The Magazine of Fantasy and Science Fiction May/June 2017

The Magazine of Fantasy and Science Fiction, May/ June 2017, Titelbild, Rezension
C.C. Finlay (Hrsg.)

Die Kurzgeschichten kommen wieder aus allen Bereichen, wobei sich teilweise die Ideen hinter den Fantasy Storys mit den Science Fiction Ansätzen überschneiden und erzähltechnisch doch in gänzlich andere Richtungen führen. Herausgeber C.C. Finlay setzt in dieser Sommerausgabe 2017 auf einige talentierte Debütanten, die vor allem auch stilistisch innovativ, aber inhaltlich konservativ überzeugen können.

 Den Auftakt macht Brian Trent mit „A Thousand Death through Flesh and Stone“. Ein Soldat des amtierenden marsianischen Regierungsordens wird zum Mond geschickt, um eine ehemalige flüchtige Partisanin zu töten. Sie ist verantwortlich für nukleare Anschläge aus dem roten Planeten. Aus dieser einfachen Prämisse macht Brian Trent eine Variation von Alfred Besters „Tiger!Tiger“ mit dem Transfer einer Persönlichkeit in einen neuen Körper auf dem Mond, um die Mission zu erfüllen. Das neue Bewusstsein begegnet sich im Grunde selbst, da es nicht der erste Versuch ist, die Partisanin auszuschalten. Trent erzählt seinen Stoff aus unterschiedlichen Perspektiven über weite Strecken trotzdem relativ stringent, wobei er quasi die Leser in Sicherheit wiegt, um letzt endlich auf den letzten Metern den Plot einmal um die eigene Achse zu drehen und die Perspektive zu verzerren. Wahrscheinlich wäre es sinnvoller gewesen, diese Kurzgeschichte als Novelle zu erzählen, da viele Hintergrundinformationen verloren gehen, aber als Einstieg in diese Ausgabe von „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ eignet sie sich gut.

 Wie „My English Name“ beschäftigt sich „The First Days of Someone Else´s Life” aus der Feder von John Schoffstall mit der Idee eines Menschen/ Wesen in einem anderen Körper. Wobei die geschlechterspezifischen bzw. kulturellen Differenzen nicht angesprochen

Werden. Aber die Idee eines reprogrammierten Angestellten, wobei natürlich bei diesem Überschreiben etwas schief gegangen ist, erscheint nicht unbedingt neu. Der Autor versucht möglichst viele Informationen in die wenigen Seiten zu packen. Am Ende wirkt der Bogen zu stark überspannt und der Fluss der Handlung geht leider ein wenig verloren.

Bei einigen der anderen Science Fiction Geschichten spielenden die phantastischen Elemente eine untergeordnete Rolle. Dieser Reigen beginnt mit der vierten Geschichte um "Franden" aus der Feder von Greor Hartmann. Es ist bei "What the Hands know" nicht unbedingt notwendig, die ersten alle in diesem Magazin veröffentlichten Texte zu kennen, aber die Idee des futuristischen Fight Clubs mit der Variation der Angestellten in einer Miene gegen deren Vorgesetzte wird nur adäquat umgesetzt. Vor allem weil sich Hartmann zu wenig Mühe gibt, wirklich eine futuristische Atmosphäre zu erzeugen und das Finale ein wenig zu stark konstruiert erscheint. Inhaltlich originelle Ideen sind schwer zu finden, aber zumindest ist der Text solide geschrieben.

Sehr viel interessanter sind zwei andere SF Geschichten, die sich mit Aliens unter uns auseinandersetzen. Hundeliebhaber wird vor allem "The History of the Invasion Told in Five Dogs" angesprechen. Auch wenn die Grundidee der übermächtigen Fremden, welche die Erde besetzen und denen nur eine kleine Gruppe hilfloser Widerstandskämpfer gegenüber steht nicht neu ist, bereichert die Autorin Kelly Jennings die Idee um das Schicksal von fünf Hunden, welche die Protagonistin ihr Leben lang begleiten. Das Schicksal eines Tieres ist so unauffällig und anrührend zu gleich. Obwohl der Text kurz und das Ende dunkel ist, spricht sie den Leser direkt im Herzen an.

 Die zweite Geschichte erinnert an wenig an Hal Clements Romane "Die Nadel", die vor allem durch die Übernahme der Idee in "The Hidden" noch einmal bekannt worden sind. "My English Name" von R.S Benedict ist die herausragende Geschichte dieser Sammlung. Sie funktioniert auch ohne die phantastischen Elemente. Ein junge Chinesin betritt einen Raum und zieht sich um. Sie wechsel buchstäblich die Haut und wird zu einem Engländer namens Thomas Major. Die Tarnung ist bis auf einen Schnitt am Hals perfekt. Auf den nächsten Seiten erzählt der Autor, wie sich die Frage innerlich von ihrer Kultur lösen muss sowie mehr und mehr zu dem Englisch Lehrer wird. Sie beginnt sich in einen chinesischen Mann zu verlieben. Neben den kulturellen Unterschieden - sie muss ja einen Europäer verkörpern - zeigt sich ihre innere Unruhe, wenn sie Berührungen scheut. Nicht nur, weil sie eine Frau ist, sondern vor allem weil sie auch anders erzogen ist. Sie könnte auch eine Außerirdische sein, welche die menschliche Kultur aus einem fremden Blickwinkel kennenlernt, wobei sehr viel Wert auf einzelne Nuancen gelegt wird und vor allem der exotische Hintergrund eines sich selbst stetig wandelnden Chinas zu der Entfremdung einiger Figuren beiträgt. Stilistisch sehr ansprechend, sehr emotional, aber niemals kitschig beschrieben ist es das süßsaure Ende, das einen wirklich herausragenden Text abrundet.

 Nina Kiriki Hoffmanns „Ring“ – die finale Geschichte dieser Ausgabe – könnte den Auftakt eines Romans darstellen. Auf einer fremden Welt hat eine Frau sich einen Mann gekauft, der als erster Offizier eines Raumschiffs von seiner Besatzung ausgesetzt worden ist, weil er ihre kriminellen Machenschaften nicht länger dulden konnte. Rechtlos, als Sklave versucht der Mann seine neue Herrin zu überzeugen, die Company anzufunken, um befreit zu werden, während sie sich langsam in diesen neuen Mann an ihrer Seite verliebt. Das Ende ist ambivalent. In erster Linie lebt die Geschichte von der geschlechtertypischen Umkehr einer Reihe von Klischees, wobei es der Autorin auch darum geht, diese auf der einen Seite fremdartige, auf der anderen basierend auf den Ritualen auch archaisch vertraute Kultur ausführlich zu beschreiben. Die Charaktere sind überzeugend gezeichnet worden, aber durch das offene Ende bleiben für den Leser leider zu viele Fragen offen. 

 Mit "The Prognosticant" setzt Matthew Hughes seine neue Serie um Baldemar, den Zauberschüler fort. Dieses Mal soll er einen besonderen Helm zurückholen, der nicht nur über eine eigene Persönlichkeit verfügt, sondern vor allem auch ein großes Mundwerk. Baldemar muss auf seiner Mission nicht nur einige mehr oder minder originelle Hindernisse überwinden, auch sein Partner und Wächter Oldo hat einige Pläne. Matthew Hughes hat bei diesen Texten inzwischen eine gewisse Routine entwickelt, die solide unterhält, aber nicht immer wirklich inspiriert. Vor allem seine Texte um den Dieb Raffalon, die lange Zeit in "The Magazine of Fantasy and Science Fiction" erschienen sind, haben abschließend einen stereotypen Erzählrythmus entwickelt. Baldemars Abenteuer folgen vergleichbaren Mustern und wirken daher in jeder Ausgabe eher wie eine bodenständige, die breite Masse ansprechende Unterhaltung. 

 Zu den Fantasy Horror Geschichten gehört „Witch´s Hour“ von Shannon Connor Winward, wobei die Autorin die Idee von Magie bzw. Hexerei mit dem Kochen verbindet. Die Köchin im königlichen Haus hat ein dunkles Geheimnis, das der Leser durch ihre offene Erzählung kennt. Am Ende überschlagen sich mit dem lebenslustigen König die Ereignisse, wobei wie bei Roald Dahl einige der Pointen im Vorwege erkennbar sind. Es ist der kurzweilig zu lesende, ein wenig selbstironische Stil, der diese Story aus der Masse ähnlicher das perfekte Verbrechen selbst im Affekt suchender  Geschichten heraushebt.

 Als Urban Fantasy könnte man „Dirty Old Town“ von Richard Bowes ansehen. Der Erzähler verfügt über magische Fähigkeiten, wobei diese aufgesetzt erscheinen. Es geht vor allem um das Aufwachsen in einem Problemviertel mit einem „Paten“ als Onkel. Die unterschiedlichen Karrieren von einem Berufsschriftsteller, einem Theaterautoren und schließlich einem Schauspieler, die sich in dem Moment wieder vereinigen, als ein Fernsehfilm über den Paten gedreht werden soll. Der Stil ist melancholisch, kraftvoll und Richard Bowes erschafft aus dem Nichts heraus überzeugende, dreidimensionale, aber auch vom Leben gezeichnete Figuren. Obwohl die Geschichte sehr kurz ist, spannt der Autor im Grunde einen lebenslangen Bogen und verwebt die einzelnen Schicksale zu einer komplexen Story, die nicht nur lesenswert ist, sondern mit der Zeit durch die einzelnen, nicht seltenen implizierten Facetten sogar dem Leser mehr ans Herz wächst.

 Basierend auf einer alten japanischen Legende ist „Neko Brushes“ von Leah Capress ein solider Abschluss der Fantasy Geschichten. Ein Junge malt Katzen, die vielleicht auch durch den Einfluss eines Samurais und seiner hinterhältigen Gespielin zum Leben erwachen. Das Ziel ist es, dass der Junge mit seiner alten Kunst einen Teil einer Legende zum Leben bringt, mit deren Hilfe der Samurai gegen den Kaiser ziehen und das Reich für sich sowie den Tod des Bruders seiner Freundin rächen kann. Nach einem langsamen, aber stimmungsvollen Auftakt gewinnt die Geschichte an Fahrt, wobei das zu ambitionierte Ende zu viele Fragen offen lässt. Rückblickend erscheint der Junge eher eine Art MacGuffin zu sein, da seine Fähigkeiten nicht wirklich benötigt werden. 

 Die phantastische Bibliothek in Wetzlar hat die Idee der Miniaturen, sehr kompakter Kurzgeschichten wieder populär gemacht. In dieser Ausgabe von "The Magazine of Fantasy and Science Fiction" findet sich mit "The Woman with the Long Black Hair" aus der Feder Zach Shepards ein Musterbeispiel für diese Art der Verdichtung. Eine schwarzhaarige ambivalente Frau befragt verschiedene Leute und belohnt nur diejenigen, die schlecht über sie reden. Es ist mehr eine Fabel als eine Kurzgeschichte, liest sich aber erstaunlich gut.  

  Bei den sekundärliterarischen Beiträgen ragen die Kolumne von Paul Di Fillipo und David Skals Notizen über die zweite Staffel von „A Man in the High Castle“ heraus. Di Fillipo schreibt über die Gefährlichkeit der Bücher, in dem er sie mit Schusswaffen gleich setzt. Was auf den ersten Blick surrealistisch erscheint, wird gut entwickelt und lädt zum Nachdenken ein. In der wissenschaftlichen Kolumne geht es um die selbst steuernden Autos der Zukunft, während Charles de Lint dieses Mal einen deutlich weiteren Bogen schlägt. Er bespricht die letzte Geschichtensammlung von Elizabeth Hand, die in der zweiten Buchkolumne wieder auf einige seltene Bücher eingeht. Den Abschluss macht Mark Esping mit der Vorstellung eines wirklich obskuren Werkes, das genauso skurril ist wie das Leben der Autorin.  

 Zusammengefasst ist die Sommer 2017 Ausgabe von „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ eine solide Ausgabe mit verschiedenen teilweise überraschend guten Texten, aber auch einer Vielzahl von Storys, die vor allem bekannte Prämissen nicht immer gänzlich zufrieden stellend neu oder originell erzählen. Wie immer ragen aber einige Storys vor allem von bislang unbekannten Autoren aus der Masse heraus und zeigen, dass C.C. Finlay inzwischen ein feines Gespür hat, den vielleicht unter Gordon van Gelder ein wenig eingerosteten Autorenstamm nicht nur konsequent zu erweitern, sondern den Episoden mit wiederkehrenden Helden/ Antihelden allein stehende Texte gegenüber zu stellen. Das Titelbild weist mehr auf einen Fantasy Gehalt dieser Ausgabe hin als das sie insgesamt elf Geschichten und das kurzweilig zu lesende Gedicht widerspiegeln.

     

 

 

 

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Paperback, 252 Seiten