Perry Rhodan neo 89 "Tschato, der Panther"

Michael H. Buchholz & Rüdiger Schäfer

Rüdiger Schäfer ist für den kurzfristig nach zwei Wochen Arbeit am Roman wieder schwer erkrankten Michael H. Buchholz eingesprungen. Die beiden Autoren kennen sich seit vielen Jahren auch durch die Zusammenarbeit an der Atlan- Fanserie, so dass dieser verständliche Bruch nicht zu erkennen ist. Rüdiger Schäfer und Michael Buchholz haben ein im Grunde dankbares Thema, das sie kompakt, stringent und vor allem effektiv umsetzen.

Die Leute von Free Earth beginnen über das Frisch bzw. Abwassersystem ihre Einsatzkräfte an Bord der Arkonidenschiffe zu schmuggeln. Auf dem Flottenstützpunkt Baikonur wird aus unterirdischen Tanks das Wasser in die Schiffe gepumpt und das Abwasser entsorgt. Da die Wasserreservoirs noch aus den alten Sowjetzeiten stammen, sind diese notdürftig überholt worden und die alten Steuersysteme wurden behalten. Die Free Earth Techniker können diese Systeme mit Trojanern manipulieren und so Einsatzkräfte an Bord schicken. Dazu kommen zwei Einsatzdrogen,  welche den Betreffenden in einen Scheintod versetzen und zu einer festen Zeit wieder reanimieren. Die Sauerstoffversorgung des Gehirns übernimmt eine andere Droge. So faszinierend und neuartig diese Idee auch sein mag, sie entbehrt jeglicher Logik. Bedenkt der Leser, dass erstens die Arkonidenschiffe nicht immer auf geeigneten Welten Station machen und sich insbesondere Wasser von Welt zu Welt auch nur bedingt unterscheidet, erscheint es absolut unwahrscheinlich, dass die Besetzer ihre Schiffe aus menschlichen und damit hygienisch nicht bis ins Mark überprüften Stationen versorgen lassen. Selbst wenn man diese These annimmt, stellt sich die nächste Frage. Wieviel Wasser braucht anscheinend ein Raumschiff mit einer mehrtausend Köpfe umfassenden Besatzung, wenn es wie hier impliziert kein Recyclingsystem hat. Denn es entsteht ja auch Abwasser!!!! Wird dieses Abwasser im Schiff behalten, was es unendlich schwer macht. Im Weltraum spielt das keine Rolle, aber bei den Starts und Landungen. Anscheinend sind aber die alten Raumschiffe der Arkoniden in dieser Hinsicht flexibler, denn da wird ein Schiff auf dem Meeresgrund gefunden, flott gemacht und ins Al geschickt. Kein neues Wasser und auch keine Abwasserentsorgung. Man stelle sich nur vor, wie viele Keime in jahrtausend unbenutzten Tanks sich entwickelt haben. Realistischer ist, dass diese Raumschiffe wirklich autark sind und entsprechende Wasserkreisläufe haben. Eine Versorgung auf den besetzten Welten würde zu viele Risiken umfassen, so dass die Leichtigkeit, mit welcher die Free Earth Bewegung sich gegen die jahrtausende anhaltende Eroberungspolitik der Arnoiden stellt, verblüffend ist. Aus dieser hanebüchenen und bislang der Logik der Serie widersprechenden Entwicklung haben die beiden Autoren aber zumindest einen soliden Actionroman gemacht. Julian Tifflor probiert es als Teil einer Catering- Lieferung aus. Dabei hilft ihm Rinat Ugoljew, der ehemalige Chefkoch der TOSOMA. Der hat sich inzwischen anscheinend selbstständig gemacht und beliefert die arkonidische Flotte mit portionierter Tiefkühlkost. Natürlich arkonidische und teranische Spezialitäten. Wer gedacht hat, dass das Ende von „Independence Day“ schon eine Katastrophe gewesen ist, wird überrascht. Hier wird nicht gehackt, sondern Tifflor führt mit dem arkonidischen gegenstücks eines USB- Sticks unbemerkt eine Trojanersoftware ein, während Mildred parallel das Trinkwasser infiziert hat. Sie verlassen das Raumschiff durch das Abwassersystem. Interessant ist, dass diese verrückten Aktionen Unterstützung auf der Parallelhandlung erfahren müssen, aber alleine die Planung ist dem Prinzip Zufall geschuldet.     

Der Leser kann K.H. Scheer kritisieren wie er möchte. Aber im Gegensatz zu Frank Borsch und leider auch den Autoren hat er zumindest Ahnung von Kommandounternehmen gehabt. Wie in der laufenden Serie geht es nicht darum, unmögliche Szenarien aufzulösen und entsprechende Wege zu ermitteln, sondern ja nach Situation sind diese Wege plötzlich aus dem Nichts heraus vorhanden und werden entsprechend angewendet. Dabei sollte der Leser möglichst ernst bleiben, was angesichts der hier beschriebenen Entwicklung nicht gänzlich möglich ist. Wer aber „Independence Day“ geliebt hat, wird sich mit diesem zumindest wie schon eingangs erwähnt zufrieden stellend geschriebenen Szenario identifizieren können und die fehlende Logik – wahrscheinlich haben die arkonidischen Schiffe nicht nur autarke Kreisläufe, sondern werden ihre eigenen Anlagen errichten, statt auf die menschlichen Überreste zurückzugreifen, da die Besatzer auf der Erde ja selbst die Trainungslager ihren Ansprüchen folgend gestaltet haben – ignorieren. Vielleicht wäre es sinnvoll, in absehbarer Zeit einen zweiten Exposeautoren zu installieren, da Frank Borsch angesichts der semimilitärischen Entwicklung der Serie hilfreich, aber entschlossen unter die Arme greift. Es gibt zumindest Vorankündigungen, dass Rüdiger Schäfer und Michael Buchholz ab Band 101 bereit stehen.

Mit Orome Tschato wird eine weitere sehr interessante Figur ausführliche vorgestellt.  Er stammt aus den Krisengebieten Afrikas, hat aber in Deutschland Asyl erhalten und die Sprache gelernt.  Aufgrund seiner Agilität hat er den Spitznamen Panther. In Berlin konnte er die Free Earth Bewegung nicht kontaktieren.  Er ist schließlich auch der Schlüssel, das der Plan der Free Earth Bewegung überhaupt umgesetzt werden kann, weil er den scheintoten Julian Tifflor durchwinkt. Auch hier kommt wieder die „Deus ex Machina“ Lösung mit dem richtigen Mann am richtigen Fleck zum Tragen. Viel interessanter sind aber vorher die ausführlichen „Rückblicke“, welche Tschatos Lebenslauf an die laufende Handlung heranbringen. Die Auseinandersetzung mit dem natürlich fiesen Vorgesetzten wirken dabei wie das obligatorische Klischee. Dabei braucht diese Figur im Grunde nicht in Position gebracht werden. Aufgrund seiner Herkunft aus Afrika mit seinen zahlreichen politischen und militärischen Konflikten, der Diktatur einer im Überfluss lebenden Oberschicht und schließlich auch den sozialen Differenzen hätte ausgereicht, die Motivation zu etablieren. Hier wird auch um den Roman voll zu bekommen ein wenig übertrieben.  Später hilft er auch Julian Tifflors Komplizen. Die Manipulationen werden später durch ein System der gegenseitigen Erpressung zwischen Tschato und seinem Vorgesetzten relativiert. Die Zwischeneinschübe wirken allerdings im Vergleich zum Kommandounternehmer deutlich logischer und beantworten nur bedingt die Fragen, die sich die Leser stellen. Der Ausgangsplan ist wie angesprochen eine Katastrophe und alleine mit dem richtigen Mann an der richtigen Stelle kann von einem Erfolg gesprochen werden, wobei es immer wieder erstaunlich ist, wie wenig sich die Arkoniden angesichts der implizierten Wichtigkeit dieser Welt um elementare Angelegenheiten kümmern. Es scheint so, als gäbe es nur zwei Handvoll Invasoren und keine ständige Truppe, die aus der Erfahrung von unzähligen Aufständen unterschiedlichster Art gegen ihre Herrschaft opponiert haben. Dabei kommt es auch auf die Qualität der Kommandounternehmen an und die lässt sich leider nicht mit den ersten Vorstößen der Erstauflage nicht unbedingt auch rein militärischer, sondern auch logistischer Sicht vergleichen.

Auf einer dritten Handlungsebene kehrt Jemmico mit der KESTAI in Sonnensystem zurück. Er hat aus dem Arkonsystem kommend einen Flottentender im Schlepptau. Es sollen weitere Verstärkungen kommen, aber konkrete Anweisungen gibt es von der neuen Imperatrice nicht.  So beginnt die Jagd auf die Terraner, welche die Relaisstationen zwischen Arkon und der Erde immer wieder angreifen und sabotieren. Mittels eines Köders – einer Art Hilfskreuzer – will er die Terraner an Bord der wenigen vorher gekaperten Raumschiffe aus der Reserve locken,  was teilweise aufgeht. Interessant ist, wie die beiden Autoren in diesem Fall sogar effektiv Taktiken aus dem Zweiten Weltkrieg anwenden und in die laufende Handlung einbauen. Da die Serie nicht unbedingt weit in der Zukunft spielt – das zweite Weltkrieg ist keine hundert Jahre zu Ende – ist es erstaunlich, dass niemand an Bord der irdischen Schiffe agiert. Zusammen mit der Person Tschato ein kleiner Lichtblick in einem eher konträren, auf dem Prinzip des Zufalls aufgebauten Roman, der sein Potential nur stellenweise aber bei zumindest soliden Actionszenen ausschöpft und die Schwachstellen in den einzelnen Plänen durch die angesprochenen „Deus Ex Machina“ Lösungen in den Griff zu bekommen sucht.

 

Pabel Verlag, 160 Seiten

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