Die Welten der Skiir Band 2: Protektorat

Die Welten der Skiir, Band 2, Titelbild, Rezension
Dirk van den Boom

Für den ersten Band seiner “Die Welten der Skiir“ Trilogie ist Dirk van den Boom mit dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnet worden. Mit „Protektorat“ liegt der Mittelteil der Serie vor. Im Gegensatz zum ersten Buch, in dem Dirk van den Boom positiv sich auch um den Hintergrund seines Universums gekümmert hat, verschiebt er langsam den Fokus von den bis dahin anscheinend ohne Schwierigkeiten expandierenden Skiir und der gerade in deren Imperium aufgenommenen Erde einmal zu dem Superzerrstörer, der technologisch aus dem ersten Buch eher störend herausragte inklusiv eines Bogenschlages zu den Besonderheiten der Erde sowie dem nicht mehr unter den Teppich kehrenden Bürgerkrieg zwischen zwei der drei Säulen des Skiir Reichs, welche auch die Untertitel der einzelnen Romane bilden.

Eine der drei Säulen der Skiir Triumvirats hat anscheinend aus den Hinterlassenschaften der Hatta ein Raumschiff, den im ersten Roman angesprochenen Zerstörer, gezüchtet. Diese Technik ist allen anderen Völkern derartig überlegen, dass die Angriffe der verzweifelten „Bienensoldaten“ im ersten Buch wie Mückenstiche erschienen sind. Nachdem ein Planet und damit ein treues Volk indirekt auf eine im Grunde wenig subtile, von Dirk van den Boom ein wenig anders und origineller ursprünglich extrapolierte Art und Weise im ersten Roman ausgelöscht worden ist, hat der Zerstörer ausgerechnet die Raumstation angegriffen, auf welcher sich das eher zahnlose Parlament des Skiir Imperiums befunden hat. Auf einer zweiten Handlungsebene hat der Leser erfahren, dass vor allem dieser zweite Angriff von den Hintermännern in die Form nicht geplant worden und das Raumschiff außer Kontrolle geraten ist.   

In mehrfacher Hinsicht ist diese Entwicklung auf der einen Seite leider wenig überraschend und erinnert an klassische „Star Trek“ Folgen wie „Der Planetenzerstörer“ mit einem Drehbuch von Norman Spinrad,  auf der anderen Seite wirkt der Bogenschlag zur Erde ab diesem Augenblick bemüht. Auf der Erde hat sich anscheinend weitere Hatta Technik vor allem in Form eines Artefakts befunden, das in Händen des Widerstands ist.  Aber nicht nur das Artefakt ist auf der Erde zu finden, aus einer geheimen Station in der Arktis stammt der Samen, aus dem die Skiir Forscher den Zerstörer gezüchtet haben.

Kritisch gesprochen ist die Einführung der Hatta Technik basierend auf biologischen Ideen in der „Die Terranauten“ Tradition eher ein spannungstechnisches Hindernis. Dirk van den Boom hat mit der Vorgehensweise der Skiir – Besetzung einer Welt, zweihundert Jahre im Grunde Gehirnwäsche und schließlich Aufnahme in einen im Grunde hilflosen Völkerbund – einen Plotaufhänger erschaffen, mit dessen Hilfe er vor allem sein politisches Wissen geschickt extrapolieren kann und manche „Hilfe“ als die Farce entlarvt, die sie im Grunde darstellt. Hinzu kommen die Spannungen zwischen mindestens zwei Armen des Skiir Imperiums, die ausreichen, um einen ganzen Roman zu fühlen. Da die Menschen in Person der vier Abgesandten, die Dirk van den Boom im ersten Buch sehr ausführlich und dreidimensional vorstellt, im Grunde dem ganzen intergalaktischen Politikgeschehen noch naiv bis hilflos gegenüber stehen, hätten diese Handlungsteile ausgereicht, um die Romane mit farbenprächtigen Hintergründen und vor allem ausreichenden Intrigen zu füllen.

Die Idee der Hatta als untergegangenes, hochtechnologisches Volk ausgerechnet mit der Erde im mittelbaren erbtechnischen Fokus wirkt nicht so originell oder vor allem spannend wie es sich Dirk van den Boom vorgestellt hat. Vor allem in der ersten Hälfte des vorliegenden Mittelteils bleibt es bei vorsichtigen Weisungen, fragmentarischen Informationen und einem teilweise unmotivierten Hin- und Herspringen. Dirk van den Boom hat sichtlich Mühe, den multifunktionalen Plot wieder in Gang zu bringen, was ihm im ersten Buch so locker und leicht gelungen ist. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Informationen noch hinsichtlich des Verhältnisses Hatta/ Erde ans Tageslicht kommen, aber das er der Erde ein derartiges Erbe auferlegt, wirkt übermotiviert und leider auch bislang klischeehaft entwickelt. Auch wenn die Skiir ihre Hände im Hintergrund im Spiel haben, driftet dieses Plotelement ab. Es fehlt der ernsthafte Ton, wenn Dirk van den Boom dem Zerstörer eine Art Persönlichkeit zu schenken sucht, die auch ein wenig an John Carpenters „Dark Star“ mit der sprechenden Bombe erinnert. Die finale Auseinandersetzung wird auf den letzten Band geschoben, auch wenn die Flotte des Protektorats im Sonnensystem steht. Die Hintergrunde des gezüchteten Zerstörers mit seinen wie eine schwarze Masse im „Blob“ Format agierenden Überkriegern an Bord werden komprimiert nachgeschoben, sie wirken aber irgendwie sperrig und wie mehrfach betont angesichts des vor allem in der ersten Hälfte von „Prinzipat“ schon hervorragend entwickelten politischen Hintergrunds, der alleine ausgereicht hätte, um einen flotten Plot vor allem sachlich fundiert zu entwickeln.  

Eine weitere Schwäche ist die eher ungeordnete Struktur des Buches. Vor allem in der ersten Hälfte springt der Autor zwischen den einzelnen Handlungsebenen hin und her als ginge es darum, einen komplexen Kosmos zu zeigen. Weniger Schauplatzwechsel teilweise mit zu offensichtlichen Cliffhangeraufbau am Ende eines jeden Kapitels und eine bessere Ausarbeitung der einzelnen Episoden hätten dem Roman nicht nur gut getan, sondern die solide Basis des ersten Buches fundamental überzeugender weitergeführt.

Relativ schnell gehen dem Leser echte Identifikationsfiguren aus. Im ersten Buch hat sich der Autor Zeit genommen, die einzelnen vor allem vier menschlichen Botschafter nicht nur zu charakterisieren, sondern die Eindrücke zu beschreiben, die förmlich durch den Flug zur Raumstation auf sie einprasseln. Der Botschafter ist inzwischen durch den „Kuss“ verwandelt worden. Anstatt die angesprochene Tragik dieser Idee weiter auszuführen und vielleicht sogar negativ enden zu lassen, dreht Dirk van den Boom den Ansatz auf den Kopf und scheint sich ins Comicuniversum mit dem Heroen eines Raumschiffs zu verirren. Die Außerirdischen agieren mehr und mehr menschlich. Selbst ihre Dialoge erscheinen fast den Spionagegeschichten der Pulpära entnommen. Natürlich ist es sinnvoll, einen Bezug zwischen dem Leser und den verschiedenen politischen Fraktionen der Skiir herzustellen, aber so vertraut muss es nicht zugehen.

Am Ende werden viele der Handlungsarme im Sonnensystem brachial zusammengefasst. Immer wieder wirft Dirk van den Boom mit den drei Eckpfeilfern des Skiir Reiches als unabhängige politische Entitäten um sich, bis schließlich eher das Prinzipat den Bürgerkrieg beispielsweise mit dem Protektorat oder dem Patronat führt. Da bislang die Einblicke in die grundlegenden Strukturen der Skiir eher oberflächlich gewesen sind, wirkt diese Personifizierung von mehr oder minder unabhängigen Säulen des Reiches unglücklich und zu verallgemeinernd.

Es bleibt auch offen, in wie weit die Idee des auf der Erde gefundenen Hatta Erbes wirklich effektiv umgesetzt wird. Das eine Angebot, das die Menschen normalerweise nicht ablehnen können, zielt genau in diese Richtung und negiert den Aufbau des ersten Buches, in dem die Menschen nach zweihundert Jahren der Gehirnwäsche ja nicht frei, sondern auf Linie gebracht ins Reich der Skiir eintreten, um quasi aus dem Eis der Arktis den Schlüssel des Entkommens, der Befreiung wieder in Händen zu halten. Wenn dann der geheimnisvolle Schlüssel zum Artefakt noch in einem besonderen Ort – dramaturgisch cineastisch enthüllt – versteckt worden ist, erscheint die Klischeekiste eher überzuquellen.

Wer nach der Lektüre des ersten Bandes von einer politisch kritischen Science Fiction sprechen konnte, wird den zweiten Band eher als Mischung zwischen Space Opera und Comic auf einem unterhaltsamen, temporeichen, aber intellektuell weniger stimulierenden Niveau empfinden.  Im Gegensatz zu den mehrfach angesprochenen, sehr kompakten „Rettungskreuzer Ikarus“ Trilogien fehlt in „Protektorat“ die Selbstdisziplin, die „Prinzipat“ zu einem so erfrischenden Dirk van den Boom machten. Es bleibt zu hoffen, dass der Saarbrücker für den letzten Roman wieder die Kurve bekommt und die Geschichte nicht zu einer Farce verkommen lässt.    

  • Taschenbuch: 450 Seiten
  • Verlag: Cross Cult (27. Februar 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864258715
  • ISBN-13: 978-3864258718