Invaders

Peter Ward

Peter Wards Debütroman ist im Grunde die perfekte Quadratur des Kreises. Amüsant mit dem typisch schwarzen Humor geschrieben erinnert der Band an eine moderne Variation der Stoffe, die Douglas Adams sehr viel exzentrischer und überdrehter in den achtziger Jahren präsentiert hat. Stellt der aufmerksame Leser "Invaders" auf den kopf, dann fallen eine Reihe von bekannten Komponenten heraus. Da wäre die Rettung vor den bösen Außerirdischen mittels eines am Computer geschulten Genies wie in Cards "Ender" Romane. Dann wären Zeitparadoxen, wie sie nur wenige Science Fiction Autoren in dieser Form nieder geschrieben haben könnten. Der Zeittourismus als Folge der Erfindung der Zeitmaschine erinnert an eine Mischung aus den Weihnachtsspecials von "Dr. Who" und schließlich auch Connie Willis einzigartigen Romanen. Der Oberschurke ist derartig eindimensional, dass er vielen Pulpgeschichten entstiegen sein kann und der Held ist so durchschnittlich unterbelichtet, dass Wrights gegenwärtig in den Kinos laufende Science Fiction Komödie "The Worlds End" Pate gestanden haben könnte. Robert Sheckley mit seiner penetranten Analyse der menschlichen Gesellschaft und ihrer sozial kapitalistischen Schwächen dient für das Zeittourismusbüro als Vorbild, während die Reise zum Anbeginn der menschlichen und dem Ende der Dinosaurierexistenz in ihrer Erhabenheit an H.G. Wells "Die Zeitmaschine" erinnert. Und am Ende schlägt der Epilog einen Bogen zu einer der markantesten Erfindungen der "Star Trek- The next Generation" Serie.

Mit dem jungen Geoff Stamp verfügt der Roman im Grunde über die klassisch klischeehafte Karikatur eines Helden. Er gammelt nach seiner zehnjährigen Arbeit als Zeitungsausträger im Zimmer eines seiner Kunden dahin, der ihn aus Mitleid aufgenommen hat. Seine Eltern sind vor Jahren in die USA ausgewandert und haben anscheinend ihren identitätslosen Sohn einfach zurück gelassen. Geoff liebt Computerspiele und will am Liebsten niemals vor die Türe gehen. Peter Wards gibt sich sehr viel Mühe, aus Geoff einen sympathischen Verlierer im kapitalistischen Wettrennen der Gesellschaft zu machen. Rückblickend fast zu viel Mühe, denn kaum etwas ist an diesem Roman so wie es scheint. Sein "Vermieter" Fordert ihn auf, sich Arbeit zu suchen. Eine entsprechende Anzeige als Touristenführer erscheint in der Zeitung und Geoff bewirbt sich. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch kommt schneller als das Abschicken des Briefes an. Ein eindeutiger Hinweis auf ein zweideutiges Spiel. Wegen seiner großenlosen Abneigung gegen die Arbeit erhält er den Job, wie Geoff und der Leser glauben.  Er soll als Zeitreiseführer Touristengruppen durch wichtige Epoche der Vergangenheit führen. Ein lukratives Geschäft, zumal in der Zukunft mittels dieser Erfindung und einem Supercomputer die Invasion der Erde durch bösartige Aliens sowie die Zerstörung Londons soweit in die Zukunft verschoben werden konnten, dass die Menschheit vorbereitet gewesen ist.

Bei der ersten Zeitreise in die Zeit des großen Londoner Brandes fällt dem überforderten wie unscheinbaren Geoff allerdings auf, dass ein Mann der Vergangenheit ihn scharf ihm Auge hat, was eigentlich nicht sein darf.

Wie schon angesprochen versucht Peter Ward mit seinem ersten Buch auf vielen Hochzeiten zu tanzen. Die Dialoge inklusiv manch pointierter Hintergrundbeschreibung sind überzeugend und auch die deutsche Übersetzung zufriedenstellend. Mit Geoff verfügt der Roman natürlich über ein klassisches Schaf im Wolfspelz, der seine Stärken von einer Sekunde auf die andere entdeckt. Zu sehr wird er zu einem Niemand, zu einer unwichtigen Persönlichkeit abgestempelt. Diese Wandlung ist auf der einen Seite konsequent, auf der anderen Seite fehlt dem Roman auch ein wenig diese pathetisch kitschige Hommage an zahlreiche amerikanische Komödien, in denen insbesondere James Stewart vom absolut durchschnittlichsten Menschen der Welt über sich hinaus gewachsen ist. Zumindest macht Peter Ward nicht den Fehler, Geoff als Überhelden zu behalten, sondern er beginnt die Figur wieder auf den letzten Seiten zu demontieren und zu relativieren. Diese mehrfache Wandlung setzt aber einige plottechnische Konstruktionen voraus, die - um dem Epilog nicht die Würze zu nehmen - sich niemand bis auf zwei wirklich verzweifelt ehrgeizige Menschen bis zum Ende angesehen bzw. durch gelesen hätte.

Ward geht es weniger um Logik, sondern um das Vermischen von Genres. Auffällig ist allerdings, dass nicht nur die Leser und Protagonisten, sondern vor allem auch der Autor in vielerei Hinsicht überfordert scheint und die Idee des unfehlbaren Supercomputers mit einem Algorythmenproblem zu sehr vor sich hin schiebt. Zwar muss nicht jede Entdeckung oder Erläuterung für den Leser gänzlich nachvollziehbar sein, aber gegen Ende des im Mittelteil ausgesprochen ruhigen, gegen Ende dann sehr überdrehten Romans wünscht man sich ein wenig als die Entdeckung des großen Schurken natürlich an diversen Schalthebel der Macht, dessen Ziel mit Hilfe der Invasoren nicht mehr oder weniger als die Weltherrschaft sein kann und sein muss.

Um den nicht immer sympathischen, sondern nicht selten in seinem Phlegma nervenden Geoff - da helfen auch keine Anspielungen auf die grandiose Peter Sellers Komödie "Willkommen Mr. Chance" - herum hat Peter Ward eine Handvoll interessanter, aber auch funktionell charakterisierter und teilweise eindimensionaler Protagonisten herum platziert. Das reicht von der schönen Postbotin, die Geoff schließlich um eine Art von Date bittet, über die Vizepräsidentin Ruth der Zeitreisefirma bis zu seinem nicht wirklich nur an seinem Wohl interessierten Vermieter, der hinter vielen Planungen steht. Die Idee, Zeitreise mit Invasionsgeschichte als Satire aufgezogen, zu präsentieren, ist vielleicht nur nicht unbedingt neu, aber Ward mischt frech verschiedene bekannte Elemente in eine grundlegend absurde Geschichten angereichert von Charakteren, denen man zumindest gerne über die Schulter schaut.

Peter Ward greift auf einen sehr cineastischen Stil zurück. Er liebt es groß. Nicht selten kann sich der Zuschauer einzelne Szenen vorstellen. Kritisch gesprochen folgt er allerdings den Prämissen eines Douglas Adams und einer Reihe von „Dr. Who“ Episoden, bei denen auf den ersten Seiten im Grunde eine so typisch skurrile britische Gesellschaft ausführlich mit Respektlosigkeit und zynischen Humor beschrieben wird. Die alltägliche Langeweile, die Routine und schließlich der an allen Stellen spürbare Stolz auf eine nicht selbst geschaffene Geschichte sind die Grundlage, auf der Peter Ward seinen phantastischen Überbau aufbaut. Dabei geht er konsequent, aber im Vergleich zu den Erwartungen der deutschen Ausgabe – hier liegt die Betonung auf einer Invasionsgeschichte und weniger auf einem Zeitreiseparadoxon wie bei der Originalausgabe – etwas anders vor. Erst wird die Idee der Zeitreise eingeführt, dann die außerirdischen Invasoren vorgestellt. Aufmerksame Leser werden Teile des Endes erahnen, aber zumindest hat Peter Ward in seinem Epilog das letzte Wort.

Mit seiner komödiantischen Science Fiction Satire bewegt sich der Autor allerdings auch teilweise auf einem dünnen Eis. Die Außerirdischen wirken eher dumm und überfordert als das sie eine wirkliche Bedrohung der Menschheit darstellen. Hier hätte besser nachgearbeitet werden können und müssen. Zusammengefasst ist „Invaders“ allerdings für einen Debütroman eine unterhaltsame, britisch lustige Geschichte, zusammengesetzt aus vielem Bekannten, kräftig gewürzt und deswegen gut zu goutieren.       

 

Erscheinungsdatum: 
15.10.2013
Preis: 
€ 14,99 [D], € 15,50 [A], sFr 21,90
Seitenzahl: 
384 Seiten
Bindung: 
Klappenbroschur
ISBN: 
978-3-492-70313-0