Das Blut von Amber

Das Blut von Amber, Titelbild, Rezension
Roger Zelazny

Bei „Das Blut von Amber“ handelt es sich um den siebenten Roman des ganzen Zyklus, aber erst den zweiten um Merlin bzw. Merle, den Sohn Corwin von Ambers. Um es Neueinsteigern nicht nur in diesen zweiten Fünfteiler, sondern in die ganze Serie leichter zu machen, hat der Autor Roger Zelazny zwei Zusammenfassungen der Handlung eingebaut.

 Die erste kompakte Übersicht umfasst das Geschehen aus dem sechsten Roman, dem ersten mit Merlin. Interessant ist hinsichtlich der ganzen Serie, das in beiden Auftaktromanen der jeweiligen Fünfteiler Vater Corwin und Sohn Merle in im Grunde ausbruchssicheren Verließen von ihren engen Feindfreunden gefangen gehalten worden sind. Während Corwin allerdings wegen der gescheiterten Revolution gegen seinen Bruder wie der Graf von Monte Christo ins tiefste Verließ und wie der Kurier des Zaren zusätzlich geblendet eingesperrt worden ist, fällt Merlin naiv auf eine List herein und wird in einer tiefen Höhle eingeschlossen. Corwin von Amber konnte am Ende von „Die neun Prinzen von Amber“ sich mittels eines Tricks – dazu muss Zelazny die bisherige Struktur der Trümpfe eines Amber Kartenspiels aufweichen und eine weitere Möglichkeit entwickeln, zwischen den Welten hin und her zu pendeln – befreien, während Merlin zumindest bis zum Folgeroman „Das Blut von Amber“ in seinem Gefängnis ausharren muss.

 Sein Freund Luke aus der irdischen Ebene dieser verschachtelten Welt hat Merlin gefangen genommen. Luke ist der Sohn des psychotischen Brand, welche die anderen Mitglieder des Amber Geschlechts am Ende der ersten fünf Romane vernichten wollte. Zumindest die Ambers, welche die verschiedenen familiären Auseinandersetzungen überlebt haben. 

 Eine Idee aus dem vorangegangenen Buch konnte Roger Zelazny nicht zufrieden stellend erklären und auch im vorliegenden Band tut sich der Autor schwer. Auf Merle ist immer am 30. April – Walpurgisnacht – ein Attentat verübt worden. Für die meisten der Anschläge auf Merles Leben ist Luke verantwortlich. Nur hat er mit den Attentaten aufgehört und eine bislang unbekannte Person hat das Zepter übernommen. Vermutlich Lukes Mutter. Die Grundidee mit den jährlichen, so unterschiedlichen Anschlägen ist faszinierend und das ein Amber nicht leicht zu töten ist, haben die ersten fünf Roman überzeugend unterstrichen. Nur handelt es sich in den mindestens neun Fällen um Wesen, welche ebenfalls übernatürliche Fähigkeiten haben, so dass sich die Frage stellt, ob nicht ein Anschlag wenigstens Erfolg versprechend gewesen wäre. Auch wird der Frage nicht hinterher gegangen, warum Luke nichts von dem Stabwechsel wusste, denn ansonsten hätte es ja an einem der letzten 30. Aprils zwei Anschläge auf Merles Leben geben können.

 Roger Zelazny führt im vorliegenden Roman noch eine weitere Idee ein bzw. aus. Im ersten Merlin von Amber Roman hat der Autor impliziert, dass der Sohn Corwins in den USA eine Art virtuelle Realitätsmaschine als Vorläufer der gegenwärtigen Spiele entwickelt hat. Nur hat das Gerät nur bedingt funktioniert und Merlin hat von seiner Entwicklung abgesehen. In „Das Blut von Amber“ impliziert Roger Zelazny die Möglichkeit, dass eine weitere übergeordnete Intelligenz ihn durch verrückte oder skurrile Charaktere zu kontaktieren sucht. Im Bereich der Science Fantasy könnte der Leser auf eine Verbindung zwischen dieser „Maschine“ und dem übernatürlichen, außergewöhnlich begabten Wesen schließen.

 Anstatt die Spannungsschraube weiter zu entwickeln, zeigt sich schließlich diese Identität. Der Informationsaustausch auf einer quid pro quo Basis zieht sich erstaunlich lange, im Grunde viel zu lange hin. Im Grunde ist es der Kampf um das goldene Ei, denn die von Zelazny mit ohne Frage pointierten Dialogen unterstrichen dargereichten Informationen sind eher dürftig. Vor allem weil diese Intelligenz immer wieder kryptisch davon spricht, Merle schützen zu wollen, ohne auf den Punkt zu kommen. Wenn Merle diese Informationen indirekt erhalten hätte und daraus eine mögliche Schutzfunktion ableiten könnte, dann wäre dieses Verheimlichen von Fakten vielleicht noch verständlich gewesen. In der vorliegenden Fassung fragt sich der Leser relativ schnell, warum dieses Wesen keine direkten Aussagen trifft und vor allem Merle seine Motive offen deckt. Es bleibt abzuwarten, ob Roger Zelazny auf diese Geheimnistuerei noch einmal eingeht, aber in der vorliegenden Form macht sie wenig Sinn. 

 Auf den letzten dreißig Seiten zieht der Autor in unterschiedlicher Art und Weise das Tempo an. Zum einen durchbricht er die bisherige Chronologie und lässt Merle an seine Jugend am Hofe erinnern, in welcher er sich einen unversöhnlichen Feind gemacht hat, der ihn in verschiedenen Duellen zu besiegen suchte. Damit sollte sich vorläufig ein potentieller Kreis schließen, aber vielleicht selbstironisch setzt Roger Zelazny noch einen I Punkt auf seinen Plot Verlauf. Am Ende des Buches ist Merle wieder gefangen.        

 Zu den besten Passagen der ganzen Serie im Allgemeinen und selbst des ersten Merlin von Amber Romans gehörten die in der Gegenwart spielenden Passagen. Natürlich aus der heutigen Sicht fast ein verklärtes Fenster in die wilden Siebziger, in denen Moral sehr viel kleiner geschrieben worden ist. Im vorliegenden Buch wechseln sich ausgesprochen eindrucksvolle Szenen wie Merlins Spaziergang zu einem bestimmten Restaurants am Hafen, sehr intensiv beschrieben, mit aufgesetzten Kampfsequenzen ab, in denen Zelazny konfus und vor allem nicht unbedingt spannend verschiedene Abläufe beschreibt. Verzweifelt ein hohes Tempo impliziert überschlagen sich die Ereignisse nicht, ihnen fehlt eine stimmige Atmosphäre und darüber hinaus vor allem auch eine in sich überzeugende Dynamik.

 Hinzu kommt, dass Merlin im Gegensatz zum ersten Band an einigen wichtigen Stellen naiv und für den Leser nicht nachvollziehbar handelt. Er traut sich nicht Entscheidern wie dem gegenwärtigen König und seinem Onkel Random an, welche hinter die verschiedenen Muster schauen können. Luke dagegen hat nicht nur mehrmals versucht, ihn jeweils am 30. April umzubringen, er hat Merlin auch am Ende des sechsten Romans in die Höhle gesperrt. Es wäre erstaunlich, wenn Merlin ausgerechnet diesem Mann vertrauen sollte, der ihn sein Leben lang getäuscht hat. Doch genau dies passiert, ohne das Zelazny dafür eine überzeugende Begründung anbieten kann. Es gibt keinen Katalysator, kein für den Leser vielleicht nur auf den zweiten Blick erkennbares Ereignis, um diese „Wandlung“ zu erklären. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Merlin Luke auf diese Art und Weise täuschen, in Sicherheit wiegen will. Aber dazu hätte die Prämisse ambivalenter vorbereitet werden sollen. Sollte sich Zelazny wirklich in den folgenden Romanen noch für diesen Weg entscheiden, dann wäre es ein Bruch mit der bisherigen Struktur.

 Ohne Frage sind einige der Ambers unzuverlässige Erzähler und haben ihre eigenen Absichten, welche sie eher indirekt dem Leser als Zuschauer des Familiendramas mitzuteilen suchen, aber solche Wendungen sollten überzeugend vorbereitet werden. Hinzu kommt, dass Zelazny für einen derartigen kurzen Roman auf sehr viele Protagonisten und Nebenfiguren zurückgreift, welche wie bei einem Statisten ihre fünf Minuten des Ruhm haben, nicht selten einige kryptische Informationen darreichen und lange bevor der Leser sie einordnen kann, wieder ins Nichts verschwinden.

 Der Familienstammbaum der Ambers ist weit verschachtelt und im Laufe der nächsten Bücher wird der Autor noch auf einige Figuren zurückgreifen können, aber im vorliegenden „Das Blut von Amber“ hat er sich irgendwo zwischen einer stringenten Handlung, dem komplizierten, aber nicht mehr faszinierend komplexen Hintergrund und einigen falsche Abzweigungen verlaufen, so dass der zweite, ursprünglich in einer kleinen Auflage publizierte siebente „Amber“ Roman leider zu den Schwächsten des ganzen Zyklus gehört.       

  • Taschenbuch: 300 Seiten
  • Verlag: Heyne; Auflage: 1. (1995)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453080068
  • ISBN-13: 978-3453080065
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