Perry Rhodan neo 44- Countdown für Siron

Rüdiger Schäfer

Mit Rüdiger Schäfers „Neo“Debütroman „Countdown für Siron“ wechselt die Handlung wieder zu Perry Rhodan zurück. Es ist ohne Frage eine kluge Entscheidung, mit Rüdiger Schäfer einen Fan der „alten“ Schule und jetzigen Autoren aufzunehmen. Obwohl sich das Expose mehr und mehr zum Planetenhopping weiterentwickelt, in dessen Verlauf Rhodan, Atlan, Crest und Goratschin einzelne Hilfsmittel wie die unsichtbar machende Seide (!!!) aufsammeln, mit denen ihnen wahrscheinlich im letzten Band dieser Miniserie nicht nur der Sprung nach Arkon, sondern direkt in das ominöse Archiv gelingt, präsentiert Rüdiger Schäfer einen Perry Rhodan der moderaten alten Schule, der nicht nur Entscheidungen trifft und Verantwortung übernimmt, der die kleine ihm anvertraute Gruppe durch eine Reihe von allerdings nicht gänzlich überzeugenden Schwierigkeiten manövriert. Die Betonung des ganz Romans liegt auf nachvollziehbarer Action vermischt mit einigen Blicken in die Vergangenheit eines fremden Volkes. In Kombination mit Rüdiger Schäfers soliden, teamfähigen Schreibstil ist „Countdown für Siron“ ein gut zu lesender Roman, der für die überzogenen Langweiler der letzten Wochen zumindest teilweise entschädigt.  

Rhodan, Atlan und Crest sind der Ansicht, dass das Trebolaner- Raumschiff zu auffällig ist. Sie wollen sich ein neues Raumschiff organisieren. Da Stehlen nicht in Frage kommt und die gefälschten Individualsignaturen inzwischen keine signifikante Rolle mehr spielen, müssen sie quasi einen abgelegten Raumer organisieren. Der Zufall will es, dass sich in der Nähe ein geheimes Ausrüstungsdepot auf dem Planeten Sion befindet, das die Arkon Prinzessin Crysalgira da Quertamagin vor zehntausend Jahren abgelegt hat. Da Sion als Welt unter der Kategorie unbewohnbar geführt wird, sind laut Atlan die Chance nicht schlecht, in dem Depot auch ein entsprechendes Raumschiff zu finden.  Im Orbit von Sion angekommen, stellen sie fest, dass der Planet nicht nur von Arkonidenabkömmlingen besiedelt worden ist, sondern in der Mitte der größten Stadt des Planeten das Wrack eines 800 Meter durchmessenden Kugelraumers steht/ liegt, das durch einen Absturz oder eine Notlandung sich zu einem Viertel in die Kruste des Planeten gebohrt hat. Wie schon mehrfach erwähnt ist die Idee von Raumschiffwracks, die trotz aller Widrigkeiten wieder flugfähig gemacht werden können, für „Neo“ nicht neu. Zumindest bleibt Rüdiger Schäfer erspart, sich unplausible Zufälle einfallen zu müssen, um das Wrack flugfähig zu machen. Ob das feurige Finale des Romans mit einer gigantischen Allzweckwaffe allerdings ein Vorgiff auf den Abschluss des Zykluses ist, bleibt offen. Zumindest weiß Rhodan jetzt, dass er im Grunde nur in relative Nähe des Archivs gelangen muss, um seine Mission zu erfüllen.

Alle Bewohner des Planeten sind Nachkommen der Arkoniden. Warum die Welt plötzlich doch bewohnbar ist, wird nicht weiter erläutert. Der Kugelraumer ist nicht nur Mittelpunkt der Hauptstadt, es ist ein religiöses Symbol, das seit ungefähr fünfzig Jahren auch wissenschaftlich erforscht werden darf. Die „Höllenforscher“ dürften dabei in die äußeren Schiffssektionen vordringen. Rhodan, Crest und Atlan versuchen nach ihrer Landung auf dem Planeten, die Positronik der „AR`KELESS“ zu überlisten. Warum das misslingt, wird vom Autoren angesichts vergleichbarer erfolgreicher Versuche im Verlaufe der Serie zu wenig nachhaltig herausgearbeitet. Viel schlimmer und die schwächste Stelle des ganzen Romans ist die Antwort der Positronik, welche die Selbstzerstörung in drein Tagen (!!!) ankündigt, um die eigene Technik nicht in fremde Hände fallen zu lassen, auf der anderen Seite aber arkonidischer Leben zu retten sucht. Warum die Positronik nicht kontinuierlich zum Schutz der ursprünglich einen Besatzung, die sich jetzt in unmittelbarer Umgebung des Raumschiffs angesiedelt hat, Notrufe ins All geschickt hat, bleibt ebenso unbeantwortet. Eine derartige Frist wirkt auch unlogisch, da in erster Linie verhindert werden soll, das geheime arkonidische Technik in fremde Hände fallen soll und drei Tage auch vor zehntausend Jahren eine Ewigkeit darstellten. Rüdiger Schäfer und Frank Borsch versuchen mit diesem Ultimatum Spannung aufzubauen, hinterlassen aber eher den Eindruck, als fehle ihnen ein zündender Gedanke.

Im Vergleich zu vielen anderen „Neo“ Romanen sind in „Countdown für Sion“ zwei der insgesamt anfänglich drei Handlungsebenen sehr viel enger miteinander verknüpft. So beschreibt Rüdiger Schäfer eine ins Schiffsinnere führende Expedition der so genannten Freidenker, welche das Wrack in beschränkten Rahmen untersuchen dürfen. Wie gefährlich diese Missionen sind, beschreibt Rüdiger Schäfer atmosphärisch überzeugend und packend. Leider werden die beiden Handlungsarme eher armselig abgeschlossen. Unter dem Parlamentsgebäude wird schließlich das anfänglich erwähnte geheime Depot gefunden. Goratschin sprengt den Schacht auf. Die Stützpositronik identifiziert Atlan, welche den Selbstzerstörungscountdown ausschaltet. Das geht relativ zügig vonstatten. Rüdiger Schäfer konzentriert sich anschließend zum Wohl des Romans darauf, Atlan mehr Vergangenheit zu geben als zum gleichen „Zeitpunkt“ in der Originalserie. Anscheinend hat Atlan mit der Erbauerin des Stützpunkt mehr als freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Daher ist es auch keine Überraschung, dass Cryalgiras Luxusyacht im Depot steht. Es stellt sich allerdings die nicht unberechtigte Frage, ob eine zehntausend Jahre alte Luxusyacht ohne gegenwärtige Kennung weniger auffällig ist als ein Raumschiff der Trebolaner? Den Freidenkern wird das Depot übergeben, mit dessen Machtmittels sie die Macht des religiösen Kultes brechen können. Iwan Goratschin sprengt das Wrack des abgestürzten Raumers, während die Yacht startet. Warum das Wrack ausgerechnet gesprengt und damit möglicherweise die Aufmerksamkeit der Arkoniden auf diese abgeschiedene Welt gelenkt werden muss, wird ignoriert. Etwas pathetisch ernennt sich Perry Rhodan zu einer Art „Freiheitskämpfer“, welcher den Freidenkern einen entsprechenden Schub durch die Vernichtung eines „Symbols“ schenkt. Unabhängig von der Frage, ob Iwan Goratschin als Zünder wirklich über die Fähigkeit verfügt, ein derartiges Raumschiff in die Luft zu jagen. Die Idee, das die von Perry Rhodan anfänglich gefundenen „Mutanten“ hinsichtlich ihrer Fähigkeit Beschränkungen unterliegen, scheint in den letzten Bänden wieder aufgegeben worden zu sein.

Dagegen hat Sergh da Treffon mehr Probleme am Hals als es ihm lieb ist. Unter seiner Führung konnten die Naat einen wichtigen Prototyp stehlen und zur Erde fliehen. Trotzdem hält ihm der Regent noch die Treue. Vielleicht eine „menschliche“ Schwäche, da spätestens mit dem vorliegenden Roman ausgeschlossen werden kann, dass es sich um eine klassische Großpositronik verankert auf einem der drei Arkonplaneten mehr handelt. Sonst könnte der Regent nicht die einzelnen Flottenteile besuchen. Wegen des ihm vom bislang im Hintergrund agierenden Fürsorgers verliehenen Zellaktivators muss er sich jeden Tag vom Ara Antek untersuchen lassen. Sein Stellvertreter Stig Bahroff sucht in Trobales Gespinst unter Nutzung der Folter nach Hinweisen auf den Fürsorger bzw. die Diebe des Raumschiffs.  Der Zellaktivator hat eine ambivalente Wirkung, die in dieser Form bislang weder in der „Neo“ noch der alten Serie aufgetreten ist. Neben der Altershemmenden Wirkung leidet da Treffon unter Visionen von Raumschlachten, die er vor einer unbestimmten Zeit stattgefunden haben. Das wirkt leider genauso unüberzeugend wie die Idee des Aras, zusammen mit da Treffon nach Aralon zu fliehen, um den Zellaktivator besser untersuchen zu können.  Er agiert fortan ambivalent. Irgendwo zwischen schlechten Gewissen und der Versuchung ewigen Lebens. Rüdiger Schäfer ist zumindest im vorliegenden Roman als Autor zu schwach, um den Gewissenkonflikt in dem hochrangigen Militär überzeugender zu beschreiben. Aber er versucht es. Ignoriert man die Unwahrscheinlichkeit, dass er nach dem Verlust eines Prototypen erstens überhaupt noch in Amt und Würde ist und zweitens nicht in einer Gefängniszelle schmoren muss, dann kann der Leser das Potential dieser Figur ablesen. Die Selbstzweifel wirken teilweise extrem konstruiert und zu wenig aus der ungewöhnlichen Situation heraus motiviert. Hier hat Frank Borsch beim ebenfalls „unsterblichen“ Crest bessere Vorarbeit geleistet.

Zusammengefasst bringt „Countdown für Sion“ hinsichtlich des „Vorstosses nach Arkon“ im „Das große Imperium“ Minizyklus wenig wirklich Neues. Wenn am Ende wie schon angesprochen Rhodan und Atlan plötzlich über die unendlich wertvolle Tarnseide als Geschenk der Trebolaner verfügen, ist das mehr als die anderen einhundertsechzig Seiten gebracht haben. In dieser Hinsicht ist der vorliegende Roman enttäuschend. Auf der anderen Seite überzeugt zumindest die da Treffon Handlungsebene mehr als Rhodans/ Atlans Planetenexkursion mit einem vorhersehbaren Ende, aber dessen Hinweis auf Atlans Vergangenheit als Kristallprinz ist ausbaufähig. Ganz positiv haben Schäfer und Borsch diese kleinen Hinweis nicht für einen umfangreichen Rückblick genutzt, es bleibt bei Andeutungen. 




Taschenheft, 160 Seiten

Pabel Verlag

Mai 2013 erschienen 

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