Edgar Wallace Neue Fälle 3: Im Banne des Erlösers

Thomas Tippner

Die ersten beiden neuen Edgar Wallace Abenteuer bestanden aus Nachdrucken der Jugendbücher Dietmar Küglers, in denen Inspektor Ebenezer Pommery sich bei der Lösung seiner Fälle an den Romanen Edgar Wallace orientierte.
Thomas Tippners „Im Banne des Erlösers“ ist dagegen eine reine Hommage an Edgar Wallace. Auf den ersten Blick erscheint es unglücklich, dass Tippners Inspektor mit einem gleichfalls einprägsamen Vornamen mit Nachnamen dann ähnlich- Pommeroy - heißt. Wer die nicht ausdrücklich vom Verlag erklärte Serienstruktur dieser Reihe nicht kennt, wird nicht nur durch den Perspektiv, sondern auch den Zeitwandel irritiert sein. Dietmar Küglers Bücher spielen in der Gegenwart ihrer Veröffentlichung und greifen wie erwähnt nur auf Struktur der Edgar Wallace Romane zurück.
Thomas Tippners Buch spielt in der Zeit nach dem wahrscheinlich Ersten Weltkrieg und damit auf Augenhöhe der Edgar Wallace Originale. Der Autor bemüht sich, den einzigartigen, auf den ersten Blick fast naiven Stil der Wallace Geschichten zu treffen und gleichzeitig eine modernere Variation zu erschaffen.
Der Ausgangspunkt ist ein für den Briten klassisches Sujet. Ein Unbekannter beginnt verschiedene Mitglieder unterschiedlicher Verbrecherorganisationen zu ermorden. Er nutzt dabei eine Waffe aus dem Ersten Weltkrieg. Es handelt sich bei dem Täter um einen exzellenten Scharfschützen. Inspektor Pommeroy wird mit den Ermittlungen beauftragt. Er gibt dem immer schnell zuschlagenden Täter den Namen „Der Erlöser“. Viel schlimmer ist für den ein wenig naiven Inspektor, das es anscheinend einen Maulwurf in seiner eigenen Abteilung gibt, welcher nicht nur den Erlöser, sondern auch die Verbrecherorganisationen über den Stand seiner Ermittlungen informiert.
Hinzu kommt, dass eine sehr attraktive Journalistin anscheinend auch sehr gut über die Ermittlungen informiert ist. Gloria ist eine doppeldeutige Person, da sie in ihren Artikeln eher die Syndikate bevorzugt und die Arbeit der Polizei kritisiert. Das irritiert Inspektor Pommeroy, der sich im Laufe der Handlung ihr zugetan fühlt.
Thomas Tippner beschreibt die Journalistin wie auch die Departmentsekretärin Mary als erstaunlich moderne Frauen, die entweder versuchen, ihre Dickkopf durchzusetzen
Bis weit in die Mitte des sehr stringenten Plots folgt Thomas Tippner den etablierten Mustern, ohne seine eigene Note zu ignorieren. Wie die Verfilmungen, aber auch die Wallace Romane beginnt die Handlung mit einem Paukenschlag. Ein Mann nähert sich seinem Schwarm auf der Straße und sieht, wie sie aus dem Nichts heraus erschossen wird. Wie beim Schälen einer Zwiebel zeigt sie bei tieferen Bohren immer wieder eine neue Facette, eine Art zweite oder manchmal auch dritte Haus. Es stellt sich heraus, dass die junge Dame anscheinend eine von einem Syndikat ausgebildete Prostituierte ist, mit welcher die Chefs vor allem in Hinblick auf Politiker, Bänker oder andere einflussreiche Männer noch viel vorhaben haben.
Kurze Zeit später werden die Mitglieder zweier verfeindeter Bandenorganisationen niedergeschossen. Für das Yard stellt sich auch die Frage, ob jemand nicht nur das Feld räumen, sondern auch einen Bandenkrieg entfachen möchte.
Ab Mitte des Buches dreht sich der Plot in eine hinsichtlich des Genres nicht unbedingt überraschende, für den kurzweilig zu lesenden Roman aber interessante Richtung. Der potentielle Hauptverdächtige – dabei handelt es sich um einen ehemaligen Polizisten – wird allerdings in einer ein wenig unübersichtlich gestalteten Szene ausgeschaltet. Später besteht die Variante, dass der sogenannte Erlöser mehr als nur ein Mensch sein könnte. Am Ende wird tief in der Vergangenheit einzelner Banden gegraben und Fakten ans Tageslicht geholt, die in dieser Konsequenz noch mal ein anderes Licht auf die Handlung werfen.
Der letzte und endgültige Wendepunkte ist eine Kreuzfahrt. Im Hafen will Pommeroy einen der Reisenden abholen. Es kommt nicht nur zu einem weiteren Anschlag, an Bord des Schiffes befindet sich ein Überraschungsgast.
Ab diesem Moment handelt der Inspektor weniger wie ein Protagonist eines Edgar Wallace Romans, das Sherlock Holmes Momentum mit einer Zusammenstellung der bekannten Fakten und einer entsprechenden Extrapolation kommt zum Tragen. Pommeroy deduziert auch mehr. Ohne die gegenlaufenden Handlungen der entsprechenden Figuren wären seine These im Vakuum geendet. Aber Thomas Tippner präsentiert wie ebenfalls eingangs erwähnt einen modernen Edgar Wallace Thriller im zeitgemäßen Gewand. Daher fallen die Stücke auch zufriedenstellend bis überzeugend zusammen.
Einige rote Fäden gehen in der Hektik des stringenten, sehr kompakten Plots verloren. Bei den Motiven braucht der Autor ein gewisses Verständnis der Leser, damit dieser sie akzeptieren kann. Vor allem weil es sich auf der anderen Seite argumentieren lässt, das der berühmte Apfel dann doch nicht weit vom Stamm fällt. Das erscheint sehr simpel, ist aber notwendig, damit der Plot vor allem angesichts der verschiedenen Täterprofile und der möglichen Verdächtigen, von denen immer wieder welche rechtzeitig oder passend ausgeschaltet werden weiterhin funktionieren kann.
Zu den Stärken des Buches gehört, dass Thomas Tippner positiv auch einen kurzweilig zu lesenden Edgar Wallace Reloaded präsentiert, in dem die angesprochenen Motive der Familienbande, des seltsamen Rächers oder Täters genauso vertreten sind wie einzelne Aspekte des britischen Polizei mit ihrer Vorgehensweise, die archaisch und einzigartig zugleich erscheint.
Die Charaktere sind allenfalls solide gezeichnet. Vor allem Pommery wirkt teilweise eher wie eine Karikatur eines Scottland Yard Ermittlers den eines abgerundeten Beamten. Sein zögerliches Verhalten gegenüber Frauen wird während des Happy Ends relativiert, in dem der Autor im Gegenzug weibliche Figuren wieder bodenständiger machen muss.
Die Schurken sind inklusiv der verschiedenen Überläufer von der Polizei eher eindimensional bis pragmatisch skizziert worden. Im Grunde geht es bei einigen dieser mit Potential ausgestatteten Figuren zu schnell. Edgar Wallace hat es besser im Griff gehabt, mit wenigen fast statisch erscheinenden Beschreibungen zumindest für die Romanlänge interessante Antagonisten zu erschaffen. Von seinen Meisterleistungen wie beim Hexer oder dem Frosch mit der Maske ganz abgesehen. Strukturell mit der abschließenden zweiten Entlarvung des Erlösers ist das Buch allerdings eine wirklich gelungene Hommage an Edgar Wallace und Thomas Tippner kann gerne mit seinem Inspektor Pommeroy in einem schwierigeren Fall zu dieser Serie zurückkehren.

Edgar Wallace - Neue Abenteuer 03: Im Bann des Erlösers

www.blitz-verlag.de

Taschenbuch, 156 Seiten

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