Nemesis Spiele

Nemesis Spiele, Titelbild, Rezension
James Corey

“Nemesis Spiele”  ist der fünfte Band der “Expanse“ Serie des Autorenduo James Corey. Inzwischen ist der erste Band auch verfilmt worden.  Anscheinend haben es sich die beiden Autorens zur Regel gemacht, einmal im Jahr -  bislang ist es bis Roman acht geplant -  einen umfangreichen Band ihrer Serie zu publizieren.Dabei wird der Plot nicht chronologisch und sklavisch immer weiter nach "außen" geschrieben.  Mit den vorliegenden „Nemesis Spiele“  kehrt ein Teil der Handlung zu den Ausgangspunkten der "Expanse" Serie zurück. Auch wenn grundlegend eine neue Bedrohung für die Menschheit im Allgemeinen sowie das Universum im Folgenden entwickelt worden ist, macht es keinen Sinn, mit diesem auch handlungstechnisch nicht in sich abgeschlossenen Band die Serie zu beginnen. Zu viele Querverweise bleiben unverständlich. James Corey haben sich inzwischen eine kleine Nische erschrieben, in welcher sie sich vor allem um ihre abenteuerlichen Plots vor einem dem Leser absolut vertrauten Hintergrund mit überwiegend bekannten Charakteren kümmern, aber nur ihre Zielgruppe ansprechen wollen.

Die ROSINANTE ist an der Tycho Station angedockt.  Die Mannschaft reist zu unterschiedlichen Zielen. Dadurch kann der Handlungsstrang aufgesplittert, das Tempo aber hoch gehalten werden. Da es sich bis auf den auf der Station zurück gebliebenen Jim um überwiegend private Reisen handelt, können die persönlichen Hintergründe der einzelnen Figuren umfangreicher als in den letzten Büchern erläutert werden.  Die Reporterin Monica Stewart zieht dagegen Jim in eine Recherche hinein, an welcher sie gerade arbeitet.  Anscheinend verschwinden plötzlich mehr und mehr Raumschiffe, welche die intergalaktischen Tore passieren. Der Prozentsatz ist noch nicht erschreckend hoch, steigt aber kontinuierlich an. Hinzu kommt, dass ein seltenes Proto Molekül gestohlen worden ist.

Die Idee, dass Raumschiffe beim Durchgang durch ein Kontinuum quasi gekidnappt und gestohlen werden, ist in der Science Fiction nicht unbedingt neu. Hinzu kommt, dass die Autoren im Verlaufe des Romans für einige Paukenschläge sorgen wollen, die nicht unbedingt zünden. Nicht weil sie nicht gigantisch groß sind. Nicht, weil sie normalerweise den Leser schockieren sollen und die Crew der ROSINANTE zu Höchstleistungen anspornen müssten, sondern weil der vorliegende Roman vor allem unter dem kontinuierlich gleichbleibenden Erzählstils der Autoren leidet.   Rückblickend enttäuschend wie auffallend ist zum Beispiel der Konflikt unter den Menschen. In den letzten Büchern der Serie haben die beiden Schriftsteller immer größere, aber auch außerirdische Gefahren aufgebaut und gegen die Menschen gestellt. Da wirkt ein interner Konflikt zwischen ihnen wie ein Antihöhepunkt.  Mit einem gigantischen terroristischem Schlag werden gleich drei Regierungen – auf der Erde, dem Mars und der gemeinsame Rat – ausgeschaltet. Hier wirkt manches wie eine überdimensionale Kopie der populären „… has fallen“ Filme.  Die Erde wird von Asteroiden bombardiert, die fast alles Leben auf dem Planeten auslöschen. Dabei ist es an Angreifern gelungen, diese Asteroiden so zu präparieren, dass sie quasi nicht geordnet werden können. Neben der Logistik und der fast Minuten genauen Übereinstimmung beim Einschlag erscheint es unwahrscheinlich, dass wirklich niemand mindestens von der Intention der nicht unbekannten Gruppe gemerkt oder erfahren haben will.

Der Leser muss immer bedenken, dass es in dieser Zukunft ohne Probleme möglich ist, in die Tiefen des Alls vorzustoßen und selbst das Sonnensystem ein Ort ist, in dem es zu einem teilweise sehr heftigen Raumverkehr kommt.  Das niemand aus der Bahn gestoßene Asteroiden bemerkt, erscheint genauso unwahrscheinlich wie die Tatsache, dass ein derartig lange vorzubereitender Angriff nichtauch aus einem anderem Grund hätte bemerkt werden können.  Das Verschwinden der Raumschiffe sorgt ja zumindest hinter den Kulissen und bei der Reporterin für soviel Aufmerksamkeit gesorgt hat,dass den Spuren nachgegangen werden kann. Auch wenn es sich nur um weniger als drei Prozent der Schiffe handelt, die beim Durchfliegen verschwinden. Irgendjemand muss sie suchen, irgendwo im Sonnensystem muss es zumindest eine kleine Alarmglocke geben. Aber davon ist an keiner Stelle etwas geschrieben worden.   

Von der Struktur her machen die Autoren aber zusätzlich einen ärgerlichen Fehler.  Sie versuchen wichtige Fakten nicht nur vor ihren Figuren, sondern vor allem auch vor den Lesern zu verstecken.  Diese Vorgehensweise erinnert mehr an die Serials der dreißiger Jahre, in denen vor allem der schurkische Hintermann lange Zeit vor den Augen des Betrachters verborgen wird und trotzdem immer allgegenwärtig erscheint.  Viele wichtige Punkte sind auf die Fortsetzungen verschoben worden.  Dadurch wirkt die Handlung nicht nur noch mehr gedehnt als bei den letzten Romanen, sondern der Abschluss ist frustrierend offen und die ganze Geschichte, vielleicht auch nur die Extrapolation der kommenden Ereignisse können nicht vernünftig bewertet werden. Natürlich ist diese Vorgehensweise vor allem in Endlosserien nicht unbedingt zufriedenstellend, aber opportun. Es ist das erste Mal, das die Autoren im „Expanse“ Universum auf diese Art der Zerstückelung zurückgreifen. Sie werden sich bei der obligatorischen Fortsetzung an dem hier vorliegenden, nicht wirklich spannend geschriebenen Gerüst messen lassen. Vor allem, wenn der Leser bedenkt, dass immerhin die Erde „vernichtet“ worden ist; ein einzigartiges  Protomolekül ist gestohlen worden und die persönlichen Konflikte der einzelnen Besatzungsmitglieder sind nicht gelöst, sondern verstärkt worden.

In den letzten Büchern ist immer wieder mal im Handlungsverlauf und durch die Protagonisten angesprochen worden, dass die ROSINANTE wieder stärker besetzt werden muss. Durch die Verluste ist die Crew ausgedünnt und eine optimale Führung des Schiffes nicht mehr möglich. Auf der anderen Seite spielen in dieser Zukunft auch monetäre Aspekte eine wichtige Rolle. Hier präsentieren die Autoren eine gute Lösung. Sie greifen auf einige interessante Nebenfiguren aus den ersten Büchern zurück. Bobbie Draper und Clarissa Mao gehören zu diesen Figuren.  So wird das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Bei anderen Nebenfiguren wie der amtierenden U.N. Chefin Chrisjen Avasarala wirkt der kontinuierliche Ausbau ihrer Persönlichkeit zielfördernd. Wer sich genau mit den einzelnen Romanen auseinandersetzt, wird erkennen, dass positiv James Corey immer wieder neue Seiten an ihren Figuren entwerfen und sie dadurch dreidimensionaler, an den Herausforderungen auch wachsender erscheinen lassen. Durch den gezielten Angriff auf die Erde wird besonders Avasarala als U.N. Chefin ins Rampenlicht gerückt. Mit den Standardmitgliedern der ROSINANTE Crew haben die Autoren wenig Mitleid. So gerät Naomi als eine der besten Figuren dieses Buches in eine Falle, die ihr ehemaliger Geliebter „gebaut“ hat. Inzwischen ist der einer der Anführer der Terroristen im Belt.

In einem direkten Vergleich zu Robert A. Heinleins “Der Mond ist eine herbe Geliebte” oder den beiden Büchern um den stillen Krieg Paul McAuleys  agieren diese Unruhestifter allerdings zu schablonenhaft, zu wenig überraschend. Zwar gehen die Autoren im direkten Vergleich zu Heinlein – der hatte eine ähnliche Idee, effektiver umgesetzt – den notwendigen Schritt weiter, aber durch die fehlende Auflösung der Gesamthandlung bleiben zu viele Fragen offen und im direkten Vergleich zu Naomi und ihren Widersachern sind diese Oppositionellen oder Terroristen - je nach der Perspektive -  zu eindimensional charakterisiert.  Positiv ist aber weiterhin, dass alle wichtigen Figuren nicht zum ersten Mal im Verlauf dieser Serie ihre sehr unterschiedlichen Momente erhalten. Durch die wechselnde Perspektive wirkt das Universum zufriedenstellender und komplexer als bei anderen Science Fiction Serien, die vor allem ihre Helden als Kollektiv anbieten und die Individualität vernachlässigen.  Der Leser ist mit ihnen vertraut und weiß, dass sie in jedes Fettnäpfchen treten. Da zwei der Helden ihren wichtigsten Frauen aus der Vergangenheit begegnen und Naomi wie angesprochen in die Falle ihres ehemaligen Geliebten läuft, könnte diese Art der multiplen, aber nicht besonders variablen Handlungsführung auch langweilen. Aber der komplexe dreidimensionale Hintergrund dieses Universums in Kombination mit Typen, die aus der Gegenwart des Actionkinos in die Zukunft „versetzt“ worden sind, unterhält trotz einiger Längen und leider auch Wiederholungen immer noch und selbst im fünften Band ausgesprochen gut. Es ist schade, dass die Autoren das ein Buch- eine Bedrohung Konzept aufgegeben haben. Zusätzlich greifen sie zu wenig auf originäre Ideen zurück. So bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Handlung noch weiter entwickeln wird. „Nemesis Spiele“ ist ein bislang eher solider weiterer Teil der „Expanse“ Serie mit Stärken allerdings auf der charakterlichen Seite und deutlich inhaltlichen Schwächen.

 

Originaltitel: Nemesis Game - The Expanse Series Book 5
Originalverlag: Orbit
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski

Deutsche ErstausgabeHeyne Verlag

Paperback, Broschur, 608 Seiten,
ISBN: 978-3-453-31656-0