableger „Neo“ sehr viel handlungstechnische Zeit genommen, um das WEGA System zu untersuchen. H.G. Ewers hat zumindest kurzzeitig diese Rolle für die alte Serie übernommen, in dem er einen 43. Planeten plötzlich im Wega System erscheinen lässt. Perry Rhodan und Reginald Bull befinden sich an Bord eines Raumjägers in der Nähe. Die Maschine stürzt über dem Planeten ab. Perry Rhodan verliert einen Teil seines Gedächtnis. Ohne vom Plot zu viel zu verraten, muss Rhodan zum Beispiel durch eine unwirtliche lebensfeindliche Wüste marschieren. Hier kommen ihm Erinnerungen an die Wüste Gobi.  Sein Weg führt ihn zu einer ihm bislang unbekannten Kolonie.  Ihm werden immer mehr Herausforderungen gestellt.  Reginald Bull begegnet er später und tötet ihn. Selbst mit der eigenen Sterblichkeit wird Perry Rhodan konfrontiert.

Wie eingangs erwähnt spielt der Roman in der Frühzeit des Solaren Imperiums. Trotzdem ist der am meisten wichtige Hinweis, den Perry Rhodan findet, die Idee, dass die Menschen in dieser ihm unbekannten Kolonie ihn nicht als Vertreter der Dritten Macht von Fotos oder Filmen her kannten.   Mit dieser Erkenntnis beginnt die Fassade zu bröckeln.  Den ganzen Plotverlauf folgend unterminiert H.G. Ewers mit der Nutzung von Reginald Bull und Perry Rhodan eine Reihe von natürlichen Spannungselementen.  Beide Charaktere dürfen nicht sterben und werden lebensgefährliche Situationen immer auf die eine oder andere Art und Weise überstehen. Daher stellt sich bei der Lektüre weniger die Frage nach dem „wie“, sonder eher nach dem „warum“ ? In Zwischenkapiteln impliziert Ewers schon die mögliche Lösung in Form dreier PSI Roboter.  Diese konzentrieren sich – auch wenn Reginald Bull als abgerundeter Charakter erscheint -   in erster Linie auf Perry Rhodan. Die Idee, einen besonderen Menschen oder in diesem Fall Menschen kontinuierlich und für die anfänglich Unwissenden über einen normalen Grat hinaus zu testen, ist im Genre im Allgemeinen und selbst in der Perry Rhodan im Besonderen nicht neu. Chronologisch zeitlich lässt sich diese Episode wie ebenfalls gegen Ende des Buches erwähnt als Variation der Tests und Herausforderungen verstehen, welche die Superintelligenz „Es“ den Menschen und Arkoniden während ihrer Suche nach dem Planeten der Unsterblichkeit in den Weg gelegt hat. 

Ewers geht aber einen Schritt weiter. In erster Linie werden Perry Rhodan und Reginald Bull vor allem psychisch getestet. Gewalt spielt keine Rolle, obwohl die Szenarien bei einem empfindlichen Geist sehr viel mehr Spuren hinterlassen könnten als es wahrscheinlich auch die Fremden in Erwägung gezogen haben. Die Auflösung dieser Tests wirkt ein wenig hektisch, da die Idee des Asimov´schen Robotergesetze sehr weit gespannt wird. Eine Verbannung in eine andere Galaxis – Ewers greift hier unbewusst dem „Meister der Insel“ Zyklus voraus – entspricht im Grunde einem Todesurteil. Reginald Bull ist in diesem Roman der Retter in letzter Sekunde, wobei anscheinend diese Möglichkeit von den drei PSI Robotern vielleicht sogar als abschließender Test antizipiert worden ist.

Ewers hat in seinem vierten Planetenroman ein nicht unbekanntes Konzept aber sehr überzeugend niedergeschrieben. Die einzelnen Sequenzen sind mit einem zu frühen Ausblick auf das Gesamtbild und unter Einschränkung der Unantastbarkeit der wichtigsten Serienhelden sehr dreidimensional und exotisch zu gleich entwickelt worden. Die Übergänge sind fließend. Vor allem zeichnet Ewers aber sehr gute Charakterbilder dieser beiden Figuren. Bei Reginald Bull greift er der späteren Serienentwicklung voraus, in dem er Perry Rhodans Freund nicht nur Verantwortung schenkt, sondern ihn weniger als den typischen Hitzkopf agieren lässt. Dafür ihm die Routine und Intelligenz zugesteht, die einen amerikanischen Astronauten selbst in der Trivialliteratur auszeichnen sollten. Perry Rhodan wird deutlich differenzierter charakterisiert.  Durch den Gedächtnisverlust ist er nicht gleich die dominante Persönlichkeit, die ihn sonst in den Romanen der Erstauflage so ausgezeichnet hat. Viel mehr agiert er unsicher und vorsichtig. Hinterfragt jede Herausforderung, die ihm gegen alle Logik gestellt wird und kann schließlich buchstäblich den Spieß umdrehen.  Das ist keine Überraschung. Aber der Weg dahin ist emotional überzeugend gezeichnet worden.

In seinem Nachwort weißt Rainer Nagel auf das Rauchen der Protagonisten hin. Vielleicht geht er einen Schritt zu weit, wenn er die obligatorische Zigarettenreklame in den Heften mit der schlechten Angewohnheit der Protagonisten in Verbindung bringt. Es gibt viele Fotos, auf denen Scheer und Ernsting auch keinen großen Bogen um Zigaretten machen. Aber es lässt Bull und Perry Rhodan noch menschlicher erscheinen. Vor allem sind die vielen Hinweise auf die Zigaretten, Zigarettenhalter, Zigarettenautomaten und sogar einige Titelbilder, auf denen die Eliteeinheiten wie die amerikanischen Soldaten ihre Zigaretten hinter dem Ohr parken, ein zeithistorisches Dokument, das der jetzigen Lesergeneration gar nicht so bewusst ist.

Die Veröffentlichung der beiden inhaltlich sehr unterschiedlichen, aber von mangelnder und fehlgeleiteter Kommunikation zwischen Menschen und Fremden egal von welcher Seite initiiert  thematisch verbundenen sehr frühen Planetenromanen Ewers ist ein weiterer kleiner Meilenstein dieser mit sehr viel Liebe zusammengestellten Reihe, der das teilweise auch ein wenig kitschig angestaubte Ambiente der „guten alten“ Perry Rhodan Serie doch in einem teilweise erstaunlich pazifistischen wie modernen Licht erscheinen lässt.   

 

 

www.zaubermond.de

Zaubermond Verlag, Taschenbuch

360 Seiten

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