Perry Rhodan Neo 101 "Er kam aus dem Nichts"

Michael Buchholz, Perry Rhodan Neo 101 "ER kam aus dem Nichts", Rezension, Thomas Harbach
Michael Buchholz

Mit Band 101 ist die Exposeredaktion zu Rüdiger Schläfer und dem Autoren des vorliegenden Bandes Michael Buchholz gewechselt. Auffällig ist neben der Kennzeichnung der laufenden Zyklen auf dem Titelbild auch die Zehnerstaffel statt den bisherigen aus zwölf Taschenheften bestehenden Miniserien. Als Autor hat Michael Buchholz die in diesem Fall sehr undankbare Aufgabe, die Leser auf die Höhe der Zeit zu bringen. Vielleicht wäre eine Chronik als Kapitaleinleitung besser geeignet, aber insbesondere zu Beginn zeigt sich, dass Michael Buchholz eher ein durchschnittlich begabter Autor ist, der sich in Erklärungen und Nebensätzen verfängt; der wie Rainer Castor anscheinend Absatzweise technische Daten zu Lasten der Geschmeidigkeit des Plots zitiert und auch dialogtechnisch eher sparsam mit Emotionen umgeht. Erst in der zweiten Hälfte des Taschenheftes fängt sich der Autor und dank des stringenteren Plots baut er eine nachhaltige Spannungskurve auf. 

Auch wenn der Paukenschlag mit dem aus dem Nichts kommenden Freunden lange im vorliegenden Taschenheft auf sich warten lässt, versuchen die beiden Exposeautoren neben dem Zeitsprung einige wichtige Fakten aus der Erstauflage an Land zu holen. Auffällig ist, dass Perry Rhodan anscheinend unwissentlich eine Zelldusche erhalten hat und damit zu den semiunsterblichen Menschen gehört. Der im Sonnensystem in einem Wrack auftausende Fremde dagegen trägt einen Zellaktivator und erkennt umgehend Unsterbliche. Hier werden die Autoren die Fakten hinsichtlich des lange vergangenen Zeitraums in den nächsten Bänden aufarbeiten. Aus der alten Serie ist die Idee übernommen worden, dass Perry Rhodan und Throa nicht nur glücklich seit mindestens dreizehn Jahren verheiratet sind, sondern natürlich auch einen Sohn namens Thomas Cardiff haben. Ob dieses Element aus der alten Serie wirklich übernommen werden muss, da Perry Rhodan ein abwesender Vater und Thora trotz ihrer Tätigkeit als Botschafterin für Arkon die bewundernde verständnisvolle Mutter sind, ist Geschmackssache. Hinsichtlich ihrer Stellung als Verbündete der Menschen im Kampf gegen die Besatzer und jetzt von Arkon bestellte Botschafterin bleiben Zweifel. Da haben die Exposeautoren nicht nachgedacht, zumal es mit Arkon eher einen brüchigen Frieden gibt. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Thora dieses Amt übernimmt. Der Fürsorger wäre ein besserer Charakter gewesen. 

Eine Schwäche der alten Serie haben die Autoren aber ausgebügelt. Perry Rhodan ist „nur“ noch Protektor des Solaren Systems, wobei diese Rolle ausgesprochen ambivalent erscheint. Er kann zu allen Brennpunkten fliegen und Einsätze übernehmen. Homer G. Adams agiert eher als Administrator und weiser „Herrscher“ über die Erde im Hintergrund und zieht außerhalb von intergalaktischen Krisen wie zu Beginn des Plots die politischen Fäden. Als Minister und Verteidiger des Sonnensystems muss er nicht im Parlament sitzen, sondern ist direkt, aber eher mittelbar Homer G. Adams unterstellt. Diese Zweiteilung ermöglicht es Rhodan wie am Ende des Taschenheftes angedeutet und im nächsten Band ausgeführt, in die Tiefen des Alls vorzudringen.

Der Mars ist weiterhin von überwiegend ehemaligen Deportierten bevölkert. In der Borsch Ära ist aber deutlich gemacht worden, dass die Arkoniden die Menschen deportiert haben. Michael Buchholz und Rüdiger Schäfer fallen keine stichhaltigen Argumente ein, warum die Menschen auf dem Mars bleiben sollen. Es herrschen angeblich Wild West Bedingungen und dieser Mangel an Ordnung missfällt der Obrigkeit. Wahrscheinlich versuchen die Autoren mit diesen Ideen vom klinisch reinen Image der alten Serie abzurücken, sie bedienen aber auch fleißig Klischees. Da die Menschen die Raumflotte vom Asteroiden Vulkan übernommen und ausgebaut haben, haben sie die Raumschiffe quasi terranisiert. Während in der Erstauflage sich Rhodan Schiffe organisiert hat, sind sie in der „Neo“ Serie mit dem gleichen Endresultat gefunden worden. Unbeantwortet bleibt die Frage, warum die Arkoniden trotz dieser inzwischen über einhundert Raumschiffe mit der Erde Frieden gemacht haben. Bedenkt man die Ausdehnung des Imperiums und deren militärische Macht erscheint diese Prämisse nicht wahrscheinlich genug, zumal die Bedeutung des Sonnensystems im intergalaktischen Ringen plötzlich vernachlässigt wird.  Neben den Neuentwicklungen ist aber der Hinweis auf ein Geheimprojekt wichtig, da sich Merchant auf die Invasion durch die Maahks wie das Imperium vorbereitet, auf der anderen Seite agiert Perry Rhodan dann plötzlich überrascht und fast hektisch, als diese dunkle Vorahnung einzutreffen scheint.    

Michael Buchholz hat den Handlungsarm dann auf zwei im Grunde miteinander verbundene Spannungsbögen aufgeteilt. Im Sonnensystem materialisiert anscheinend ein Maahk Wrack. Michael Buchholz hat ein eher klischeehaftes Auftaktszenario zur Verfügung. Wie oft sind plötzlich unerklärlicherweise – immerhin hat Perry Rhodan das Sonnensystem inzwischen schützen lassen -  Objekte aufgetaucht, die Unheils schwanger weitere Entwicklungen angedeutet haben? Diese Vorgehensweise ist ohne Frage opportun, der Leser wird direkt ins Geschehen gezogen, aber spätestens seit der Jubiläumsnummer 2500 der Erstauflage ist es auch ermüdend, den gleichen Schemata zu folgen. Mit dem geheimnisvollen Humanoiden auf der Krankenstation im Inneren des Raumschiffwracks mit Sauerstoffmaske und Zellaktivator wird gleich ein potentieller Erzähler eingeführt.  Hier übertreibt es dann Michael Buchholz. Weniger wegen der körperlichen Eigenschaften – zwei Herzen, vielleicht ein Planhirn -, sondern auch wegen der Tatsache, dass er erst mittels eines Transmitters zur Erde gebeamt worden ist, wo er sich drei Stunden aufgehalten hat. Unabhängig von diesem Exkurs und dem teilweisen Gedächtnisverlust haben Rüdiger Schäfer und Michael Buchholz  das Mitglied einer fremden Rasse erschaffen, die sich mit der bronzenen Haut und den violetten Augen sowie den schon aufgeführten Merkmalen wie eine Mischung aus verschiedenen Komponenten der alten Serie zusammensetzt und trotzdem zumindest teilweise originell erscheint. Dazu der Hinweis, dass auch die Maahks sich nicht auf der kriegerisch sicheren Seite befinden. Michael Buchholz beschreibt das alles sehr solide, aber auch ein wenig mechanisch.

Parallel wird in einer ein wenig interessanteren Nebenhandlung eine Expedition in den roten Fleck des Jupiters beschrieben. Der exzentrische Physiker Eric Leyden sieht eine Chance, durch das Auftauchen des Objektes und einer möglichen Dreierpeilung eben mit einer kleinen Besatzung an Bord einer Space Jet den roten Fleck zu erkunden. Dabei muss er schließlich seine fliegerischen Fähigkeiten nutzen, um den sich nicht naturgemäß verhaltenden Windströmungen in der Atmosphäre des Jupiters zu entkommen, Beobachtet haben sie anscheinend im Zentrum des roten Fleckes eine Pyramide, die künstlichen Ursprungs erscheint. Die Szene gipfelt in einem Angreif einiger Maahks Raumschiffe, die anscheinend wie das Wrack aus dem roten Fleck mittels eines gigantischen Transmitters – hier fällt Lesern der Altserie spontan der Sonnentransmitter allerdings ohne Empfangsstation ein – im Sonnensystem materialisieren und ein unbewaffnetes Forschungsschiff angreifen. Mit Mühe kann Eric Leyden ein zweites Mal einer schwierigen lebensbedrohlichen Situation zumindest vorläufig entkommen. Die mechanische Handlung wird durch die exzentrischen Charaktere, ein wenig überzeichnet und deswegen nicht unbedingt dreidimensional relativiert. Vor allem wirken die Dialoge auf dieser Handlungsebene nicht nur deutlich spritziger und nuancierter, es fehlt die lähmende Theatralik der anderen Rhodan Handlung, in der Michael Buchholz zu oft die Besonderheit der ganzen Entwicklung betont und vor allem mit seinen Erklärungen kaum nachkommt.

Rüdiger Schäfer und auch Michael Buchholz haben direkt und indirekt immer wieder herausgestellt, dass sie „Neo“ als Neuinterpretation der Erstauflage sehen. Bis auf einige wenige Exzesse wie die geheimnisvolle Zelldusche in geistiger Abwesenheit des Protagonisten haben sie sich mit diesem soliden Auftaktroman bemüht, zur Bodenständigkeit der Erstauflage zurück zu kehren und den mystischen Überbau fallen zu lassen. Keine Kosmokraten, keine Allianz. „Er kam aus dem Nichts“ hat angesichts des direkt erzählten Inhalts eine zu lange Exposition und Michael Buchholz wird auch stilistisch nicht mit allen Handlungsteilen wirklich warm, aber zusammenfassend ein Minizyklusauftakt, der neugierig macht und dabei teilweise positiv den Flair der alten Serie behutsam modernisiert repräsentiert.  

 

Pabel Verlag, Taschenheft

160 Seiten

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