Heliosphere 2265- Band 27 "Der letzte Gefangene"

Andreas Suchanek

In seinem Nachwort spricht Andreas Suchanek von seiner „3-6-12“ Struktur, an die sich der Leser inzwischen gewöhnt haben müsste. Im dritten Band jedes Zwölfer Zyklus kommt es zu einem Paukenschlag. In dieser Hinsicht verfügt „Der letzte Gefangene“ hinsichtlich seiner Identität ohne Frage über ein Überraschungsmoment. Es taucht ein Antagonist aus den letzten Miniserien wieder auf, der das politische System deutlich durcheinander bringen wird. Gleichzeitig könnte der Gefangenenaustausch gegen die Daten einer Brutwelt mit den Parliden einen der interessantesten und originellsten Handlungsarme der ganzen Serie beenden. Die Parliden bringen ihre Sklaven zurück und suchen dank der Verhandlungen einen vielleicht brüchigen Schulterschluss mit den Menschen auch gegen die Gefahr der Alten. Es ist der vorläufige Abschluss eines sich lange durch die Serie ziehenden Handlungsbogens.

Es ist aber nicht der einzige Höhepunkt des vorliegenden Romans, der vor allem auf der zwischenmenschlichen Ebene sowie hinsichtlich Jaydon Cross Karriere einige Reibungspunkte anbieten könnte.

Im Gegensatz zu vielen anderen Science Fiction Serien macht Andreas Suchanek seinem wichtigsten Helden, seiner wie die Öffentlichkeit ihn sieht Galionsfigur klar, dass er über den Rang eines Kommandanten hinausgehend mehr Verantwortung tragen und einzelne Aktionen einstellen muss. Das Ziel, sein ehemaliges Besatzungsmitglied Alpha 365 vor dem Virus der angreifenden von der Stimme Tess Kensingtons angeführten Ash´Gul`Kon zu retten. Dazu sucht er in einem von den Zukunftsrebellen noch überraschend lange gehaltenen System nach freiwilligen Spendern, denen seine Ärztin Irena entsprechende Proben entnehmen kann. Im Zuge dieser Mission muss er lernen, dass um das Leben eines Menschen zu retten, die Verantwortungen anders liegen müssen und schließlich seine Vorgesetzten in der Hoffnung auf relevante Informationen Offiziere opfern. Dieses Thema persönliche Verantwortung, Loyalität und schließlich auch Opferbereitschaft durchzieht insbesondere den vorliegenden Roman deutlich stärker als die letzten Bände. Es ist schön zu lesen, dass Jaydon Cross trotz seiner erfolgreichen Mission, die actiontechnisch allerdings ein wenig zu pragmatisch passend beendet worden ist, zur „Verantwortung“ gezogen und schließlich mit seiner ersten Offizieren und inzwischen ebenfalls Kommandantin Ishida wieder zusammentrifft. Andreas Suchanek nutzt dabei die klassisch klischeehafte Ausgangssituation einer ausschließlich beobachtenden Mission Cross, um über die Befehlsstrenge zu schlagen, das Virus für Alpha 365 zu isolieren und trotzdem mit heiler Haut zurückzukehren. Im Vergleich zu anderen Serien gelingt das nur bedingt, so dass die Konsequenzen mental wie körperlich spürbar sind. Vielleicht unterwirft Andreas Suchanek seinen Jaydon Cross ein wenig zu sehr und zu pragmatisch einem weiteren Lernprozess, den er in seiner Ausbildung schon verinnerlicht haben müsste, aber zumindest die Abwägung der einzelnen Risiken und nicht das klassische Happy End heben den Roman auf dieser Handlungsebene deutlich aus der Masse anderer Serien tragisch und teilweise emotional ansprechend heraus.  

Mit der deutlich älteren, aber in vielerlei Hinsicht erfahrenen Jane Winton wird ein neues Besatzungsmitglied hinzugefügt. Die Einstellungsgespräche sind überraschend pointiert geschrieben und wenn die attraktive wie selbstbewusste Kandidaten auch noch über eine in eher erotischer als verschwörerischer Hinsicht über eine Vergangenheit verfügt, dann wirkt die Figur abgerundeter als einige der anderen „Hyperion“ Besatzungsmitglieder, die Andreas Suchanek erst im Verlaufe der ersten Ministaffel dreidimensionaler entwickelt hat. Da aber nicht alles nach dem Zufallsprinzip funktioniert – siehe auch hier die hintergrundtechnischen Verflechtungen, die schließlich zur bekannten Konstellation führten – hat Jane Winton ein weiteres Asss im Ärmel. Obwohl sich die Rebellen inzwischen eine brüchige parlamentarische Demokratie aufgebaut haben und der Diktator Sjöberg entschwunden ist, hat der Leser an keiner Stelle das Gefühl, als gäbe es wirklich Frieden. Zu konträr stehen sich die Politiker gegenüber und vor allem zu paranoid unabhängig von der Bedrohung durch Tess Kensington und ihre wilde Bande scheint die Menschheit eingestellt. Weitere Komplexität erhält dieser Handlungsbogen durch zwei interessante Aspekte. Da wären zum einen die Erkenntnisse, welche Cross und Doktor Petrova nach langer Zeit wieder in einer aktiveren Rolle auf dem kleinen Mond herausgefunden haben. Wie bei den Parliden wird diese anfänglich absolut fremde Spezis mit ihrer ehemals menschlichen, inzwischen an eine sprechende Verwandte von „Species“ erinnernden Tess nach und nach entblättert. Das gleich zweimal die „Fremden“ in einem Band so unterschiedlich eine Rolle spielt, ist rückblickend nicht nur interessant, sondern unterstreicht auch die Vielseitigkeit seines Universums. Weiterhin wird Cross auf der einen Seite wieder und immer wieder zu möglichen Brennpunkten bei einem unglaublichen Verschleiß von Raumschiffen und Beibooten geschickt, trotzdem nimmt ihn Andreas Suchanek zumindest in der Theorie auch aus der herrschenden Verantwortung direkter Einsätze heraus und lässt ihn eher Pyrrhussiege erringen.

Im Vergleich zum Vorgängerband erscheint „Der letzte Gefangene“ intensiver, dramaturgisch sehr viel überzeugender strukturiert und spannungstechnisch effektiver gestaltet. Der Cliffhanger bringt eine fast vergessene Figur wieder zurück, die ohne Frage das nach Sjöbergs Abgang politisch paranoide Vakuum füllen wird. 

   

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 3590 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 119 Seiten
  • Verlag: Greenlight Press; Auflage: 1 (30. März 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00VE3B51U