Sklavin und Königin

Alexander Roeder u.a.

Nach Alexander Roeders “Tetralogie” erscheint mit “Sklavin und Königin” als Band 5 der Reihe von „Karl Mays Magischer Orient“ ein Episodenroman. Es ist keine Fuge, sondern ein durchlaufender Roman, dessen Handlung unmittelbar an Alexander Roeders umfangreiches Werk ansetzt. Vier Autoren haben jeweils einen Abschnitt der langen Reise beschrieben. Dazu kommt der werbetechnisch ein wenig zu breit ausgewalzte Epilog von Tanja Kinkel, sowie der Prolog „Eine Befreiung“ von Thomas Le Blanc, dem Herausgeber der Reihe.

Erschöpft von den Kämpfen gegen den Schut und Al- Kadir trifft Kara Ben Nemsi zusammen mit seinem treuen Freund Hadschi Halef Omar auf eine Gruppe von Sklavinnen. Eine Frau gibt sich ihm gegenüber als Europäerin zu erkennen. Mit einem Handstreich befreit Kara Ben Nemsi die Niederländerin Marijke van Beverningh aus den Händen ihres Besitzers. Er bringt sie an Bord der Yacht des Briten Sir David Lindsay, der sie außer Landes bringen soll. Der Prolog ist kurzweilig geschrieben, auch wenn sich das „Verladen“ von Frauen an Bord von Schiffen im ersten Teilroman „An der Piratenküste“ wiederholen wird. Am Ende bittet die Holländerin Kara Ben Nemsi um Hilfe. Sie weiß, wo sich der für ihre Entführung und ihren Verkauf verantwortliche Sklavenhändler aufhält… „An der Piratenküste“. Alexander Roeder nimmt das Staffelholz nahtlos auf. Er beschreibt die beschwerliche, im Vergleich aber zu den folgenden Herausforderungen fast leichte Anreise durch die Wüste an die Piratenküste. Neben Sir David Lindsey mit zwei schottischen Soldaten begleitet Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar auch die immer verschlossener werdende Holländerin, die eigenhändig Rache nehmen möchte. Auch der Magier Haschim begleitet die kleine Gruppe.

Alexander Roeder nimmt sich teilweise zu viel Zeit, um die Protagonisten ans Ziel zu bringen. Wie seine Mitstreiter – hier sei vor allem auch Friedhelm Schneidewind mit seinen Exkursen genannt - versucht er die Handlung mit Hintergrundinformationen zu bereichern, überschreitet aber manchmal den schmalen Grat zu Belehrung und verliert sich an anderen Stellen in zu vielen kleinen Details, als das er die Handlung vorantreibt. Der Autor bemüht sich allerdings, vor allem neuen Lesern den magischen Hintergrund dieser Abenteuer als Vorbereitung auf die kommenden, deutlich phantastischeren Erlebnisse zu vermitteln. Hinzu kommt eine solide Zeichnung der verbitterten, aber entschlossenen Holländerin.

Auch die historischen Informationen sind gut recherchiert. Passend findet Kara Ben Nemsi ebenfalls durch einen alten Freund – wieder ein guter Querverweis auf das Originalwerk - Hilfe beim möglichen Abtransport der zu befreienden Frau. In der zweiten Hälfte seines Teilromans zieht Alexander Roeder das Tempo ordentlich an. Die Befreiung erfolgt spektakulär, ein wenig Magie spielt eine Rolle und die Bösen werden effektiv bestraft. Vielleicht verläuft die ganze Aktion teilweise gegen die improvisierte Planung zu glatt und wirkt ein wenig gedrängt, aber es ist ein versöhnlicher, durchaus Actionreicher Abschluss des ersten Teilromans.

Kara Ben Nemsi und Team entschließen sich, durch die Gluthölle der Wüste zu fliehen. Ein klassisches Thema, wie Karl May im ersten Teil seines Sechtsteilers um den Schut „Durch die Wüste“ bewiesen hat. Karl- Ulrich Burgdorf nimmt sich dieser schriftstellerischen Herausforderung mit „Die Wüste des Todes“ an. Neben den unwirtlichen Bedingungen mit Temperaturschwankungen von fast sechzig Grad zwischen Tag und Nacht haben die überlebenden Sklavenhändler Kara Ben Nemsis einzigen noch verbliebenen Fluchtweg entdeckt und verfolgen ihn.

Während bei Alexander Roeder die Action erst in der zweiten Hälfte seines Teilromans zuschlägt, konzentriert Karl- Ulrich Burgdorf die meisten klassischen Abenteuerelemente in der ersten Hälfte seines Handlungsbogens. Die Atmosphäre wird überzeugen und vor allem im Gegensatz zu einigen ein wenig distanzierter schreibenden Kollegen sehr viel intimer und damit fast für den Leser spürbar beschrieben. Das einzige magische Element ist der „Stock“ des Führers, der angeblich zu den verschiedenen in der Wüste verteilten Quellen führen soll.

Diese Actionhandlung erreicht ihnen Höhepunkt mit dem Tod eines der beiden schottischen Soldaten sowie der kurzen, aber intensiven Auseinandersetzung mit den Sklavenhändlern, die ein wenig naiv in die eher schlichte Falle laufen.

Karl- Ulrich Burgdorf ist sich nicht zu schade, auch auf der Seite der Helden Opfer zu beklagen. So wird selbst Kara Ben Nemsi schwer verletzt und droht an einer Blutvergiftung zu sterben. Eine Idee, die immer schwierig selbst in den magischen Abenteuer umzusetzen ist. Sterben kann der Überheld Kara Ben Nemsi nicht, in einen Zombie verwandeln könnte die sich noch etablierende Glaubwürdigkeit dieses Fantasy Ablegers unterminieren oder einen Arm opfern, das traut sich kein Autor. So reicht dieser Abschnitt für einige Alptraumsequenzen und eine Rettung im letzten Moment unter ambivalent beschriebenen persönlichen Opfern durch den Magier Haschim. Vielleicht wäre es besser gewesen, eine der Nebenfiguren wie die Holländerin Marijke van Beverningh schwer zu verletzen, zumal Karl- Ulrich Burgdorf ja bewiesen hat, dass er Nebenfiguren aus der kleinen Heldentruppe zu opfern bereit ist.

Mit der Stabübergabe an Haschim durch den unglücklichen Führer durch die Wüste und einer überzeugenden wie nihilistischen Erläuterung übernehmen die phantastischen Elemente die Handlungsführung. Und auf dieser Ebene zündet Karl- Ulrich Burgdorf ein wahres Ideenfeuerwerk. Nicht jeder Aspekt ist wirklich originell oder neuartig, aber der Leser wird ein wenig an die phantastischen Sinbad Abenteuer der „Harryhausen“ Filme erinnert. Aber die Monstren, welche der Autor erschafft, sind bemerkenswert dreidimensional und mystisch im richtigen Maße überdimensioniert.

Vor allem aber überzeugt die zweite Hälfte der Geschichte durch die Entdeckungen, welche die Abenteuer durch den Stab aus bislang unbekannten Motiven motiviert unter der Wüste machen. Karl- Ulrich Burgdorf kann sich einen kleinen Hinweis auf Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ nicht verkneifen, welche Kara Ben Nemsi neben den zahllosen Reiseführern seiner Kollegen auch gelesen hat.

Vor allem wirken die Charaktere unter seiner Federführung lebendiger, lockerer und im Rahmen der Karl May Vorgaben auch realistischer. Alexander Roeder hat eine spürbare Distanz durch seinen teilweise zu emotionslosen, zu sachlichen Schreibstil aufgebaut, die Karl Ulrich Burgdorf mit fortlaufender Entwicklung mehr und mehr abbaut. Selbst der kleine Halef hat seinen Moment des Ruhms, als er sich als neuer „rechter“ Arm Kara Ben Nemsis im wahrsten Sinne des Wortes anbiedert.

So entwickelt sich eine exotische, relativ spannende und vor allem dynamische Handlung, in welcher Karl- Ulrich Burgdorf die Vorlage respektierend eine gute Balance zwischen den Wundern des Orients, einer mystischen Geschichte und einer konsequenten Einbettung in den Hauptplot gefunden hat.

Schneidewind nimmt in „Die Gelehrten von Hadramaut“ den Faden wieder auf. Am Ende der Reise steht eine Art Gelehrtenhochburg, in welcher nicht nur das auch alchemistische Wissen aus vielen Zeiten und von allen Kontinenten aufbewahrt wird, hier zeigt sich auch der ein wenig metaphorisch überzogene „Plan“ des Stabes, dessen Interesse nicht nur an der Rückkehr, sondern der Beschwörung „neuer“ Zeiten liegt.

Schneidewind setzt mehr auf Mystik statt auf Action. Nach den ersten beiden Abschnitten ein richtiger Weg. Weit in die Teilbereiche der Alchemie gehen seine Exkurse. Das große Problem des Stabs und damit der meisten magischen Werkzeuge liegt in der Tatsache, dass er seine Besitzer förmlich aussagt. Zeugen gibt es genug. Um dessen Energie zu kanalisieren, müssen Kara Ben Nemsi und vor allem der bis dahin allgegenwärtige sowie manche Klippe sehr effektiv umschiffende Magier Haschim nicht nur die Vergangenheit des Stabs, sondern dessen Fähigkeiten kennenlernen. Der Autor kann lang und breit vor dem faszinierend exotischen Hintergrund mit der gigantischen, einzigartigen und fesselnden Bibliothek, den seltsamen isoliert von der Welt lebenden Helfern und schließlich während des rasanten Finales eine Fantasy Welt aufbauen, die eher an die Abenteuergeschichten eines Haggards oder eines Abraham Merritts erinnert. Die phantastische Schöpfung, erreichbar per Schiff quasi unter der Erde ist wiederum ein Vorläufer der längst vergessenen Städte, die vor allem Burroughs in seinem umfangreichen Werk erschaffen sollte. Damit soll auf keinen Fall von Vorlagen gesprochen werden. Aber die positiven Inspirationen sind erkennbar.

Schneidewind hat die dankbare Aufgabe, aus der verbissenen Rächerin mit Sendungsbewusstsein Marijke van Bevernigh wieder eine intelligente Frau zu machen, die gleichwertig bei den Forscherin auf Augenhöhe ihrer Kameraden agiert. Kara Ben Nemsi ist wieder präsenter als in Karl Ulrich Burgdorfs Teil, in welchem er auch nicht verkehrt teilweise aufgrund seiner Verletzung außer Gefecht gesetzt worden ist. Nur Hadschi Halef Omar hat bis auf einige Kommentare gar nichts zu tun. Im Grunde könnte die Geschichte auch mit Schneidewinds Abschnitt enden. Die Rückversetzung der Helden an einen noch legendäreren Ort und die Begegnung mit „Die Königin von Saba“ aus der Feder Jacqueline Montemurris wirkt unabhängig von der offensichtlichen Qualität des Abschnitts wie eine Art Überladung. Als wenn die Standardseitenanzahl – 480 Seiten –eingehalten werden muss. Ein Manko, unter dem auch Alexander Roeders Tetralogie teilweise gelitten hat.

Aber die Autorin stören diese Einschränkungen nicht. Sie nimmt den Kapitalauftakt im Grunde als positive Einladung, eine phantastische, nur teilweise mit den bisherigen Ereignissen in einem Zusammenhang stehende Geschichte von märchenhaften Dimensionen zu erzählen. Dabei verweist sie noch deutlicher auf eines Abenteuerautoren aus England, dessen berühmtestes Werk Kara Ben Nemsi erst in der Zukunft lesen wird. Den Epilog einbeziehend muss Kara Ben Nemsi also diese Erzählung noch einmal gründlich überarbeitet haben, denn sonst hätte er bei diesem Exkurs in Jacqueline Montemurris Teilroman hellseherische Fähigkeiten haben. Zumindest relativiert die Autorin diese Ähnlichkeit während der rasanten Ereignisse in „Saba“, der reichen Stadt irgendwo abseits des bekannten Zeitstroms.

Auch wenn die Grundhandlung über weite Strecken vertraut erscheint, gelingt es der Autorin, eine relative Spannung aufzubauen. Die bekannte Grundidee  - die Königin von Saba möchte wieder „Mensch“ sein und mit ihrem zurückgekehrten Geliebten  altern – wird mehr und mehr zu einer durchaus politischen Grundsatzdiskussion um politische Verantwortung.

Wie bei den letzten Teilromanen wird der Fokus der Handlung auch mehr und mehr von Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar auf die Nebenfiguren abgelenkt. So ist nicht der Sachse der durch die Zeit gefallene Geliebte der Königin von Saba. Er beobachtet nur das Geschehen. So wird Marijke van Bevernigh vor eine sehr schwierige Entscheidung gestellt, die rückblickend von Tanja Kinkels Epilog relativiert wird. Hier scheinen die sozialen Veränderungen zu schnell vonstatten zu gehen und für eine Monarchie  zu widerstandslos.  Aber in diesen Abschnitten agiert die Autorin auch gegen die Klischees des Fantasygenres und versucht neue Wege zu gehen.

Wie bei Friedhelm Schneidewind und Alexander Roeder, aber weniger dem ein gleichbleibendes Tempo vorgebenden Karl- Ulrich Burgdorf baut die Autorin zuerst eine sehr exotische, mystisch märchenhafte Atmosphäre auf, die erst spät durch die Flucht mit Action von fast überzogener symbolischer Ausdruckskraft unterlegt wird.

Der Teilabschnitt leidet ein wenig unter der ein wenig zu starren, zu fast klischeehaften Charakterisierung der Königin von Saba, wobei es auch schwer ist, aus dem engen Korsett auszubrechen.

Es ist ein solider Abschluss eines über weite Strecken interessanten und lesenswerten Abenteuerromans, der neben einer sehr starken Frau auch  magische Momente allerdings  effektiver, vielleicht verspielter als Alexander Roeder über die exotischen Hintergründe und weniger die Aktionen der Antagonisten mit Karl Mays ewigen Helden verbindet. Stilistisch harmonieren die insgesamt sechs Autoren überzeugend bis sehr gut miteinander. Hinzu kommt, dass nicht selten kleine Episoden wie eine Fackel von einem Teilroman zum Nächsten weitergereicht werden und dadurch ein chronologisches Bild ergeben. Vor allem erweist sich die „Karl Mays magischer Orient“ Reihe positiv gesprochen als experimentelle Spielebene, die den Vorlagen Ehre erweisend gerne mal etwas Neues, etwas Anderes ausprobiert.

Autor: Alexander Röder / Thomas Le Blanc / Tanja Kinkel / Karl-Ulrich Burgdorf / Friedhelm Schneidewind / Jacqueline Montemurri

Herausgeber: Thomas Le Blanc / Bernhard Schmid

Die einzelnen Teile des Episodenbandes:
- Alexander Röder "An der Piratenküste"
- Karl-Ulrich Burgdorf "Die Wüste des Todes"
- Friedhelm Schneidewind "Die Gelehrten von Hadramaut"
- Jacqueline Montemurri "Die Königin von Saba"
- und ein Prolog "Eine Befreiung" von Thomas Le Blanc, Leiter der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar
- und ein Epilog "Ein gesiegelter Brief" von Bestseller-Autorin Tanja Kinkel

Seiten: 480

Umschlag: Klappenbroschur (mit Lackfolien-Veredelung)

Titelbild: Elif Siebenpfeiffer

Erscheinungsjahr: 2018

Verlag: Karl-May-Verlag GmbH

Bestell-Nr: 02505

ISBN: 978-3-7802-2505-4

Kategorie: