Der Terraformer

Matthias Falke

Matthias Falkes alleinstehender Roman "Der Terraformer" ist nicht unbedingt in negativer Hinsicht ein Kuriosum. Neben den logisch nicht unbedingt erfassbaren Auftakt besteht der Band aus der zweiten Hälfte aus einer Reihe von rasanten Actionszenen und einer Schnitzeljagd durch ein archaisch erscheinendes Universum, das inhaltlich so hart man es auch aussprechen muss, keine einzige wirklich originelle große Idee beinhaltet. Hinsichtlich der finalen Auseinandersetzung zeichnet sich der Rahmen so weit ab, dass die Vorlagen von Piepers "Space Vikings" über "Prinz Eisenerz" bzw. die Ritterfilme der fünfziger Jahre bis zu den pulpig romantischen Abenteuerromanen reicht. Trotz dieser zahlreichen bekannten Versatzstücke überzeugt der Roman durch spritzige Dialoge, die teilweise mit ihren Doppeldeutigkeiten an bekannte Screwball Komödien erinnern. Am Ende fühlt sich der Leser solide und erfrischend ehrlich unterhalten, auch wenn die Vorgehensweise Matthias Falkes, einen Roman aus gebrauchten Ersatzteilen zusammenzubauen, offensiv provokant ist. 

McCoy ist ein Terraformer für eine überall im All vertretene Gesellschaft. Alleine setzt er auf einem abgelegenen Planeten die Grundlagen, aus denen über mehrere Stufen schließlich ein für den Menschen bewohnbarer "Planet" entstehen soll. Angesichts des Aufwandes, der in anderen Serien und Romanen für die Umgestaltung von Planeten betrieben wird, erscheint wie schon eingangs erwähnt diese Idee absurd und wenig produktiv. Trotzdem kostet das  Projekt Hunderte von Millionen und durch die Isolation McCoys ist der Erfolg in mehrfacher Hinsicht gefährdet. Ein einziger Unfall des Terraformers wie im Verlauf der Handlung beschrieben könnte die "Investition" zur Seite wischen. Auch scheint es zweifelhaft, das von einer Stelle ausgehend - McCoy hat keine flugfähigen Geräte - ein ganzer Planet umgebaut werden kann. Vieles wirkt wie eine romantische traumhafte Beschreibung des Geschehens. Schiebt der Leser die Logik zur Seite ist McCoy ein älterer, aber nicht alter Mann, der nachdem seine Ehe zu einer Fernbeziehung geworden ist und vor allem seine Söhne aus dem Haus sind, in der Einsamkeit sich sehr wohl fühlt. Matthias Falke beschreibt seine ersten Arbeitsschritte, bevor aus dem Nichts heraus ein Mann zu seinem Lager tritt und um Hilfe bittet. Ohne viel über den Hintergrund von Roderick zu wissen, nimmt er ihn auf. Sie arbeiten gemeinsam am Projekt und langsam erfährt McCoy dessen Geschichte. Er stammt von den am Rand gelegenen Erzwelten, wo anscheinend eine den Wikingern entstammende, nordische Kultur mit den Aussiedlerschiffen angelandet ist. Im Verlaufe des Romans wird der Leser diese verschiedenen, aus der Erdgeschichte bekannten Gebräuche näher kennenlernen. 

Roderik ist in der Wolfszeit. Da er im Ehrenkampf mit einer natürlich hinterhältigen, neureichen Familie unehrenhaft besiegt worden ist, wurde er auf einem unbewohnten Planeten ausgesetzt. Sollte er sich innerhalb eines Jahres wieder zu den Erzwelten bei den Randwelten durchkämpfen, wäre seine Verbannung aufgehoben. Nur gibt es jetzt zwei Probleme. Zum einen wurde anscheinend durch die Existenz von McCoy der Planet nicht ordentlich genug ausgesucht, so dass eine erneute Verbannung bei dessen Rückkehr möglich ist und zum zweiten muss Roderik seine Ehre wieder herstellen, bevor seine Frau aus der Not heraus den Erzrivalen heiratet. McCoy stellt ihm schließlich seine Rettungskapsel zur Verfügung, damit er den Planeten verlassen kann. Kaum alleine tauchen Roderiks Feinde auf, die inzwischen ihren Fehler bemerkt haben und nehmen den Terraformer mit. Im Verlaufe seiner Reise wird er Roderiks burschikose wie attraktive Frau Ragna kennenlernen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Roderik, um ihn vor den Fallen der Feinde zu bewahren. 

"Der Terraformer" verfügt über einen ausgesprochen lesenswerten Auftakt. Der ein wenig skurrile, aber sympathische McCoy wird eher durch seine Handlungen denn aus der Distanz charakterisiert. Weitere Informationen zu allen Hauptfiguren erfährt der Leser in den wenigen ruhigen Passagen des Romans. Sie relativieren die Sperrigkeit der einzelnen Figuren und machen diese deutlich sympathischer, dreidimensionaler und positiv wie negativ gegenwärtiger als es eine in der fernen und doch vertrauten Zukunft spielenden Geschichte erwarten lässt. Vielleicht wirkt die Charakterwandlung des nicht unbedingt weltfremden, aber gerne isoliert lebenden Terraformers zu einem scheuen, aber erfahrenen Mann, einem Schlitzohr in Sachen Befreiung und vielleicht sogar einem Computergenie vor der finalen Auseinandersetzung ein wenig zu glatt, zu fließend und im Vergleich zum Plot auch zu opportunistisch, aber dank des hohen Tempos der zweiten Romanhälfte fällt das weniger auf. Matthias Falke geht auf die akribische Arbeit des Terraformers ein und mit dem Auftauchen des fleißigen, aber schweigenden Roderik als eine Art Freitag zum freiwilligen Robinson Crusoe bauen sich ausreichend Rätsel und Fragen nicht nur in McCoy, sondern auch dem Leser auf. Vielleicht ist es Zufall, dass der ehrliche, einfache Roderik so gar nicht den typischen "Klischees" entspricht und man hinter seinen freundlichen/ dankbaren Handlungen deutlich mehr böse Absichten vermutet als es tatsächlich der Fall ist. Diese Männerfreundschaft entwickelt der Autor mit viel Liebe zum Detail ohne in den Bereich des Kitsches abzugleiten.

Später wird sie durch die kameradschaftliche Beziehung zwischen Ragna und McCoy ergänzt. Diese bewegt sich auf dem Niveau der amerikanischen Screwballkomödien, in denen es trotz manches Altersunterschiedes eine gegenseitige aber platonische Anziehungskraft gibt. Von Vater/ Tochterverhältnis kann man nicht sprechen. Diese Reisen mit Ragna öffnen McCoy stellvertretend für den Leser auch den Blickwinkel auf die wie schon angesprochen aus zahlreichen Wikingergeschichten bekannte Kultur der Erzwelten.

Die temperamentvolle, vielleicht auch ein wenig schwierige, aber niemals richtig zickige Ragna beschreibt Matthias Falke ausgesprochen ambivalent und nuanciert. Er ist sich nicht zu schade, in einigen Abschnitten seines Romans auf die klischeehaften Facetten der Weiblichkeit zurückzugreifen, während die Mutter zweier Kinder und stolze Nachkommin eines der ältesten Klans der Erzwelten nicht selten als pragmatisch opportunistisch dargestellt wird. Keine richtige Amzone oder nur Kriegerin, sondern eine Frau mit zahlreichen Stärken, einige Schwächen, einem sehr wachen Verstand und einer lockeren, für die besten Einzeiler dieses Buches verantwortliche Frau. Leider verfügt der Roman über einen charismatischen Schurken, sondern natürlich den verzogenen arroganten Sohn eines aufstrebenden Klans, der sich die Gesetze hinbiegt und beim Zweikampf schummelt. Es ist schade, dass Matthias Falke sich bei den Nebenfiguren nicht mehr Mühe gegeben hat, so dass die Offenbarungen während der abschließenden Versammlung eher theatralisch als emotional erscheinen. Auch entkommen McCoy und Ragna den verschiedenen Hürden auf ihrer Reise zu schnell.

Handlungstechnisch macht Matthias Falke bei der Konzeption des Buches vieles, wenn nicht alles richtig. Verschiedene exotische Schauplätze unterschiedlicher kultureller Ebene vom verlassenen Tempel bis zur gigantischen Raumstation, von der Ting Stätte bis zur angesprochenen noch formenden Welt. Die Technik wird griffig und für den Leser nachvollziehbar beschrieben. Durch die abwechselnden Hintergründe liest sich der Roman ausgesprochen unterhaltsam und ohne negativ zu klingeln leicht.

Auf der anderen Seite sind aber viele Versatzstücke schon aus den eingangs angesprochenen Werken bekannt und nur selten erscheint die grundlegende Handlung von den gut charakterisierten Figuren abgesehen und den interessanten Auftakt abgesehen wirklich originell. Zu oft wünscht sich der Leser eine wirklich für „Der Terraformer“ einzigartige Wendung der Ereignisse und zu weit im voraus kann er viele nicht unbedingt Kleinigkeiten erkennen. Insbesondere das finale Zusammentreffen aller Parteien muss hier herausgehoben werden. Wie mechanisch es trotz der gut geschriebenen Dialoge abläuft, ist eine Enttäuschung. Manches erinnert an einen Roman aus den dreißiger bis fünfziger Jahren. Mit ein wenig Ironie oder vielleicht ein/ zwei Wendungen hätte dieser eigentliche Höhepunkt des Buches interessanter und vielschichtiger werden können, aber der Autor verschenkt das Potential.

Zusammengefasst ist „Der Terraformer“ ohne Frage ein oberflächlich unterhaltsamer Roman mit einer flotten Handlung, guten Charakteren und leider dem nicht ausgeschöpften Potential zu mehr.   

 

Titelbild: Timo Kümmel
A5 Paperback. ca. 300 Seiten, ISBN 978-3-86402-189-3
Atlantis- Verlag