Im 20. Abenteuer um den Weltraumtramp Earl Dumarest greift der Autor im Grunde auf alle Klischees der Serie zurück, setzt sie aber ausgesprochen effektiv ein. Eine schöne Frau in einer misslichen Lage; eine Frau, die ihre besten Jahre hinter sich hat; eine herausfordernde unwirtliche Welt mit einer sehr einfachen, die Armen ausbeutenden politischen Struktur; ein altes Frachtschiff, dessen Kapitän sich nicht an die Regeln hält; einen Arenakampf und schließlich eine fatalistische Mission, um das Geld für die nächste Passage zu verdienen.
Der Klappentext der Originalausgabe fasst falsch verschiedene Handlungsteile zusammen. Es ist sinnvoll, den trotz der angesprochenen Klischees aber sehr unterhaltsamen Roman als eine Art Rückkehr zu den markanten Strukturen der ersten Bände zu sehen, nachdem E.C. Tubb in den letzten Abenteuern ein wenig mit Länge – zwei Romane spielen auf dem gleichen Planeten – oder Inhalt – insbesondere „Menschenjäger“ zeigt eine direktere Bedrohung durch die ansonsten immer entgegen aller Logik hinterher laufenden Cyclan – experimentiert hat.
Earl Dumarest befindet sich zu Beginn des Romans an Bord eines alten Raumfrachters. Der Kapitän setzt alle Passagiere angeblich wegen eines technischen Fehlers, aber wahrscheinlich auf Weisung eines Cyclan Handlangers auf einem unwirtlichen Planeten aus, der an eine verkleinerte Version von Frank Herberts „Dune“ inklusiv entsprechender unter dem Sand lebender Monster erinnert. Die Gesellschaft ist mittelalterlich. Es gibt eine elitäre Elite bestehend aus fünf Familien, welche den ganzen Besitz unter sich aufgeteilt haben.
Die einfachen Menschen können kaum von ihrer Arbeit leben. Wer Geld braucht und Schulden aufnimmt, muss einen horrenden Zinssatz bezahlen und verliert im Grunde seine rudimentäre Freiheit. Sie müssen gefährliche Arbeiten verrichten. Wer in Rückstand gerät, wird spätestens beim zweiten Vergehen in der Wüste zum Sterben ausgesetzt. Interessant ist, dass der nachreisende Cyclan verzweifelt versucht, den Mitgliedern der dominierenden Familien Wirtschaftspolitik zu erklären und darauf hinzuweisen, dass weniger drakonische Strafen oder die Ausbeutung der Bevölkerung der Wirtschaft hilft, sondern ein faires System, von dem die Massen ein wenig, die reiche Elite aber sehr viel profitieren könnte. Natürlich stößt er auf taube Ohren. Aber der Planet scheint zu unwichtig zu sein, um ihn in den ersten beiden Schritten übernehmen zu wollen.
Am Ende überschlagen sich politisch die Ereignisse. Es gibt einen Untergrund, der gerne eine Revolution durchführen würden. Alleine es fehlen ihnen die Mittel, vor allem Waffen. Earl Dumarest stellt es zumindest in Aussicht. Aber bevor er die Veränderungen aktiv begleiten kann, wird er diese Welt verlassen.
Im Gedächtnis bleiben dem Leser die Arenakämpfe gegen ambivalent beschriebene Kreaturen, ein Kampf Mann gegen Mann in einer Kneipe und eine dekadente, Menschen ausnutzende Gesellschaft. Die einzige Chance besteht, sich in die Wüsten zu begeben und den seltenen Trannek zu sammeln. Dabei handelt es sich nicht um die singenden Juwelen, welche der englische Klappentext impliziert.
Diese kommen von einer anderen Seite auf den Planeten. Die ältere Künstlerin an Bord von Earl Dumarest Raumschiff hütet eines dieser Juwelen wie einen Schatz. Im Laufe der Handlung wird der Weltraumtramp ihr aber eine Tür öffnen. Das singende Juwel ist aber eine dieser vielen Ideen, die E.C. Tubb immer wieder in die Handlung einstreut, dann aber nicht effektiv nutzt. Nicht nur in diesem Buch.
Der Autor impliziert, dass die singenden Juwelen auch einen entsprechenden Preis fordern. Diese Idee wird angerissen. An einer anderen Stelle nutzt Earl Dumarest das Juwel, um sich zwar als eine Zwangsleihe für einen guten Zweck Geld zu erpressen. Während Dumarest auf dem unwirtlichen Planeten sein Geld mit Kämpfen oder in der Arena verdient, erspielt sie sich jeden Tag ihren Lebensunterhalt. Tubb geht allerdings mit Größenordnungen ambivalent um. Über mehrere Seiten beschreibt er, wie schwer es ist, sich jeden Tag mit wenig Einsatz am Spieltisch das entsprechende Geld zu verdienen, dann kann sie die Kaution für einen Mann stellen, der gegen eines der wichtigsten Gesetze auf dem Planeten verstoßen hat und deswegen im Gefängnis gelandet ist.
Dann gibt es noch das obligatorische Liebesverhältnis inklusiv des eifersüchtigen Mannes. Dieses Mal ist es wieder eine Künstlerin, die von ihrem „Manager“ aufgrund ihrer Schulden zu seiner persönlichen Liebessklavin gemacht werden soll. Die spielt ein gefährliches Spiel. Erst Dumarest könnte für sie zum Rettungsanker werden, nur muss der Tramp selbst erst einmal auf eine lebensgefährliche Art und Weise „Geld verdienen“, um sie auszulösen und den Planeten verlassen zu können. Im Grunde zeichnet Tubb das Bild einer Opportunistin, die sogar noch einen Schritt weiter gehen kann, also sie erkennt, dass auch ihre Engagements auf tönernen Füßen gebaut sind.
Der Cyclan ist das interessanteste Wesen dieses Buches. Immer wieder beschreibt Tubb diese Menschroboter als empathielos, die nur noch ihrem „Tod“ in das große Ganze aufgehen wollen. Sie streben nach der Herrschaft in der von Menschen besiedelten Galaxis. Aber ihre Argumentation ist angesichts der primitiven wie brutalen Welten teilweise auch schlüssig. Sie bringen nicht auf eine primitive Art und Weise den Frieden mittels überlegener Technik, sondern sie legen wirtschaftlich auch die Finger auf zahlreiche Wunden der Randwelten, die der Leser dank Earl Dumarest kennenlernt. Viele dieser Welten sind bis auf einzelne Nuancen deckungsgleich angelegt, aber im Grunde bedeutet ein wachsender Einfluss der Cyclan auch ein zurückdrängen der egoistischen Oligarchie und mehr Atemfreiheit für die einfachen Menschen.
Tubb diskutiert diesen Aspekt der Menschmaschinenherrschaft nicht weiter. Da sie ja vom Protagonisten Dumarest das Geheimnis des Identitätszwillings zurückhaben wollen, sind sie automatisch die Schurken. Nur in wenigen Romanen nimmt sich der Autor die Zeit, die unwirtlichen primitiven Welten gegen die eher ambivalent beschriebene Ordnung der Cyclan zu stellen.
Zusammengefasst ist „Web of Sand“ vor allem wegen des letzten Drittels mit der Expedition in die Wüste, das unfreiwillige Zusammenarbeiten der verzweifelten Männer und den exotischen Herausforderungen lesenswert und eine Bereicherung der ganzen Serie. In der ersten Hälfte bedient sich Tubb zu sehr verschiedenen Klischees und spielt die bekannte Klaviatur. Das Ende ist hektisch, wirkt fast zu überstürzt. Wenige Seiten vor dem Epilog könnte sich ein Leser sogar einen zweiten Band vorstellen, da der Autor noch einige Themen entweder extrapoliert und sogar mit der möglichen Revolution eine weitere Flanke aufmacht. Dann schließt E.C. Tubb den Roman aber konsequent, stoisch pragmatisch inklusiv des entsprechenden kurzen Happy Ends ab und schmeißt seine Leser förmlich von einer der interessantesten Welten, die er bislang erschaffen hat. Earl Dumarest geht erleichtert freiwillig.
Terra Astra 453
Pabel Verlag. Heftroman , 64 Seiten