Kritik
von Johannes Hahn. Die Band Ain't Rights geht in ihrem klapprigen Bus auf Tour und hält sich mit kleinen Gigs über Wasser. Als ein Auftritt ausfällt, vermittelt sie ein Bekannter an eine Musikshow irgendwo in einem Club in den Wäldern. Dort angekommen müssen die fünf Musiker feststellen: Die Anwesenden sind alles andere als Gesinnungsfreunde. Nach dem Auftritt wollen die Ain't Rights einfach so schnell wie möglich verschwinden, werden aber Zeuge eines Mordes - und anschließend in ihrem Aufenthaltsraum festgesetzt. Es gibt jetzt nur noch ein Ziel: Lebend aus dem Nazi-Club herauskommen.
Belagerungsszenarien sind ein Subgenre, dass immer wieder als Plotgrundlage für Filme genutzt wird. Natürlich nicht im Sinne einer mittelalterlichen Belagerung wie im Herrn der Ringe, sondern in modernen Varianten: Als Western, Polizeifilm oder Zombie-Massaker. John Carpenter beispielsweise nahm sich dieses Handlungsprinzips an und verfilmte mit Assault - Anschlag bei Nacht (besser bekannt als Assault on Precinct 13) im Grunde nur den John-Wayne-Western Rio Bravo neu.
Punks gegen Nazis
Dem Prinzip eines abgeschlossenen Raumes, aus dem die Protagonisten wieder herauskommen müssen, folgt auch Jeremy Saulniers Green Room. Der Film lässt aber nicht Verbrecher gegen Gesetzeshüter antreten, sondern Mitglieder einer linken Hardcore-Band gegen Neo-Nazis. Dabei ist ganz wichtig zu erwähnen, dass keine der beiden Lager auf irgendeine Weise glorifiziert wird. Weder sind die Punks die "Guten", noch die Nazis die "Bösen".
Dadurch, dass der Film ständig die Erwartungen des Publikums untergräbt, schafft er eine knisternde Atmosphäre der Unberechenbarkeit. Das fängt schon mit den ersten Einstellungen an: Der Tour-Alltag entspricht nicht in den bekannten, romantischen Bildern freischaffender Künstler. Vielmehr wirken die Bandmitglieder wie Verlierer. Sie schlafen im Tourbus, müssen sich Benzin abzapfen, haben einen erfolglosen Auftritt vor einer Handvoll Menschen in einem mexikanischen Restaurant.
Brutale Katastrophe
Als sich dann die Situation im Nazi-Club zuspitzt, traut man keinem der Anwesenden eine Lösung zu, die nicht in der völligen Katastrophe endet. Vor allem Pat (Anton Yelchin), der sich in einem kurzen Interview zuvor nicht einmal für seine Lieblingsband entscheiden konnte, scheint fast hilflos angesichts der ausweglosen Lage. Die fünf Bandfreunde sind der psychologischen und schnell auch handfest werdenden Gewalt von Nazi-Anführer Darcy (Patrick Stewart) und seinem brutalen Gefolge nicht gewachsen.
Überhaupt ist es unheimlich erfrischend, Anton Yelchin und Patrick Stewart in Rollen zu sehen, die nicht ihrem bisherigen Werk entsprechen. Fühlte man bei Sophie Turners Auftritt als Jean Grey in X-Men: Apocalypse noch immer einen winterlichen Hauch von Game of Thrones über die Leinwand ziehen, schafft es Stewart, mit Professor X und Captain Picard zu brechen. Seine Darstellung des Darcy ist unheimlich fesselnd und glaubwürdig, nicht zuletzt, weil der Charakter auch hervorragend geschrieben ist: Darcys Gewalt liegt unter der Haut, er schreit nicht herum und brüllt Befehle. Stattdessen entschuldigt er sich, wenn er unbeherrscht reagiert. Wut und Hass brodeln tief in dem bärtigen Brillenträger und seinem höflichen Umgang mit den Punks steht Kaltblütigkeit gegenüber, mit der er deren Beseitigung plant.
Glaubwürdiges Schauspiel, durchgedrehte Hardcore-Mädchen
Anton Yelchin hingegen kennt man sonst als kompetenten Fähnrich Chekov in den neuen Star-Trek-Filmen, seine Rolle des Pat wirkt aber alles andere als kompetent - und daher glaubwürdig. Seine Schauspielkollegin Imogen Poots spielte zuvor in 28 Weeks Later sowie in der Computerspielverfilmung Need for Speed und zeigt in Green Room ihr schauspielerisches Talent als herrlich durchgeknalltes und unberechenbares Hardcore-Mädchen Amber.
Die Nacht der Belagerung ist eine harte Erfahrung für alle Beteiligten, denn sie artet immer wieder in schonungsloser Brutalität aus. Es kristallisiert sich heraus, dass die Gewalt nur die Folge einer sich immer enger ziehenden Spirale ist, bei der klar wird: Es gibt nur einen Ausweg, und der heißt Krieg. Dieser letzte verzweifelte Ausbruchsversuch ist auch einer der wenigen Momente, die nicht glaubwürdig sind. Das allerdings trübt den Gesamteindruck nur wenig.
Fazit
Mit Green Room hat Jeremy Saulnier wahrscheinlich einen der spannendsten Filme des Jahres geschrieben und verzichtet dabei völlig auf übernatürliche oder mysteriöse Elemente. Wer sich mal wieder in die Armlehnen im Kino krallen möchte und die eine oder andere blutige Szene verträgt, dem sei Green Room ans Herz gelegt. Zudem lohnt sich der Film alleine für die schauspielerische Leistung von Anton Yelchin, Patrick Stewart und Imogen Poots.