Apocalypse Then

Apocalypse Then, Titelbild, Rezension
Mike Bogue

Die grundlegende Prämisse ist faszinierend. Wie  Autor Mike Bogue darstellt, ist die USA das einzige Land, das aktiv Atombomben eingesetzt hat. Und Japan das einzige Land, das unter diesen atomaren Angriffen leiden musste.  Warum nicht deren cineastische Auseinandersetzung gegenüberstellen und die meisten Produktionen der Jahre 1951 bis 1967 analysieren.  Wichtig ist, dass sowohl Mike Bogue als Autor geboren im Jahre 1955 als auch Allan A.  Debus -  für das Vorwort verantwortlich – zumindest die zweite Welle dieser Filme im Kino gesehen  und  wie Joe Dantes es in „Matinee“ so  liebevoll skizziert hat, in dieser Zeit der kontinuierlichen atomaren Bedrohung auch aufgewachsen ist. Natürlich verzerrt der Eindruck eines Jugendlichen gegenüber einem Erwachsenen.  Mike Bogue schreibt ja selbst, dass er einige der ersten Filme im Fernsehen zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder gesehen hat und vielleicht auch ein wenig beeinflusst worden ist.

In seinem Vorwort spricht  Mike Bogue davon, dass es zwar zahllose Nachschlagewerke und Magazine zu diesen geliebten B Monsterfilmen geliebten, aber seines Wissens kein entsprechendes fokussiertes Werk.  Hier liegen ohne Frage die Stärken und leider auch einige der Schwächen des  vorliegenden Buches.

Zu den Schwächen gehört, dass Mike Bogue wie viele andere gegenwärtige Autoren dieser Zeit sich weigert, einen fließenden Text zu schreiben und die jeweiligen Filme von beiden Seiten des Atlantiks vor allem nicht nur aus seiner subjektiven Perspektive als Heranwachsender in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren zu beschreiben, sondern auch kritisch durchleuchtet. Chronologisch listet er die Streifen auf. Neben den technischen  Daten inklusiv entsprechender DVD Veröffentlichungen fasst er den Inhalt kurz zusammen, fügt seine persönlichen Eindrucke  hinzu und rundet die Betrachtung mit einer  Reihe von Zitaten aus verschiedenen Magazinen,  aber vor  allem Bill Warrens in jeglicher Hinsicht meisterhaften „Keep Watching the Sky“  ab. 

Hier liegt vielleicht die größte  Enttäuschung, denn wer sich mit den Filmen dieser Ära  und vor allem dieses Subgenres auskennt, wird „Keep Watching the Sky“ in seinem Bücherschrank  haben. Natürlich ist es leichter und effektiver, bei einem speziellen Thema auf die fokussierten Werke zurückzugreifen und nicht die voluminösen Bände aus dem Regal zu ziehen, aber eine neue Veröffentlichung sollte eine kritische und ergänzende Erweiterung des Themas darstellen und nicht eine Art Faktenwüste. 

Bedenkt man zusätzlich, dass  Mike Bogue auch noch in dieser heute exotisch fremdartig erscheinenden Welt aufgewachsen ist, stellt sich die Frage, warum  der Autor nicht viel mehr und vor allem viel persönlicher etwas aus diesem Thema gemacht hat.

Immer wieder argumentiert er, welche Filme in seinen Fokus gefallen sind und welche nicht. Das Jahr 1951 ist nachvollziehbar, obwohl nach dem ersten vorgestellten Film „Ma and Pa Kettle back on the Farm“   im Grunde bis 1955 nur jeweils ein Streifen erwähnt wird. Und „Ma and Pa Kettle back on the Farm“ nutzt die Idee einer Kräfte fördernden atomaren Verseuchung auch eher pragmatisch rudimentär.  Mitte der  fünfziger Jahre begann schließlich für den Herausgeber und Autor aus dem Nichts heraus eine Welle von derartigen  Monsterstreifen.  Erst zwei Jahre nach Ende des Koreakrieges und fast zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.  Wer im Buch weiterblättert, wird in der  dürftigen japanischen ersten Sektion -  zwei Filme! – vielleicht fündig.  Japan reagiert auf die H- Bombentest der Amerikaner auch mit „The H- Man“ cineastisch.  Die USA überlegten aktiv, ob ein Atomkrieg gegen die  Russen mittels einer Erstschlagsstrategie  zu gewinnen wäre.   Aber die erste Testzündung erfolgt auch im Jahre 1952, die Japaner drehten  „The H-Man“ erst sechs Jahre später und „Godzilla“ als direkte Inkarnation des  atomaren Terrors entstieg irgendwo dazwischen 1954 dem Meer. 

Auf beiden Seiten des Pazifiks sorgten radioaktive Strahlen für ein überdimensionales Wachstum von Männern und Frauen – siehe Bert I. Gordons Shocker – oder echsenähnlichen Kreaturen. In den USA konnte ein Mann sogar schrumpfen und schließlich eine neue Existenz finden. Ein geschickter Autor hätte diese einzelnen inhaltlich nicht mal so unterschiedlichen Phänomene gegenübergestellt. Aus der  Perspektive den manchmal respektlosen Gewinners, der für die Konsumexzesse seiner Billigproduzenten nur bedingt verantwortlich gemacht werden kann. Und natürlich aus der Perspektive der Nation, in welcher immer noch zu dieser Zeit hunderte, wenn nicht tausende von Menschen an den Nachwirkungen der Atombombenabwürfe erkrankten oder gar starben. 

Mike Bogue weist immer  wieder auf den schmalen Grat zwischen Unterhaltungskino und dieser Zeit hin, aber es fehlt eine in die Tiefe gehende Reflektion dieser  Epoche vor allem auch in Hinblick auf die  aus heutiger Sicht absurd erscheinenden Übungen der Luftschutzministerien oder der Propaganda in Form von  Aufklärungsbroschüren,  Büchern und schließlich auch entsprechenden Filmen, welche Mike Bogue namentlich erwähnt, aber wieder nicht in Kombination mit seinem Thema analysiert. 

„Apocalypse Then“ ist kein Buch, das man in einem Zug lesen  kann. Beginnend mit seinem Vorwort hat  der Autor es weniger als langes Essay, sondern  positiv wie negativ als Nachschlagewerk  geplant und entsprechend technisch aufgesetzt.  Akzeptiert der Leser diese Einschränkung, dann kann er sich auf die vorgestellten Filme konzentrieren, von denen nicht alle bis auf die minutiösen Sonderpublikationen  wie „Keep Watching the Sky“ dem Interessierten bekannt sind.          

Interessant ist, dass mit dem Abschluss des ersten langen Abschnitts das Buch vor allem in den zusammenfassenden  Kapiteln am Ende zu leben beginnt. Mike Bogue befreit sich von seiner sklavischen Filmtreue und stellt Fiktion und Irrealität gegenüber, in dem er nicht nur den jeweiligen politischen Kontext aus der subjektiven Perspektive die beiden Nationen zu analysieren sucht, sondern vor allem positiv auch die Absurditäten der amerikanischen Armee selbst wieder ans Tageslicht bringt. Während die B Filmer vor allem dem Militär kritisch gegenüberstanden, sucht die größeren Produktionen die Anlehnung an die Soldaten als Schützer der Menschheit. Mutierte Riesenwesen sind immer böse gewesen und die eingesetzten, teilweise improvisierten Superwaffen abschließend spätestens im dritten Anlauf effektiv. Dass die Army absichtlich und Menschen verachtend Soldaten in die Nähe von gerade erfolgten Atombombenexplosionen geführt hat- siehe auch der letzte „Indiana Jones“ Film – steht auf einem anderen Blatt.

Erst zwei Kapitel später werden die  japanischen Monsterfilme ausführlich analysiert, wobei sich Mike  Bogue hier auch ggfs. an einer implizierten atomaren Mutation orientiert, um einen Streifen aufnehmen zu können. Neben der ausführlichen, aber weniger kritischen und mehr ambivalenten Vorstellung der verschiedenen Monsterfilme ist auch hier das umfassende Fazit mit einer Inklusion des Kapitels amerikanischer Tiermonster sehr interessant. Das Land, das unter den Atombombenabwürfen gelitten  hat, sieht diese fiktiven Ergebnisse der Strahlung nicht grundsätzlich per se als  Monster an und nicht selten werden aus ihnen wie bei Godzillla Beschützer des von anderer Seite bedrohten Japans.  Vor allem für  Filme der fünfziger Jahre eine erstaunliche, selten getroffene Erkenntnis, welche der Autor  souverän und sehr gut begründet schließlich noch um die grausamen Folgen der Verstrahlungen in Japan erweitert.  Amerikas Post Doomsday Streifen sind in einer weiteren guten Analyse Leichen frei. Das hört sich provokant an, aber wer die hier vorgestellten  „On the Beach“ oder „The World,  the Flesh and the Devil“ miteinander vergleicht, wird leere Straßen und verödete Städte, aber keine verbrannten Leichen als Folgen der atomaren Angriffe vorfinden.

In den japanischen Produktionen wie „The Last War“ – basiert  allerdings auf einem Youtube Video und nicht einer vollständigen Analyse des Streifens – oder „The Final War“  dagegen herrscht nicht nur die Angst vor diesem dritten und finalen Weltkrieg vor, die Menschen sterben auch in den Filmen auf  eine unangenehm realistische Art und Weise. 

Bei Streifen wie „Fail Safe“ lebt Mike Bogue förmlich auf und sucht  eine eigene Interpretation des Geschehens, welche der Leser zu Beginn in den populäreren Drive In Klassikern ein wenig vermisst hat. Hier gelingt es ihm auch auf der japanischen Seite, einen nihilistischen Gegenentwurf zu skizzieren, wobei der Autor mit seinen rhetorischen Fragen immer wieder auf Drehbuchschwächen in vielen Streifen hinweist,  ohne  Verbesserungsvorschläge zu machen. Das dabei die ein wenig zu einfache Denkweise von Regisseuren, Produzenten und schließlich auch den Drehbuchautoren konsequent entlarvt wird,  gibt dem vordergründig dunklen, aber doch unterhaltsamen Thema eine besondere Note.

Ab der Mitte des Buches findet Mike Bogue relativ spät, aber nicht zu spät die Balance zwischen einem sekundärliterarisch lesenswerten Essay über ein globales Thema und der Idee, ein Bill Warrens „Keep Watching the Sky“  eher begleitendes inhaltlich deutlich fokussiertes Buch zu schaffen. 

Wer keine Zeit hat, das ganze Buch zu lesen – dann ist es im Grunde auch sinnfrei, es  komplett zu kaufen -, der wird in den wirklich herausragenden vor und zurückgreifenden Zwischenkapiteln kompakt ohne Wiederholungen informiert.  Die Vorstellung der einzelnen Filme mit zahlreichen Zitaten diverser Quellen ist vollständig.  Auch bei den japanischen Produktionen erwähnt Mike Bogue in  einer Art Zusammenfassung einzelne Streifen, die in der Theorie erwähnt werden sollten, praktisch aber ausgegrenzt worden sind.  Dadurch gibt er einem die Möglichkeit, zumindest bei fortlaufenden Monsterserien ein besseres Gefühl für das Ganze zu erhalten.

Hinzu kommen einzelnen persönlichen Eindrücke aus dieser Zeit, wobei der Autor die ironisch gesprochen kritische Haltung eines präpubertierenden  Jungen von der Ansicht eines im inneren jung geblieben Erwachsenen abgrenzen kann.  

Aus heutiger Sicht ist dieses zeitlose Thema weiterhin interessant und Mike Bogue beschreibt ja auch eine Handvoll von grausamen bis erschütternden Filmen, die in der Zeit des Kalten Kriegs Anfang der Achtziger Jahre für Furore sorgten.  Er stellt selbst die Frage, ob es nicht wieder an der Zeit ist, angesichts der Drohungen aus Nordkorea und einigen historischen Zwischenfällen wie Falschalarmen und Fehlfunktionen der Raketensysteme sich dem Thema cineastisch zu nähern. Bis dahin bleibt dieser nicht gänzlich auf der emotional persönlichen Ebene überzeugende Blick in die fünfziger und sechziger Jahren mit einigen herausragenden Zwischenkapiteln voller Informationen und intelligenter Vergleiche, reichhaltig für ein Buch aus dem McFarland Verlag bebildert eine gute Einstiegslektüre sowie eine Wiederbegegnung mit zahllosen Filmen, die vor allem in den dritten Programmen öfter wiederholt worden sind. Einige unbekanntere Streifen gilt es noch zu entdecken und das macht den besonderen Reiz nicht nur dieses Buches, sondern auch Bill Warrens „Keep Watching the Sky“ aus. Wer sich nur ein Buch leisten kann, sollte auf den Bill Warren doppelbändigen Ziegelstein zurückgreifen, wer sich mit den phantastischen Filmen im Allgemeinen hinsichtlich dieses Themas auseinandersetzen möchte, kann auch zu Kim Newmans umfassenderen, aber auch allgemeingültigeren „Apocalypse Movies“ greifen, wer sich aber mit der ängstlichen Faszination  des atomaren Holocaust allerdings nur in Filmform  auseinandersetzen will, der hat keine andere Möglichkeit, als auf dieses in dieser Hinsicht sehr umfassendes, ein wenig unkritisches, aber lesenswertes Buch zurückzugreifen.

  • Paperback: 316 pages
  • Publisher: McFarland (August 31, 2017)
  • Language: English
  • ISBN-10: 1476668418
  • ISBN-13: 978-1476668413
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