Die Erfindung der Zukunft in der Literatur

Hans Esselborn

Hans Esselborn ist Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Köln. Im Rahmen seiner Forschungen hat er sich ein ambitioniertes Ziel mit der vorliegenden Arbeit gesetzt: In seinem Vorwort spricht er davon, eine Geschichte der deutschen Science Fiction mit einer Konzentration, vielleicht sogar zu engen Fokussierung auf den Begriff der Literatur zu schreiben. Dabei möchte er die eher polemischen Angriffe der deutschen Sprachwissenschaftler auf das minderwertige „Genre“ relativieren und an Hand exemplarischer Beispiele die Bedeutung vor allem einzelner Autoren, aber weniger das ganzen Genres herausarbeiten.

Gleich darauf spricht er allerdings davon, dass diese Geschichte bislang noch nicht geschrieben werden konnte, weil es an mangelnden Grunddefinitionen lag, die eine Unterscheidung zwischen reinen Unterhaltungstexten und literarisch interessanten Texten ermöglichte. Das zweite Argument mit einer Abhängigkeit der deutschen Science Fiction vom großen Angloamerikanischen Bruder und dessen weitreichenden Schatten ist dagegen ein klassisches Totschlagargument.

Hans Esselborn möchte sich weiterhin nur auf die Literatur konzentrieren und alle anderen medialen Beeinflussungen ignorieren.

Damit versucht der Autor im Grunde die Quadratur des Kreises, wie er später bei seinen Argumenten teilweise selbst feststellen muss. Eine Unterscheidung zwischen reinen Unterhaltungstexten und literarisch interessanten Texten ist eine Provokation an sich. Betrachtet der Leser abschließend die verschiedenen Beispiele vor allem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit Arno Schmidt, Ernst Jünger, einzelnen Arbeiten von Andreas Brandhorst, Wolfgang Jeschke, Carl Amery oder Uwe Post, dann stellt sich dem aktiven Leser des Genres unwillkürlich die Frage, ob sich Hans Esselborn im Verlaufe seiner Thesen nicht verlaufen hat. Andere Forscher wie Heinz J. Galle um einen pragmatischen, das Genre liebenden „Literaturforscher“ oder Rainer Eisfeld  finden so gut wie gar nicht statt.

 Diese idealisierte Einschränkung abseits der Grenzen des Genres bedingt auch eine teilweise absurde Argumentation im Bereich der Einleitung. Diese nimmt zu allererst eine Abgrenzung vor, welche den Begriff der Science Fiction sowohl von den einzelnen Subgenres wie wahrscheinlich Science Fantasy bis zur Space Opera isoliert, als auch die Wechselwirkung zwischen Realität und Literatur relativiert. Es stellt sich dem Leser die Frage, ab welchem Moment Hans Esselborn tatsächlich von einer Science Fiction Literatur ausgeht. Insbesondere der technologische Fortschritt ist im idealsten Fall eine gegenseitige Befruchtung von utopisch technischer Literatur und natürlich mit entsprechenden naturwissenschaftlichen Einschränkungen der Neugierde des Menschen, weiter zu kommen. Nicht selten haben bedeutende Forscher und Wissenschaftler, Ingenieure oder auch „nur“ Computerspezialisten von den Ideen der Literatur bei ihrer alltäglichen Arbeit profitiert, in dem sie das geschriebene Wort real machen wollten. Auf der anderen Seite haben gute Science Fiction Autoren die Fackel aufgenommen und sie optimistische oder mahnende Richtung weiter getragen.

 Auch die Utopie und einhergehend die Antiutopie sind untrennbar mit der Science Fiction verbunden und sie wie in der Einleitung geschehen auszusondern und als das Genre begleitende Richtung darzustellen erscheint zweifelhaft.

 Daher wirkt die Idee der Geschichte der deutschen Science Fiction Literatur in einem Zeitalter der an die Grenzen stoßenden Globalisierung vielleicht auf den ersten Blick interessant, aber Hans Esselborn stößt schon bei der Definition des Begriffes der deutschen Science Fiction inklusiv der Vorbilder an ihre Grenzen. Andere Autoren haben sich bemüht, die Wechselwirkung zwischen H.G. Wells und dem utopisch technischen Roman der Vorkriegszeit wieder zu relativieren und auf Ideen aus den früheren Jahrhunderten zurückzugreifen, um gemeinsame, nicht unbedingt dem strengen Begriff der Science Fiction unterliegende Wurzeln zu finden.

 Hans Esselborn spricht davon, dass beim Unterhaltungsteil des Genres vor allem die Herausgebe und der Vertrieb von Taschenbüchern und Magazinen im Vordergrund stehen, während sich die literarisch anspruchsvollen Reihen auf die Autoren konzentrieren. Auch hier schlägt Hans Esselborn sich entlang der nicht immer stimmigen Literaturkritik hangelnd einen schwierig nachvollziehbaren theoretischen Bogen. Der Erfolg des Einen bedingt die Möglichkeit des Anderen zu publizieren. Viele auch anspruchsvolle Wurzeln des Genres stammen von der Massenverbreitung der Literatur und es gibt vor allem in den vierziger bis siebziger Jahren keinen einzigen das Genre weiterentwickelnden Autoren, der ausschließlich literarisch anspruchsvoll publizieren konnte. Selbst als Campbells Einfluss zu schwinden begonnen hat, erschienen in seinem „Analog“ Magazin Kurzgeschichten, Novellen und Romane, deren Einfluss alleine heute noch zu spüren ist.

 Der Gegenentwurf ist das experimentelle „New World“, das ohne Moorcocks ständige Zuschüsse überhaupt nicht so viele Ausgaben und demnach auch so viele neue Autoren präsentieren konnte. Wie alle literarischen Spielarten muss die Balance zwischen Kommerz und Kunst/ Kultur stimmen, damit die Arbeiten auch überhaupt ein Publikum erreichen und nicht im luftleeren intellektuell stagnierenden Raum der Literaturforschung vergessen werden.

 Hans Esselborn bemüht sich ein wenig sprunghaft, aber mit vielen Zitaten um eine Definition der Science Fiction im Allgemeinen, die später in seiner Fokussierung auf die deutsche Literaturgeschichte im Mittelpunkt stehen soll. Nicht immer ganz der Leser in diesem an Zitaten opportunistisch reichen Dschungel den Gedankengängen des Autoren wirklich folgen, da er viel zu „tief“ negativ in die Materie eindringt, um einen Ausgangspunkt zu suchen, der sich über die Jahre und Jahrzehnte eher „natürlich“ aus den Interessen der Autoren und des Publikums vor allem auch vor den Hintergründen wechselnder sozialer Zustände gebildet hat. Eckpfeiler sind wenig überraschend Jules Verne als auch H.G. Wells.

 Die Vorgeschichte und die Merkmale der Science Fiction deuten an, dass Hans Esselborn mit seiner Studie eher ein Publikum ins Auge fasste, dass mit den Ideen der Science Fiction und vielleicht auch deren idealisierten Erzählungen weniger anfangen konnte. Wer sich schon intensiver mit dem Genre befasst hat, wird von der mangelnden Tiefe der Zusammenfassungen negativ überrascht sein. Da Hans Esselborn zu Beginn noch global argumentiert, gibt es ausführlichere und vor allem bessere Texte, die sich beispielhafter und dadurch weniger distanziert mit der notwendigen Grundlagenforschung auseinandersetzen.

 Auf seine Eingangsthese, eine Geschichte der deutschen oder vielleicht auch deutschsprachigen Science Fiction als Literaturgattung zu schreiben kommt Hans Esselborn nach gut einem Drittel des ganzen Textes zurück und fängt obligatorisch mit dem Vater der deutschen utopischen Literatur Kurd Lasswitz wenig überraschend an. Dabei konzentriert er sich vor allem „Auf zwei Planeten“, während die modernen Märchen abschließend in den Hintergrund treten. Sogeht es auch anderen Autoren wie Carl Grunert, die ja neben einer Reihe technischer Erfindungen in ihren Büchern auch moderne romantische Märchen erzählt haben.

 Im Verlaufe der dieses Abschnitts der Studie stellt sich heraus, dass Hans Esselborn weniger an den Autoren per se, sondern einzelnen Aspekten ihrer Literatur im Allgemeinen interessiert ist. So wird auf der einen Seite zwar ausführlich Paul Scheerbarts astraler Roman Lesabendio vorgestellt, bei Bernhard Kellermann aber gelobt, das die intensive Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus in Form der Finanzierung des „Tunnels“ in Kombination mit den Wurzeln des technisch utopischen Romans das Buch aus der Masse der Abenteuerliteratur heraushebt. Auch während der Weltkrieg erfolgt die Beurteilung der einzelnen, aber wenigen vorgestellten Autoren ambivalent. Es wird eine Lanze für Hans Dominik gebrochen, während Paul Alfred Müller erst im Kapitel „Der Zukunftsroman in der Nachkriegszeit der BRD“ Einzug hält. Hans Dominik ist ein dankbares Studienobjekt, da er verschiedene Aspekte vom technischen Fortschritt über einige möglich rassistische Entgleisungen bis zur Frage anbietet, ob er ein Faschist gewesen ist. Hans Esselborn sucht sich zwei Romane Hans Dominiks aus unterschiedlichen Epochen raus. Interessant ist, dass insbesondere beim zweit genannten Roman die populäre Massenunterhaltung in Form der Serien „Jan Mayen“ und „Sun Koh“ auch einen Einfluss aus Hans Dominiks Geschichten gehabt haben könnte. Aber diese Serie ignoriert der Autor lieber. Am Ende schlägt er berechtigt und konsequent seiner Eingangsthese folgend den Bogen zu Alfred Döblins „Berge Meere und Giganten“, den er nicht nur Hans Dominiks technischen Romanen, sondern auch Kurd Laßwitzs soziologischen Extrapolation in „Auf zwei Planeten“ gegenüberstellt.

 Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Hans Esselborn zum Beispiel im Kapitel „Der Zukunftsroman in der Nachkriegszeit der BRD“  auf Arno Schmidt oder Ernst Jünger zurückgreift, andere deutschsprachige Autoren wie Wörners „Wir fanden Menschen“ aber ignoriert und K.H. Scheers „Die Großen in der Tiefe“ im Grunde in einem kurzen Absatz abqualifiziert, weil der Autor ein populärer Massenschriftsteller gewesen ist, aber kein Literat in dem Sinne, den Hans Esselborn impliziert als Qualifikationsgrad seiner Studie ansieht.

 Durch diese ein wenig exzentrischen Fokus hebt der Autor allerdings auch geschickt die größten Schwächen seiner Studie auf. Er legt den Fokus auf Schriftsteller, die das Genre mit einzelnen, durchaus interessanten wie wichtigen Arbeiten gestreift, aber niemals richtig geformt haben. Döblin, Jünger oder Schmidt haben eigene Idee basierend auf die Eckpfosten des Genres eingeschlagen und stehen mit ihren mahnenden, aufrüttelnden Arbeiten ohne Frage gleichberechtigt mit deutlich populäreren, aber nicht unbedingt besseren Werken des Genres da. Die Vergleiche geben der Studie die notwendige Tiefe, weil Hans Esselborn absichtlich die Breite ignoriert. Sie sind einer der Gründe, warum dieser Streifzug durch die deutsche Science Fiction LITERATUR vor allem als ergänzende Lektüre zu den bekannten und seit vielen Jahren vorhandenen Artikeln und Büchern angesehen werden kann. Wenn er bei der Betrachtung einzelner Bücher von einer technischen Sicht spricht, einem „Zukunftsroman mit Science Fiction Ambiente“, dann fragt sich der Leser allerdings, in welche Richtung der Autor eigentlich zielen wollte. Geht es ihm vor allem um Autoren, welche einen utopisch phantastisch technischen Hintergrund für ihre politische wie soziale Kritik gewählt haben? Warum sind dann Utopien bzw. Antiutopien bei der Betrachtung von Beginn an ausgesondert worden? Es ist nicht die einzige, nicht auf Zitaten basierende Argumentationskette des Autoren, die Zweifel im Leser hinterlässt.     

 Im nächsten Kapitel setzt sich Hans Esselborn mit der Nachkriegsliteratur in der ehemaligen DDR auseinander.  Hier gelingt ihm eine wunderbare Feststellung. Die Abschottung gegen westlichen Einfluss schützte das DDR- Genre zuerst gegen heroische Space Opera wie pessimistische Dystopien. Weltraumabenteuer findet der Autor in seinen Beispielen zur Genüge. Sollte sich die Definition der Space Opera auf militärische Auseinandersetzungen beziehen, tut er dem Golden Age der Science Fiction, auf das er in Person unter anderem von Isaac Asmiov in späteren Kapiteln zurückkehrt, keinen Gefallen. Und das es keine pessimistischen Dystopien in der DDR gegeben hat, hat natürlich nichts mit der Abschottung zu tun, sondern dem Grundgedanken des Kommunismus mit seiner nur in der Theorie und in den Fünfjahresplänen offensiv orientierten Politik. Dabei unterscheidet der Autor zwischen dem utopischen Produktionsroman und dem Raumfahrtroman vor allem in der Person des Schriftstellers del`Antonio, während er die systemkritischen und deswegen auch zensurtechnisch unterdrückten Brauns abschließend als Querdenker nennt und an Hand des Werkes der Steinmüller den Übergang der sozialistischen Science Fiction in den Bereich des publizitätstechnischen Nirvannas in Form von Kleinverlagen nachzeichnet.

 Im abschließenden Kapitel “Die Science Fiction von den sechziger Jahren bis ins 21. Jahrhundert“ wird sich kein ehemaliger DDR Autor mehr finden, obwohl einige tatsächlich nach der Wende nicht nur noch geschrieben, sondern auch publiziert haben,

 Bevor Hans Esselborn seinen Streifzug durch die deutsche Science Fiction von den sechziger Jahren bis ins 21. Jahrhundert beginnt, fasst er einige wichtige Aspekte der amerikanischen Literatur zusammen. Dabei nimmt Isaac Asimov einen breiten Raum ein, wobei Hans Esselborn nicht erwähnt, das die Idee einer Zukunftschronik schon von Heinlein beginnend 1939 mit der "Future History" angegangen und von Asimov aufgegriffen worden ist. Das Essay über Asimov ist exemplarisch für die Stärken und Schwächen dieser Sammlung. Wie die späteren Beiträge übert Hebert W. Franke und die intensive ausführliche Auseinandersetzung mit Daths Werk wirkt der Artikel über Asimov seperat geschrieben und anschließend in diese Geschichte der Science Fiction Literatur eingebaut. Die größte Schwäche ist die fehlende Kritik am Asimovs Spätwerk, das bemüht und nicht immer wirklich überzeugend innovativ auf Krampf alle Geschichten miteinander zu verbinden sucht. William Gibson wird als Vertreter des Cyberpunks und damit auch der Verbindung zwischen Mensch und Internet erwähnt. Belustigend ist die Eingangsbemerkung, in dem Hans Esselborn davon spricht, das sich Autoren wie Gibson oder Kiom Stanley Robinson dem Taschenbuch zugewandt haben. Als diese Schriftsteller zu publizieren begannen, dominierten die Taschenbücher bzw. in einigen seltenen Fällen die Hardcover den Markt, der klassische Vorabdruck von Romanen in den einschlägigen Science Fiction Magazinen fand nicht mehr statt. Der Autor impliziert ungerechtfertigt, dass es sich um eine Art aktiven Prozess gehandelt hat.  

 Die Perry Rhodan Serie wird kurz gestreift, wobei der Begriff der Heftchen nicht nur despektierlich ist, sondern in einer wissenschaftlichen Arbeit nichts zu suchen hat. Anstatt aber in die Breite zu gehen und zu versuchen, die angesprochene Geschichte der deutschen Science Fiction Literatur weiter zu schreiben, konzentriert sich der Autor auf knapp über eine Handvoll von Autoren, die teilweise willkürlich ausgewählt und vorgestellt worden sind. So findet sich ein Carl Amery genau wie Michael Marrak oder Uwe Post auf einer halben Seite wieder, während Michael Iwoleit als Brückenschlag zu dem im amerikanischen Teil vorgestellten William Gibson gar nicht erwähnt wird. Populistisch wird Frank Schätzing mit "Der Schwarm" gehuldigt, wobei die Grundidee des Buches in der amerikanischen Science Fiction eben nicht neu ist. Alleine die umfangreiche technische Umsetzung spricht für das Buch.   

Hans Esselborn zeigt die Bedeutung Herbert W. Frankes für die deutsche SF wie auch zusammen mit Wolfgang Jeschke als Herausgeber. Herbert W. Frankes Werk wird überzeugend in Form eines Streifzugs präsentiert, während der Autor bei Wolfgang Jeschke sich zwei Romane heraussucht und diese ausführlicher bespricht. Marcus Hammerschmitts erfährt eine ähnliche Behandlung, während der Autor bei Andreas Eschbach eine erstaunliche Ambivalenz zeigt. Das seinen Thesen entsprechende Jugendbuchwerk wird gänzlich ignoriert, während die Space Opera "Quest" ausführlich wie positiv sich von amerikanischen Vorlagen abhebend dargestellt wird.  Dabei ignoriert der Autor die barocken Space Operas vor allem auch aus Großbritannien, die sich in den siebziger  und achtzigerJahren basierend auf den Vorbildern des Golden Age entwickelten und in denen zwar die Wunder des Alls, aber nicht folgerichtig die militärische Auseinandersetzung im Mittelpunkt standen. Auch hier muss die Ideen der Space Opera ein wenig relativiert werden. Wenn der Autor in seiner Auseinandersetzung mit der deutschen Science Fiction Literatur nach Perlen wie Döblins Roman sucht, dann sollte er sich auch bei den amerikanischen Space Operas eine vergleichbare Mühe machen und nicht unbedingt aus dem Stand heraus Andreas Eschbachs ohne Frage lesenswertem Roman ein positives Attribut geben, weil der Plot keine militärischen Lösungen sucht.  "Die Haarteppichknüpfer" spielt im gleichen Universum und beinhaltet starke Bezüge zu Sagen oder Märchen mit brutalem, aber nicht explizieten Hintergrund.

 Am Ende kommt der Autor aber zu einem erstaunlichen Fazit. "Grundsätzlich aber hat das spannende und phantasievolle Erzählen den Sieg über den technischen, wissenschaftlichen und utopischen Diskurs davongetragen".  Damit kapituliert der Autor im Grunde vor seiner eigenen These, denn diese Art der Science Fiction hat es seit im Grunde dem Beginn seiner Science Fiction Literatur Geschichte gegeben. Hans Esselborn hat immer in der Masse nach den Abweichlern gesucht und diese auch gefunden. Selbst heute wird es im Genre beide Spielarten geben, so dass von einem Sieg der einen Struktur über die Andere überhaupt nicht die Rede sein kann. Mal dominiert dem Zeitgeist geschuldet die Phantasie, mal die Technik. Niemals wird in einem lebendigen und sich weiter entwickelnden Genre eine Seite "siegen"... alleine der Begriff ist falsch gesetzt und zeigt wie einige andere Stellen, dass diese ganze Studie sich selbst ad absurdum geführt hat.    

 Wie schon erwähnt ist die Zielgruppe noch schwerer zu definieren. Wer sich mit dem Genre auskennt, wird einige wenige, aber interessante Ideen finden. Döblin wird man nicht automatisch auch als utopisch visionären Autoren einschätzen. Diese Perlen sind aber in einem im Verlaufe des Buches weniger werdenden Zitatendschungel selten und rar gesät. Der Ausgangsthese, die Geschichte der deutschen Science Fiction Literatur zu schreiben, ist Hans Esselborn nicht gerecht geworden. Zu sprunghaft, zu wenig konsistenz und vor allem zu oberflächlich agiert der Autor.  Fast sechzig Jahre literarische Entwicklung reduziert auf eine Handvoll von Autoren ist der negative Höhepunkt dieser Entwicklung. Hinzu kommt, dass der Autor fast verzweifelt bemüht die literarischen Aspekte des Genres hervorheben möchte und damit das theoretisch am Besten ansprechbare Publikum- Science Fiction Leser - förmlich verprellt, während die in ihren Elfenbeintürmen vor sich hin philosophierende Literaturkritik in ihren klischeehaften Ansichten sogar bestärkt wird. Hinzu kommen eine Reihe von kleineren inhaltlichen "Aussetzern", in denen der Autor absolutistisch Thesen aufstellt, ohne diese Behauptungen nachdrücklich mit eigenen Argumenten zu untermauern.  

 

  • Taschenbuch: 428 Seiten
  • Verlag: Königshausen u. Neumann (1. Februar 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3826062612
  • ISBN-13: 978-3826062612
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