Die Zukunft von gestern

Heinz Stöllner

Basierend auf seinen für das Online Portal „Zauberspiegel“ geschriebenen Artikeln und als Weiterführung eines Beitrages zu einem nicht realisierten Science Fiction Magazin hat Heinrich Stöllner für diese Buchausgabe seine Zusammenfassung der Sub- und Miniserien in den Heftromanreihe Utopia und Terra der Verlag Pabel und Moewig sowie ihrer gemeinsamen Veröffentlichungen grundlegend überarbeitet, aktualisiert und mit zahlreichen Illustrationen versehen.
Der Autor gehört zur Generation der Leser und Sammler, die noch nicht über das Internet sich ohne Probleme zeitlos einen Überblick verschaffen konnten. In dieser Hinsicht spricht er vielen Lesern seiner Generation aus dem Herzen, in dem er nicht nur einen inhaltlichen, sondern jedes Kapitel abschließend auch einen chronologischen Überblick über die einzelnen Auflagen gibt.
Selbst heute sind viele dieser Informationen nicht auf einen Schlag im Internet zu finden, sondern bedürfen einer umfangreicheren Suche.
Gleich zu Beginn definiert Heinrich Stöllner seine Ein- und Ausschlusskriterien. Fortlaufende Serien und Miniserien müssen entweder ganz oder zeitweilig in den Reihen UTOPIA oder Terra erschienen sein. Dabei spielt es weniger eine Rolle, ob die Serie dort gestartet und dann ausgegliedert worden ist oder wie zum Beispiel Peter Terrid „Time Squad“ mit über zwanzig Episoden ausschließlich in den Terra Astra erschienen ist. Auch der andere Weg, das Serien eigenständig gestartet und dann eingegliedert worden sind erfüllt das Kriterium zur Aufnahme.
Sobald dieses Kriterium erfüllt wird, betrachtet der Autor die ganze Serie inklusiv der verschiedenen Auflagen. Dadurch ist das Spektrum dieser Ausgabe sehr breit. Leihbücher werden genauso gestreift wie die Nachdrucke in den Kleinverlag in den letzten zwanzig Jahren. Selbst Fortsetzungen in Kleinauflagen werden angesprochen.
Weiterhin werden wie angesprochen in sich abgeschlossene Miniserien – meistens zwischen fünf und zehn Heften – ausführlich vorgestellt. Schwieriger, aber in Hinsicht auf die Vollständigkeit notwendig, ist die Auseinandersetzung mit Doppelbänden, wobei Arndt Ellmers „Louden“ Romane hintereinander in „Terra Astra“ erschienen sind, obwohl sie im Grunde einen Band bilden, während andere schon im Vorwege als Doppelbände mit zwei oder einer Nummer veröffentlichte Romane nicht extra aufgeführt, aber im Text erwähnt werden.
Zu Beginn des Buches findet sich neben dem Vorwort und der Danksagung eine Einleitung in das Genre sowie eine kurze Geschichte der beiden Flagschiffe Utopia und Terra inklusiv der Taschenbuchinkarnationen. Die Geschichte der Science Fiction als eigenständiges Genre der Unterhaltungsliteratur ist allgemein gefasst und wirkt eher pragmatisch vorangestellt. Interessierte Käufer dieses Buches werden schon mehrere Studien zu diesem Thema gelesen haben.
Neben der Geschichte der beiden langlaufenden und verschiedene Inkarnationen umfassenden Studie zu Utopia und Terra sind es vor allem die Zahlen der publizierten Titel; der Fokus auf deutsche Autoren und angloamerikanische Übersetzungen unter einer fast vollständigen Ignoranz der Science Fiction aus Osteuropa oder zum Beispiel Frankreich - es gibt wirklich weniger als zwei Handvoll Ausnahmen -, die im Gedächtnis bleiben.
Mit „Jim Parker“ als Start der Utopia Heftroman geht es anschließend ins Eingemachte. Hier folgt Heinrich Stöllner bis zum Ende einem eingefahrenen Konzept: Neben einigen einleitenden Informationen auch hinsichtlich der beteiligten Autoren gibt es eine kurze Zusammenfassung der jeweiligen Serie inklusiv einer Integration der individuellen Titel und meistens, aber nicht immer eine kurze kritische Auseinandersetzung mit dem Stoff aus einer wie eingangs auch erwähnt subjektiven Perspektive. Das ist grundlegend nicht verkehrt, aber wie einige andere Kritiker vergreift sich der Autor ein wenig im Tonfall und wird schnell abfällig.
Auch wenn die Stoffe literarisch nicht unbedingt ansprechend sind, wäre eine eher nuancierte Auseinandersetzung mit dem Gelesenen hilfreich und würde vor allem den datentechnisch eindrucksvollen Teil dieses Buches besser unterstützen
Eckpfeiler des ersten Blocks sind neben Jim Parker auch Mark Powers und H.G. Francis „Ad Astra“. Die „Raumpatrouille“ als ein weiterer Grenzgänger zwischen Soloauftritten und Terra Taschenbuch bzw. Terra Astra wird erst Filmteilt vorgestellt.
Abschließend streift der Autor vor allem die Kurzserien der beiden Perry Rhodan Gründer K. H. Scheer und Clark Darlton. Wie im internationalen Teil mit den Patchwork Romanen eines Alfred Elton van Vogt ist die Argumentation hinsichtlich der Doppelbände nicht immer schlüssig, aber wer sich noch nicht intensiver mit den Werken nicht nur die beiden Perry Rhodan Eckpfeiler, sondern auch einigen anderen Schriftstellern beschäftigt hat, wird zumindest einen kurzen und auch hinsichtlich Scheers konservativer Ausrichtung im zeitlichen Kontext fairen Überblick vorfinden.
Konsequenterweise folgen in den anschließenden Kapiteln die Miniserien der zweiten und dritten Perry Rhodan Autoren Generation, wobei nicht nur kommerzielle Gründe auf Verlagsseite für das Miniserienkonzept vor allem in Terra Astra mit einem fast fünfzig prozentigen Anteil sprachen. Auch für Autoren bot die Miniserie die Möglichkeit, nach Verkauf des ersten Bandes sich weiter zu etablieren und gleichzeitig auch zu demonstrieren, dass man einen Serienkosmos strukturieren und sich vielleicht dadurch auch bei den Flaggschiffen Perry Rhodan und Atlan eingliedern kann.
Wichtig ist hierbei auch die Vorgehensweise Stöllners, der nicht sklavisch den Titelbildern folgt, sondern inhaltlich zusammenhänge Heftromane ohne äußerliche Kennzeichnung zuordnet. Das wird im internationalen Teil noch wichtiger sein, wo einzelne aus Kurzgeschichten bestehende Serien über verschiedene Reihen oder Verlage verteilt worden sind.
Interessant ist wahrscheinlich in diesem Abschnitt der Hinweis auf die Kurzserien weiterer deutschsprachiger Autoren wie dem Duo Alpers/ Hahn auf dem Tantalus oder Bernt Kling. Diese Romane wären ohne die Neuauflagen rühriger Verlag inzwischen in Vergessenheit geraten und „Die Zukunft von gestern“ gibt Sammlern/ interessierten Lesern die erste Möglichkeit, dank der kurzen manchmal ein wenig pointierten Inhaltsangaben sich einen ersten Überblick zu verschaffen.
Der zweite große Block sind die Serien englischsprachiger Autoren, wobei viele der Serien wie die Lensmen von E.E. Smith; die Zyklus um die Weltraumstation von George O. Smith oder Jack Williamsons Legion Geschichten schon vor der deutschen Science Fiction entstanden sind. Die Wechselwirkung zwischen den Pulps und den deutschen Serien arbeitet der Autor zu wenig auf und wer sich nicht mit dem Genre auskennt, wird ein wenig verwirrt, dass die Epigonen zuerst genannt werden. Kontinuierlich erweitert der Autor schließlich das Spektrum um wichtige Werke wie Asimovs Foundation oder van Vogts Romane. Hier geht es neben der inhaltlichen Zusammenfassung abschließend um die Publikationsgeschichte. Aus dem Anhang ist aber zu entnehmen, dass auf Vollständigkeit verzichtet worden ist und zum Beispiel Hal Clements „Unternehmen Schwerkraft“ aus eher oberflächlichen Gründen durch das Raster fiel.
Auch van Vogts Patch Up Romane werden erwähnt, auch wenn sie eher bedingt in das angesprochene Raster fallen. Nicht jeder Doppelband ist gleich eine Serie. Aber auch bei den Serien wie den Randweltgeschichten von Chandler um John Grimes wirkt die Beschreibung manchmal ein wenig chaotisch. Heinrich Stöllner springt zwischen den einzelnen chronologischen Abschnitten hin und her.
Im weiteren Verlauf ist nicht immer klar erkennbar, was wirklich eine Serie ist oder ob wie bei Alan Nourse nur einzelne Kurzgeschichten und ein Roman in einem Universum spielen oder es sich um richtige Reihen handelt. Hier agiert der Autor eher nach dem eigenen Lesegefühl. Bei der „Foundation“ Neuauflage im Schuber oder den James White „Hospital“ Bänden als Nachdruck kritisiert er den Heyne Verlag zu Recht, bei Murray Leinsters „Med Ship“ Serie fällt ihm aber die chaotische Publikationsvorlage vor allem in Bezug auf die empfehlenswerten amerikanischen Taschenbuchomnibusausgaben nicht auf.
Mit Gordon R. Dickson geht er harsch ins Gesicht und nennt den „Dorsai“ Zyklus ambitioniert, aber misslungen, ohne das die Argumente schlüssig sind, während sowohl die Exkursion in den Science Fantasy Bereich als auch die Behandlung der „Darkover“ Serie unkritisch erscheinen.
Zieht man zusätzlich sein Resümee hinzu, dann entwertet der Autor die mühevolle Arbeit, die er sich über weite Strecken selbst gemacht hat. Die Anzahl der Utopia und Terra Bände wird ja von ihm selbst mehrfach herausgestellt und der Serieninhalt betont. Im Resümee streift er einige Bände und Miniserien, die es nicht geschafft haben. Nicht aus Unkenntnis, sondern weil der Autor entweder nach eigenen Worte die Bände nicht hatte oder sie als irrelevant ansah. Dann muss im Gegenzug aber auch die Auswahl kritisiert werden, denn ein Clement ist genauso „wertvoll“ und erwähnenswert wie ein eher zweitrangiges Werk van Vogts. Hier wäre in den „Sternschnuppen internationaler Autoren“ genügend Platz gewesen. Auf der einen Seite greift er trotz des von ihm berechtigt kritisierten Inhalts gerne zum SF Lexikon des Heyne Verlags, auf der anderen Seite gibt es ausreichend Recherchemöglichkeiten im Netz, um buchstäblich alle Heftromane und Taschenbuchserien zu erfassen und mit Querverweisen die Serien oder lose zusammenhängenden Zyklen herauszufiltern. Natürlich kann man den einen oder anderen heute unbekannten Autoren, der mehr als einen Heftroman womöglich als Leihbuchnachdruck veröffentlicht hat, übersehen und Fehler gehören auch bei einer derartig umfangreichen Arbeit zur menschlichen Seite, aber in seinem Resümee macht es sich Heinrich Stöllner zu leicht.
Das liegt auch daran, dass mit dem vierten Teil auf berühmte SF Serien und deren Adaptionen/ Fortsetzungen eingegangen wird. Hier kommt es zu Überschneidungen mit dem dritten Abschnitt, in dem zum Beispiel einige Adaption nicht so berühmter Fernsehserien schon erwähnt worden sind. Ob es wirklich notwendig ist, die Inhalte vor allem der sieben „Raumpatrouille“ Folgen und anschließend „Raumschiff Enterprise“ noch einmal zusammenfassen, als den Platz für die angesprochenen fehlenden Miniserien aus dem Resümee zu nutzen, muss hinterfragt werden. Beim „Planet der Affen“ macht es der Autor besser, in dem er die Buchvorlage der amerikanischen Adaption mit Charlton Heston gegenüberstellt. Während die „Raumpatrouille“ mit einhundertfünfundvierzig Heften/ Taschenbücher oder „Der Planet der Affen“ mit Comic sowie den Taschenbuchadaptionen überschaubar ist, kann sich Heinrich Stöllner bei „Raumschiff Enterprise“ nur auf die Publikationen aus dem Pabel und Moewig Verlag konzentrieren und die Flut von Büchern in den verschiedenen anderen Verlagen zu den unterschiedlichen Star Trek Serien nur anreißen.
In diesem Abschnitt wäre weniger Bekanntes wahrscheinlich zu Gunsten unbekannterer Stoffe mehr gewesen.
Grundsätzlich trotz einiger kleiner Fehler – so gibt es eine erwähnte Nachdruckserie im Verlag Emmerich zum Beispiel „noch“ nicht oder ein Star Trek Titel ist tatsächlich keine neue Wortschöpfung, sondern der Rückgriff auf das Original – ist das zusammengetragene Wissen in diesem umfangreichen, sehr schöne bebilderten Buch eindrucksvoll. Wie mehrfach erwähnt wird es vor allem die ältere lesende Sammlergeneration ansprechen, die bei diesem trotzdem sehr kompakten Streifzug durch über dreißig Jahre Heftroman- und Taschenbuchgeschichte mit Verzweigungen bis in die Gegenwart der Kleinverlage mit Erinnerungen an die eigene Lektüre oder Ausblicke auf noch zu entdeckenden Lesestoff positiv entgegen sehen.

Stöllner, H: Zukunft von gestern

  • Taschenbuch, 512 Seiten
  • Verlag: Reeken, Dieter Von (9. November 2019)
  • ISBN-10: 3945807492
  • ISBN-13: 978-3945807491

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