Perry Rhodan Planetenroman 49/50 "Der programmierte Attentäter" "Tempus Fugit"

Perry Rhodan Planetenroman 49/50, Titelbild, Rezension
Uwe Anton

Der Jubiläumsband der Perry Rhodan Planetenromane 49/ 50 besteht neben dem Nachdruck des Romans „Der programmierte Attentäter“ aus einer eigens für diese Ausgabe zusammengestellten Anthologie von Kurzgeschichten, die Uwe Anton im Laufe der Jahre in verschiedenen Magazinen oder Jahrbüchern veröffentlicht hat.

 Der Roman „Der programmierte Attentäter“ leidet auf den ersten Blick unter seinem Thema. Wie der berühmte Willi Voltz Band „Ich, Rhodans Mörder“ wird der Leser keinen Augenblick glauben, dass das Attentat auf den sich auf einem Staatsbesuch befindlichen Perry Rhodan erfolgreich sein kann. Handlungstechnisch bezieht der Roman seine Spannung nur aus der Tatsache, wie und wo es verhindert werden könnte. Uwe Anton versucht hier eine Dynamik zu erzeugen, die im Grunde nur bedingt Ziel führend ist. Was den Roman aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen aus der Masse heraushebt, sind zwar so konträre Aspekte, das der Leser zumindest in einer Hinsicht fast ein Diagramm zeichnen muss, um die Zusammenhänge zu verstehen. Im Epilog wird schwarz und weiß wie es sich für einen paranoiden Politkrimi gehört aufgelöst. Alles wird grau. Die potentiellen Hintermänner unabhängig vom programmierten Opfer sind nicht unbedingt die Interessengruppen, auf welche der Leser sofort kommt. Und selbst die Solare Abwehr schaut nicht nur passiv bei diesem Spiel zu, sondern versucht das Chaos zu nutzen, um selbst an das Ziel zu kommen, das Perry Rhodan mit seinem Staatsbesuch ebenfalls zu erreichen sucht. Der Plan scheint perfekt zu sein. Alleine die Ausgabe in einem Restaurant animiert durch die schönen Augen einer Kellnerin und aufgrund dieser einzigartigen Kultur auf dem Planeten Ruppert sorgen für die ersten Stolpersteine. Mit fast sadistischen Vergnügen geht Uwe Anton im Zeitraffer den Plot noch einmal nicht nur vor den Augen des staunenden Lesers, sondern wichtiger Beteiligter durch, um festzustellen, das nichts mehr so ist, wie es einmal erschienen ist. Selbst die wahre Identität des Attentäters – Klon oder Original – bleibt lange im Verborgenen.

 Die zweite Stärke des Buches ist die seltsame Kultur, die sich auf Rupperts Welt ausgebildet hat. Vor vielen Jahren ist der Sektengründer Ruppert mit seinem Gefolge zu einem Planeten ausgewandert, der nur über einen Kontinent und neunzig Prozent Wasser verfügt. Das Credo der Sekte ist tatsächlich „Gehet hin und mehret Euch“, was zu einer katastrophalen Überbevölkerung in einem fast kommunistisch anmutenden System geführt hat. Die Häuser werden immer höher, die Sektoren mehr und mehr voneinander getrennt und die grundlegende Idee ist es, um keine Zeit mehr zur Parkplatzsuche zu verschwenden – hier zeichnet Uwe Anton mit einem breiten Pinsel Schreckensszenarien von Familien, die sich beim immer in Bewegung befindlichen Auto abwechseln müssen, da es keine Parkplätze mehr gibt – Arbeit und Privatleben in einem Hochhaus zu kombinieren. Uwe Anton zeigt eine politische Fraktion, die stoisch an den alten Gesetzen festhält und eine Bevölkerung, die sich im Schatten dieser Dogmen wie die Kaninchen vermehrt. Fünflinge werden gefeiert, obwohl nur drei Kinder erwartet worden sind. Verkehrschaos, Staus, bizarre Ausflüge an den See; junge Frauen, die verzweifelt nach potentiellen Vätern und nicht mehr Ehemännern Ausschau halten. Und dazwischen ein programmierter wahrscheinlich geklonter Attentäter auf der Suche nach einem Weg, rechtzeitig am Flugplatz an zu kommen. Uwe Anton hat mit Hintersinn sehr viel Spaß, diese außer Kontrolle geratene und trotzdem fanatische Gesellschaft zu beschreiben, in dem er einige Exzesse vor allem der achtziger und neunziger Jahre extrapoliert hat.    

 Vor allem die Nebenfiguren – Familienväter mit Affären, die anscheinend nicht unbedingt der Reproduktion dienen oder die Agentin Bridget Märchtehn der Solaren Abwehr – sind ausgesprochen dreidimensional beschrieben worden. Aber Uwe Anton hat noch einen Pfeil im Köcher. Durch den bodenständigen Impuls – die Sonnenstrahlung -  ist nicht nur die dem Glauben entsprechende Vermehrungsrate in die Höhe geschnellt, die Menschen fühlen sich stark mit ihrer Welt verbunden und eine Aussiedlung zu anderen Welten führt zu starken Entzugserscheinungen, so dass Perry Rhodan bei einer Neuausrichtung dieser Welt auch dieses Problem in den Griff bekommen muss, was aber pragmatisch mit einem Satz abgehandelt wird.

 Zusammengefasst liest sich „Der programmierte Attentäter“ trotz der eher stringenten, aber nicht besonders originellen Handlung vor allem aufgrund der dreidimensionalen Protagonisten und dem interessanten, exotischen Hintergrund auch heute noch sehr flott und gewinnt auf den letzten Seiten an nicht mehr vermuteter Dynamik.

 Der fünfzigste Planetenroman ist in dieser Form eingangs für die Zaubermond Edition zusammengestellt und von Rainer Nagel ausführlicher als sonst kommentiert worden. Der Band enthält neun Kurzgeschichten, die chronologisch mehr als die Geschichte der Menschheit umfassen. Acht dieser Text sind schon entweder in Conbüchern, einer Anthologie zum Traversan Zyklus oder in der Zeitschrift "Sol" der "Perry Rhodan Fanzentrale" publiziert worden. Jede dieser Geschichten ist einem der verstorbenen Perry Rhodan Autoren gewidmet, wobei sich Autor Uwe Anton bemüht hat, vor allem thematische Bezüge zu den Schwerpunkten im Werk des jeweils auf diese Weise Gewürdigten zu finden. Schon die erste Geschichte "In den Augen tausend Sterne" nimmt nicht nur die vor mehr als fünfzehn Jahren veröffentlichte "Traversan" Handlung wieder auf, sondern würdigt im Kleinen des vor allem hinter den Kulissen inzwischen unverzichtbare Werk Arkoniden Experten Rainer Castor. Die bittersüße platonische Liebesgeschichte zwischen Atlans späterer Gefährtin in der erste Miniserie Tamarena da Traversan, die auf dem Weg zu ihrer Ausbildung nach Arkon sich in einen Sternenprinzen mit zwölf Jahren verliebt. Beide sind Außenseiter, beide sind Mutanten. Doch während sie stoisch alles abblockend das Jahr im Arkonsystem "überlebt", verliert ihr anfänglicher Begleiter seinen Lebenswillen. Uwe Anton legt in diesem melancholischen Text sehr viel Wert auf die Entwicklung seiner Figuren und insbesondere Fans der "Traversan" Geschichten werden viele frühe Bezüge in der Protagonistin wieder erkennen, während der nur bedingt technische, sondern fast phantastische Hintergrund des Flugs nach Arkon fast konträr zur ansonsten technokratischen Welt perry Rhodan erscheint.  

 Die Titelgeschichte „Tempus Fugit“ spielt nicht nur irgendwo zwischen dem „Meister der Insel“ Zyklus und zweitausendfünfhundert Jahre später, sie ist auch Walter Ernsting gewidmet. Wie kaum ein anderer Autor konnte er tragische Nebenfiguren wie Hope Schwag - vielleicht auch eine Anspielung auf einen der inzwischen von uns gegangenen Altfans ? – entwerfen, die wie Rainer Nagel und Uwe Anton schreiben, nicht mal an der Seite von Gucky auf einem heldenhaften Einsatz einen Eintrag im Geschichtsbuch erhalten haben. Unglaublich viele Erinnerungen werden vor den Augen der Fans vorbeiziehen, die den „Meister der Insel“ Zyklus immer noch für einen frühen Höhepunkt der Serie halten. Im Gegensatz zur fliehenden Zeit, die Hope Schwag gefangen gehalten hat, ist die „Perry Rhodan“ immer „jung“ geblieben und geschickt verbindet Uwe Anton Vergangenheit und Gegenwart. Noch mehr in dem Beitrag, der als Beilage zum „Perry Rhodan“ Roman 2000 erschienen ist. Ein Attentat ist in „Anschlag auf die Residenz“ geplant und eine Geheimagentin soll als Touristenführerin den Attentäter ausfindig machen. Auf den Leser kommt sehr viel Geschichte und eine kurze, ein wenig konstruiert erscheinende Pointe zu. Aber alleine die Geschichte der „Perry Rhodan“ Menschheit in dieser kompakten Form als Einstieg für neue Leser gedacht verbindet den Plot mit „Tempus Fugit“ und zeigt, wie kompakt wirklich diese Chronik der Menschheit ist. Während Uwe Anton „Anschlag auf die Residenz“ Ernst Vlcek und seiner langjährigen Exposearbeit gewidmet hat, gehört „Der Anfang“ dem ebenfalls sehr früh verstorbenen Robert Feldhoff, dessen Hauptwerk und vor allem eine seiner interessantesten Schöpfungen in dem Epilog zur terminalen Kolonne einen kräftigen Widerhall finden. Auch in Hinblick auf manch gegenwärtige politische Sackgasse könnte dieser Geschichte vom ersten Schritt durchaus Gehör finden. Auch die Würdigung Hans Kneifels mit „Russische Klassiker“ ist ein Blick zurück. Aus dem Moment der Niederlage – das bedeutet für Perry Rhodan schon Stillstand – heraus schaut der Erbe des Universums zurück. Es ist Gucky, der in einem bemerkenswerten Monolog den Bogen nicht nur zu den Ereignissen im Neuroversum, sondern zurück zu Zyklen wie „M 87“ schlägt. Alles in Bewegung, niemals Stillstand und Veränderungen lassen sich erst im Moment der Ruhe richtig beurteilen. Auch „das Grab in Ogyja“ setzt sich mit den Themen wie Verantwortung und Entscheidungskompetenz auseinander. Erst im Augenblick der Herausforderung zeigt der Mensch, dass er nicht in Ränge geboren worden ist, sondern sich diese Verantwortung verdienen muss. Thomas Ziegler gewidmet zeigt die kurzweilige zu lesende, sich aber erst nach einem langsamen Auftakt entwickelnde Geschichte die Menschen in den Rängen unter den Unsterblichen, die jeden Tag an Fronten vor genauso schweren Entscheidungen stehen.   

 Wie einfach und doch kompliziert strickte K.H. Scheer die ersten Zyklen weit ab von Superintelligenzen wie  „ES“ – damals noch zumindest ein wenig einschätzbar - , aber voller Exotik, Dramatik und vor allem Siegen der Terraner. Interessant ist auch, dass die Würdigung an K.H. Scheer „Verschlusszustand“ diese Ideen aufnimmt und ein wenig zu experimentell für den Exposeautoren der ersten Stunde extrapoliert. Aus der Perspektive der „besseren Terraner“ beschrieben kommt Uwe Anton in dieser Story leider nicht zu sehr auf den Punkt und versucht zu viele Fronten auf einmal abzuarbeiten. Für diese Sammlung extra als einziger Beitrag geschrieben ist „Kriegstanz“ nicht nur Willy Voltz gewidmet, sondern schließt einige offene Flanken hinsichtlich des Schicksals Don Redhorse, einer Figur, der sich Voltz nicht nur im „Meister der Insel“ Zyklus – hier schließt sich der Kreis zu „Tempus Fugit“, da dieser Meilenstein der Serie als einziger zweimal in den neun Kurzgeschichten mehr oder minder gewichtige Erwähnung findet. Wie zu Lebzeiten ist der Indianer immer eine tragische Figur gewesen, die auf der einen Seite stolz und kurz entschlossen agiert hat, auf der anderen Seite die Bürde seines untergegangenen Volkes auf den Schultern trug. Vielleicht ein wenig zu lang, zu stark konstruiert verfügt die Story aber über ein emotionales, sowohl zu Voltz Werk wie Don Redhorse Leben passenden Endes, das den Leser mitten ins Herz trifft.    Während die viele Geschichten zurückschauen, ist für Peter Terrid gewidmete Facette „Unser Mann im All“ ein Vorgriff auf kosmische Personen, denen Perry Rhodan noch begegnen wird. In erster Linie geht es Uwe Anton darum, die wahrscheinlich auch Peter Terrid innewohnende Leichtigkeit des Moments, die Faszination des Alls und schließlich auch die Besonderheit der Erde herauszustellen.

 Die Qualität der Kurzgeschichten als Bestandteil der Perry Rhodan Serie ist ausgesprochen hoch und wird vor allem alt gediente Fans in Erinnerungen nicht nur an die Cons, in deren Conbüchern sie publiziert worden sind, schwelgen lassen, sondern deutlich machen, wie viel Weg die Serie mit ihren Autoren in den mehr als fünfzig Jahren unermüdlich zurückgelegt hat. Vor allem Rainer Nagels in dieser Ausgabe sehr ausführliches Nachwort, welches nicht nur die einzelnen Widmungen den Inhalten zuordnet, sondern vor allem auf die verschiedenen so typischen Schwerpunkte im Werk eines jeden Autoren eingeht, schließt perfekt einen besonderen Perry Rhodan Jubiläumsband ab, der vielleicht Neuleser angesichts der zahlreichen Fakten und Informationen überfordern wird, aber auch die Perry Rhodan Jubiläumsbände mit seinen zahlreichen so unterschiedlichen Kurzgeschichten wehmütig in Erinnerung ruft. 

 

 

Verlag Zaubermond

www.zaubermond.de

Taschenbuch, 355 Seiten

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