Darling

Bernhard Kempen

„Darling“ ist der zweite erotische Science Fiction im „Xenosys“ Universum spielend und mit dem Gespann Adrian Ginjeet und Greedy.  Es ist nicht unbedingt notwendig, den ersten Roman gelesen zu haben. Die grundlegende Handlung ist für sich alleine gut nachvollziehbar und baut auf klassischen, damit auch leicht zum Klischee werdenden Genreelementen auf. Allerdings hat der Autor mit vollem körperlichem Einsatz im ersten Buch „Arkadia“ nicht nur den Nudistenplaneten gleichen Namens, sondern auch Greedy ausführlich vorgestellt. Ein weiterer Roman „Aura“ ist in Planung und wird die Trilogie abschließen. Es gibt zusätzlich vier Kurzgeschichten, die im „Xenosys“ Universum spielen. Die erste erschien 1994, vier Jahre später veröffentlichte Bernhard Kempen auch die erste Story mit seiner Weltraumheldin Greedy, die in allen drei „Arkadia“ Romanen mitspielt.

Adrian Ginjeet hat seine sensationelle Reportage an die Redaktion weitergeleitet. Allerdings wurde dort möglicherweise aus Versehen die unzensierte Fassung ins Internet gestellt. Das hat soviel Ärger provoziert, dass die Tantieme wieder weg ist.

Der Rückflug ist gebucht, als ihn die Regierung von Arkadia um Hilfe bietet. Im planetennahen Bereich ist ein altes, längst verschollenes Raumschiff von der Erde entdeckt worden, das auf einem Kollisionskurs liegt. Das Raumschiff reagiert nicht auf Funksprüche. Adrian Ginjeet soll zusammen mit Greedy aufgrund seiner Erfahrung mit alten Körpern zum Raumschiff fliegen und eine Katastrophe verhindern.

„Arkadia“ war eher ein auf dem Nudistenplaneten spielender Krimi. Der Hintergrund hätte auch grundsätzlich ohne phantastische Elemente funktioniert. Im direkten Vergleich nutzt „Darling“ – der Name ist eine Abwandlung des Raumschiffnamens und bezieht sich auf den einzigen Überlebenden an Bord – wie angesprochen die Science Fiction Elemente und könnte auch ohne die erotischen Einlagen funktionieren. Vor allem weil Bernhard Kempen sie fast zur Hälfte des Buches erst buchstäblich in die Handlung einführt und damit den bis dahin stringenten, aber solide erzählten Spannungsbogen förmlich unterbricht. Die einzelnen Sexszenen sind auch nicht unbedingt notwendig. Selbst die abschließende Orgie zur Feier des Tages bzw. des Erfolges ist weder erotisch stimulierend noch substantiell notwendig.

Auf der anderen positiven Seite spricht Bernhard Kempen auch immer von einer Serie um seine Weltraumhelden Greedy, in welcher sich Science Fiction und Erotik verbinden, aber nicht unbedingt vereinigen müssen.

Einige Klischees wie die Angst vor der Leere im All, nur geschützt durch die dünne Wand des Raumschiffes nimmt Bernhard Kempens literarischer Kommentator Adrian Ginjeet bewusst auf die Schippe und kommentiert sie entsprechend. Diesen humorvoll lakonischen Unterton nutzt der Autor aber nicht durchgehend, sondern nur in einzelne Szenen. Dadurch wirkt der Roman als Ganzes betrachtet ein wenig uneinheitlich.

Inzwischen sollte sich Ginjeet auch an die freizügige Kultur auf Arkadia und Greedys unorthodoxe Art und Weise, Probleme zu lösen, gewöhnt haben. Wie schreibt Bernhard Kempen an einer Stelle. Schleimhaut ist Schleimhaut. Trotzdem fügt Bernhard Kempen immer wieder eine ganze Abfolge von inneren Monologen, Kommentaren zum erotischen Geschehen und aus Ginjeets Sicht fatalistischen Erkenntnissen hinzu. Das wirkt einmal oder zweimal amüsant, aber im zweiten Band einer Trilogie leider auch ermüdend und Zeilen schindend.

Das verwirrte, von Pornos am Bildschirm erzogene Waisenkind wird von Bernhard Kempen opportunistisch eingesetzt. Es ist in diesem Handlungsabschnitt inklusiv der natürlich notwendigen Entjungferung, bzw. eingehenden Untersuchung das schwächste Glied. Die Hintergrundinformationen wirken nicht durchgehend überzeugend, auch wenn sie vor allem auf Spekulationen bzw. im richtigen Moment gefundenen Aufzeichnungen der Schiffsintelligenz basieren.  

Die Untersuchung des Raumschiffs ist überzeugend. Aus vielen kleinen Mosaiksteinen inklusiv des einzigen Überlebenden – einem Kind, inzwischen ein Jugendlicher – setzt Kempen die erste Bedrohung zusammen. Selbst die stoische Umsetzung einer menschlichen, deswegen auch nicht bis auf den I Punkt korrekten Anweisung an die Bordintelligenz ist konsequent vom Autor entwickelt worden. Die Auflösung kommt ein wenig zu abrupt. Aber diese Lösung basierend auf der Kommunikation Mensch/ Maschine wird von Ginjeet in den richtigen Zusammenhang gebracht. Der Journalist beginnt mit den Lesern zu sprechen und weist sie darauf hin, dass das natürlich nicht alles gewesen sein kann. Der Bericht ist ja erst zur Hälfte vorbei.

Die zweite Hälfte dominiert tatsächlich eine wirklich fremdartige außerirdische Lebensform. Der Erstkontakt findet auf eine ungewöhnliche, für diese besondere Science Fiction Serie aber auch typische Art und Weise statt. In den folgenden Kapiteln geht es nicht nur um eine Kontaktaufnahme, sondern den Schutz Arkadias. Bernhard Kempen geht diese beiden Probleme wie zu Beginn des Buches den Flug zum im All entdeckten Raumschiff ausgesprochen stringent an. Die Fokussierung auf Science Fiction Elemente lassen das grundlegend ambivalente Tempo dieses nicht unbedingt umfangreichen Romans flotter erscheinen als die teilweise doch sehr langen, ins Nichts führende Monologe oder die schon angesprochen weniger erotischen, als sexuellen Szenen.

Interessant ist, dass vor allem im direkten Vergleich mit dem ersten Roman „Arkadia“ unabhängig von der Isolation an Bord eines Raumschiffes, dessen Flugplan anfänglich in der Kollision mit Arkadia endet, später direkt in die Sonne führen könnte, Bernhard Kempen sowohl Greedy als auch Adrian Ginjeet nicht mehr so „sympathisch“, zu ironisch überzeichnet dreidimensional charakterisiert. Vieles wirkt irgendwie mechanisch, zu stark geplant als parodistisch verklärt entwickelt. 

Im letzten Viertel mit der Kopfüber Landung auf dem Dschungelmond und dem Aussetzen der Fremden in einer für sie nicht perfekten, aber das Überleben sichernden Umgehung zieht das Tempo positiv gesprochen wieder an und das irgendwie schwerfällige Verhältnis zwischen der teilweise erkrankten Greedys und dem wieder nur ausschließlich reagierenden wie kommentierenden Ginjeet – seine fünf Minuten Ruhm hatte er mit der störrischen Schiffsintelligenz – relativiert sich schnell. Bernhard Kempen präsentiert in dieser Sequenz einige interessante Ideen und versucht die Fremden wirklich als exotische, aber nicht grundlegend böse Spezis zu beschreiben.

Die Suche nach pazifistischen Lösungen zeichnet nicht nur diesen Roman aus. Auch der soziale Hintergrund Arkadias inklusiv der absoluten sexuellen Freizügigkeit und dem Nudistenstatus basierte auf Toleranz und gegenseitigem Respekt. Diese Ideen extrapoliert Bernhard Kempen im vorliegenden zweiten Teil der Trilogie.

Zusammengefasst führt „Darling“ die in „Arkadia“ etablierten Ansätze fort. Natürlich ließe sich kritisch argumentieren, dass Bernhard Kempen das Bild der immer „geilen“ Frau jeglichen Alters zeichnet, die alle Moralvorstellungen zur eigenen Befriedigung über Bord wirft, während der Mann bzw. der Außenseiter zumindest widerwillig hinsinkt. Diese Bemerkungen hinsichtlich der Frauen beschränken sich nicht auf Greedy. Während der Orgie werden fast alle feuchten Träume nicht nur der Leser, sondern auch Ginjeets wieder war. Ein echter Mann steht seinen Mann. Dabei überspannt Bernhard Kempen provokativ und mit Augenzwinkern absichtlich der Bogen und nähert sich dem Porno absichtlich an. Der Leser sollte die erotischen Komponenten als angenehme Begleitmusik ansehen, aber nicht als Mittel zum Zweck, um einen Roman fülliger erscheinen zu lassen, dessen grundlegende Handlung in diesem Fall auch ausgereicht hätte, um die Seiten mit Spannung zu füllen.

„Arkadia“ wirkte hinsichtlich des Hintergrunds besser, exotischer und überraschender. „Darling“ dagegen handlungstechnisch runder, zielführender und aus der Genresicht nachhaltiger.  

 

DARLING: Ein Greedy-Roman aus dem Xenosys-Universum (AndroSF: Die SF-Reihe für den Science Fiction Club Deutschland e.V. (...

  • Herausgeber ‏ : ‎ p.machinery; 1. Edition (18. Juni 2021)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 164 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3957652413
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3957652416