Das schwarze Karfunkel 2- Der Geist von Zweiseelen

Wieland Freund

Im ersten Band seiner Serie um einen legendären und Fluch beladenen Edelstein hat Wieland Freund mit seiner 1625 in Amsterdam spielenden Geschichte aktuelle Bezüge zur gegenwärtigen Wirtschaftskrise aufgebaut, sondern vor allem eine spannende Mantel- und Degengeschichte verfasst. Wer allerdings glaubt, das die Fortsetzung „Der Geist von Zweiseelen“ die teilweise doch etwas lose abgeschlossenen Handlungsfäden mit den bekannten Charakteren fortsetzt, wird gleich auf den ersten Seiten überrascht. Die Geschichte beginnt im Oktober 1793 und im Mittelpunkt des Geschehens stehen natürlich der zwölfjährige Pferdeknecht Anders und der schwarze Karfunkel. Er steht im Dienste des Grafen von Zweiseelen, der als ausgesprochener Sammler bekannt ist. Stolz zeigt er seine neuste Errungenschaft, den schwarzen Karfunkel in einen Ring angepasst. Ohne dass es sich Anders erklären kann, beginnt er schlecht zu schlafen und Alpträume zu haben. Über dem kleinen Ort Zweiseelen scheint ein Fluch zu liegen. Wieland Freund zieht alle Register des Gruselromans, in dem er Irrlichter herumgeistern lässt, die Vergangenheit des Steins etwas mehr beschwört und schließlich auch mit der furchtlosen Thekla eine junge Frau auftreten lässt, die anscheinend mehr über die Vergangenheit des Steins zu ahnen scheint als bislang sowohl der Graf als auch Anders oder gar der Leser. Ähnlich wie Luuk weißt auch Anders eine kleine Tätowierung auf, die eine oberflächliche Ähnlichkeit mit dem Karfunkel hat.

Zog Wieland Freund in der kurzweilig zu lesenden und auf verschiedenen Ebenen sehr farbenprächtigen Geschichte „Tulpenfieber“ im Grunde zwei Spannungsbögen – die Geschichte des schwarzen Karfunkels und des verzweifelten Musketiers sowie die Wirtschaftskrise – auf, wirkt „Der Geist von Zweiseelen“ stringenter, kompakter, aber auch weniger interessant. Das liegt zum einen an dem weniger farbenprächtigen Ambiente. So spielt „Der Geist von Zweiseelen“ in erster Linie im und in der unmittelbaren Umgebung des kleinen Ortes und nicht an den unterschiedlichen Schauplätzen Hollands im siebzehnten Jahrhundert. Zum Zweiten hat Wieland Freund in der ersten Story die richtige Balance zwischen der Beziehung zwischen Luuk und dem verzweifelten Musketier gefunden und integriert seinen jugendlichen Charakter und damit die Identifikationsfigur des Publikums außergewöhnlich geschickt, aber nicht vordergründig auffällig in das interessant erzählte Abenteuergarn. Diese Balance vermisst der Leser über weite Strecken von „Der Geist von Zweiseelen“. Zwar tritt nachher mit Thekla im Grunde ein Gegengewicht zum Pferdeknecht Anders auf, aber zusammen erreichen diese beiden eher solide, als wirklich farbenprächtig überzeugend gezeichneten Figuren nicht die Tiefe der Charaktere aus dem Auftaktbuch. Auch die anderen Figuren wie der geheimnisvolle Graf oder der sich plötzlich auf Schatzsuche und Dämonenjagd begebende Knecht Lorenz sind eher eindimensional und wenig nuanciert beschrieben worden.
Das es eine Beziehung zwischen Luuk , Anders und dem schwarzen Karfunkel gibt, steht außer Frage. Wieland Freund hält sich in diesem Punkt äußerst bedeckt und baut so Spannung über den vorliegenden Roman hinaus auf. Der Autor hat allerdings kurzzeitig das Problem, wie er die Entdeckung einer weiteren Tätowierung innovativ verpackt und sowohl Neueinsteiger als auch Leser des ersten Bandes gleichzeitig anspricht. Er geht nicht weiter auf diesen großen im engsten Zusammenhang mit dem schwarzen Karfunkel stehenden Handlungsbogen ein wie auch der feurige Showdown eher auf den nächsten Roman der Serie hinweist als den vorliegenden Handlungsbogen wirklich abschließt. Im Falle von „Tulpenfieber“ sind zumindest einige Fragen offen geblieben, deren Beantwortung im Grunde nur im Rahmen einer phantastischen Idee und entgegen der bislang bodenständig historischen realistischen Vorgehensweise erfolgen kann. Auf jeden Fall wird eine interessante und gut gezeichnete Figur wie Luuk im vorliegenden Plot vermisst.

Die größte Schwäche des vorliegenden Romans ist aber seine Vorhersehbarkeit. Der Leser hat schon einige implizierte Informationen über „das schwarze Karfunkel“ und seine wechselvolle Geschichte im ersten Band erfahren. Dabei grenzte Wieland Freund die Faszination des Edelsteins von einer auch alleinstehend funktionierenden Handlung ab. Im vorliegenden Band ist das Karfunkel ein integraler Bestandteil des Plots. Das ist auf der einen Seite nicht schlecht, aber auf der anderen Seite erwartet der Leser einige überraschende Elemente. Die bekannten Versatzstücke insbesondere Gruselgeschichten für ein jüngeres Publikum sind alle vorhanden und werden vom Autoren auch solide, aber selten wirklich inspiriert abgearbeitet, aber nach der Vorgeschichte erwartet der Leser hinsichtlich der Plotentwicklung einfach mehr. Nicht selten bleibt das unbestimmte Gefühl zurück, als könne Wieland Freund mehr berichten und weitere Hintergrundinformationen seinem Plot hinzufügen, aufgrund der Serienkonstante möchte er diese Aspekte aber auf die obligatorischen Folgebände verschieben. So wirken einige Passagen unrund und trotz einer nur knapp einhundertfünfzig Seiten umfassenden Geschichte bleibt nach einem stimmungsvollen Auftakt im Mittelteil sehr viel offen. Anders Reaktion auf den neuen Edelstein sowie seine Handlungen sind manchmal fast deckungsgleich mit Luuks Reaktionen. Viele Informationen werden aus dem vorangegangenen Band einfach in die neue „Zeit“ übertragen, ohne das sie wirklich den Plot voranbringen. Auch Theklas Schicksal – früh Waise geworden, bei einem gleichgültigen „Stiefvater“ aufgewachsen, inzwischen mit ihrer Bücherkiste auf eigenen Füßen stehend; arm, aber ehrlich durch die Welt ziehend – besteht im Grunde nur aus bekannten Versatzstücken. Anstatt wie in „Tulpenkrieg“ eine bekannte Handlung wie Alexandre Dumas „Musketier“ Geschichten mit Respekt, aber auch pointierten Ideen einer neuen Lesergeneration zu erzählen, bleibt angesichts der eher schwachen Gruselgeschichte zu vieles offen. Wie „Tulpenkrieg“ hat Wieland Freund den historischen Hintergrund von „Der Geist von Zweiseelen“ sehr gut recherchiert. Obwohl seine Figuren literarisch notwendig moderner sprechen, versucht der Autor die Lebensbedingungen akkurat, ohne zu belehren in die Handlung einfließen zu lassen.

Zusätzlich ist „Der Geist von Zweiseelen“ keine langweilige Geschichte. Wieland Freund kann nur die Erwartungshaltung des Publikums an einen würdigen Nachfolger des interessant zu lesenden Auftaktbandes nicht zufriedenstellen. Stellenweise wird das allerdings nicht unbedingt überraschende Geschehen atmosphärisch dicht und intensiv beschrieben. Lorenz Schatz- und damit verbunden auch Geistersuche gehört zu den lebhaften Passagen des Romans. Mittels teilweise pointierter Dialoge und positiv unter Verzicht auf einige wenige in „Tulpenfieber“ etwas zu zwanghaft lustig beschriebene Nebenfiguren entwickelt sich die Handlung sehr geradlinig. Die einzelnen, nicht immer überraschenden Zwischenhöhepunkte sind solide gesetzt. Wie schon angesprochen ist insbesondere der etwas karg ausgestalte Hintergrund der Geschichte überzeugend und immer wieder weckt der Autor die Neugierde seiner Leser hinsichtlich der wirklichen Bestimmung des schwarzen Karfunkels. „Der Geist von Zweiseelen“ rückt den Stein eher in die Nähe des Teufels, während in „Tulpenfieber“ der Edelstein „nur“ ein seltenes, wertvolles Kleinod mit einer wechselhaften, aber eher dunklen Geschichte gewesen ist. Zusammengefasst ist „Der Geist von Zweiseelen“ nicht so spritzig, so unterhaltsam farbenprächtig geschrieben wie der Auftakt der Serie, unterhält aber trotz der angesprochenen Schwächen kurzweilig und gut.

Wieland Freund: "Das schwarze Karfunkel 2- Der Geist von Zweiseelen"
Roman, Hardcover, 152 Seiten
Beltz & Gelberg 2010

ISBN 9-7834-0779-9692

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