The Women of Hammer Horror

Robert Michael Bobb Cotter

Lange bevor das DVD Zeitalter die alten Hammerfilme in teilweise einem Glanz erstrahlen lässt, welchen die Streifen nicht einmal bei ihren Erstaufführungen vorweisen konnte, kümmerte sich der Brite Tim Greaves in seinem kleinen Verlag 1shot um die Frauen insbesondere der Horrorstreifen des britischen Studios. Reichhaltig bebilderte kleine Hefte erschienen unter anderem und dank der Mithilfe über und von Madeleine Smith oder Yvette Stensgaard oder Veronica Carlson, die zu Robert Michael „Bob“ Cotters Sammlung von Portraits auch ein informatives und warmherziges Vorwort hinzugefügt hat. Der Autor selbst hat neben einer vergleichbar konzipierten Sammlung aus biographischen Fakten, statistischen Daten und kritischen Anmerkungen über Caroline Munros Werk an einer Biographie über Ingrid Pitt mitgearbeitet.  In seinem Vorwort hinterfragt der Autor die Wichtigkeit, Aktualität und das Interesse an einem derartigen Werk. Viele der eher theoretisch aufgeworfenen Thesen beantwortet Cotter sich selbst. Die Faktensammlung zum im Grunde fast allen Hammerfilmen im Glossar sieht er als Abrundung seiner Portraits und Ausmerzung möglicher Fehler anderer Buchausgaben.   Das ist bedingt richtig, aber wäre es nicht viel sinnvoller gewesen, die Filmographien am Ende der alphabetisch geordneten Personenvorstellungen mit mehr Leben zu füllen und mögliche Querverweise auf deren Schaffen im Hammer Universum herauszuarbeiten? Nichts gegen die Datensammlung, aber angesichts des hohen Preises erwartet der Leser mehr eigenständiges Material, denn im Internet leicht nach recherchierbare Fakten. Diese Schwäche gibt Robert Cotter auch ehrlicherweise zu. Einen weiteren Punkt spricht der Autor an. Viele der Hammerschauspieler der ersten Generation leben nicht mehr. Einige haben sich zu Lebzeiten zu ihren Engagements geäußert, manche sich gänzlich von der Schauspielerei zurückgezogen und auch Informationen verweigert.  Es ist keine wirkliche Überraschung, dass die in dieser Hinsicht offenen Frauen die längsten Artikel erhalten, wobei fairerweise einer inhaltlichen Kritik vorgreifend Cotter mit ihren Darstellungen und den Filmen auch kritisch umgeht.  Der Autor muss auch zugeben, dass es über einige der in nur ein oder zwei Filmen aufgetretenen Frauen kein Material gibt. Aber der Vollständigkeit halber werden sie aufgeführt.

Der letzte kritisch anzusprechende Punkt seines Vorworts ist der Bezug auf den Titel des Buches. „The Women of Hammer Horror“ soll ein breites Spektrum abdecken. Wenn der Leser verwundert Hinweise auf die gegenwärtigen Produktionen der inzwischen dritten Hammerstudio Generation wie „Woman in Black“  oder „Let me In“ – das Remake des schwedischen Sensationsfilms – und ihren Schauspielerinnen findet, dann passen diese Exkurse in die Komplexität und Modernität des Buches. Aber Cotter deckt nicht nur den Hammer Horror Bereich ab. Bette Davis hat eher in zwei nach dem Muster von „Diabolique“ gestrickten Thrillern mitgespielt, aber in keiner klassischen Horrorproduktion. Trotzdem wird sie – und das ist positiv gemeint  - als wichtiger Eckpfeiler einer ganz anderen Generation von Schauspielern wie auch Jane Crawford aufgelistet, die ihre besten und äußerlich schönsten Zeiten nicht in dem kleinen britischen Studio zugebracht haben, sondern erst während des Zenits ihrer Karriere dann allerdings teilweise sehr interessante Rollen für Hammer gespielt haben. Auch finden sich Hinweise auf verschiedene frühe Film Noir Streifen, auf die Science Fiction Filme beginnend mit Quatermass oder „Banditen auf den Mond“ bis zu den Abenteuergeschichten mit Fellen und Dinosauriern. Wahrscheinlich musste sich Potter titeltechnisch beschränken, aber das Spektrum dieser Sammlung von Kurzportraits – die Betonung liegt im Durchschnitt auch auf kurz – ist sehr viel breiter als es der Titel suggeriert.  Über fast zwei Jahrzehnte lag der Schwerpunkt der Produktionen allerdings im Bereich Horror und es ist für die heutige Generation vielleicht ein wenig erstaunlich, wie viele Schauspielerinnen nach dem  oder während der Laufstegphase  in kleinen, natürlich erotischen Nebenrollen ihre Karriere begonnen haben.  In dieser Hinsicht fließen insbesondere die sechziger Jahre und das 21. Jahrhundert mit seiner allgegenwärtigen Medienpräsenz fast sprichwörtlich zusammen.  Nebendarstellerin im Hammerfilm, erotische Fotos für diverse Männermagazine und einen reichen Freund sind damals wie heute die Leitplanken mancher schönen, jungen und attraktiven Frau gewesen.  Aber Cotters Sammlung von Portraits ist viel mehr als ein eher unterdurchschnittlich bebilderter  Streifzug durch das Werk eines legendären, von den Fans wie Kult behandelten Studios.  Es gibt zwei Wege, sich der Sammlung zu nähern. Eine chronologische Lektüre erschlägt den Leser förmlich. Zu viele Namen, Fakten und nur wenige Stellungnahmen auf den knapp zweihundert Seiten.  Das Hin- und Herspringen ist nur über das Glossar am Ende möglich. Es gibt keinen Index, in dem die einzelnen Filme nach ihren Seitenzahlen geordnet worden sind. Über das Glossar und die Schauspielerinnen können alle weiblichen Darsteller zum Beispiel einer Produktion erreicht werden.  Das ist ein wenig mühsam, da nicht selten in der Hochphase des Studios einige Schauspielerinnen in unterschiedlichen Konstellationen an den gleichen Filmen gearbeitet und sich rückwirkend inhaltliche Tendenzen gebildet haben.  Überwiegend werden die Hammerproduktionen isoliert voneinander betrachtet, bewertet und manchmal als zu leicht empfunden.  Auf der anderen Seite schlägt sich Potter auch bei Filmen wie „Slave Girls“ auf die Seite des Studios und der Fans gegen die zu distanzierten Kritiker.  Das Hin- und Herspringen lässt den Leser von einem Höhepunkt zum nächsten springen und verzerrt das auf die Schauspielerinnen fokussierte Bild. Es gibt hier nur zwei Extreme: entweder stellten die Hammerfilme nur einen unterdurchschnittlichen Teil von längeren oder kürzeren Karrieren dar oder die Schauspielerinnen konnten sich niemals von diesem Image lösen.  Der Leser wird wie Cotter in diese irreale Studiowelt hinein gezogen, die mehr und mehr zu einem Lebensinhalt wird.  Dabei haben die meisten Schauspielerinnen eigenständiges Leben, die nicht selten in verschiedenen künstlerischen Tätigkeiten nach ihrer aktiven Zeit gegipfelt haben. Je weiter sich der Leser allerdings von den auch Fan bedingten „Höhepunkten“ der Produktion in die nicht immer qualitativ gemeint zweite oder dritte Reihe begibt, desto ambitionierter werden die weiterhin zu kurzen und zu fokussierten Portraits, welche auch die dunklen Seiten dieser kurzen Glitzerwelt umfassen. Neben zahllosen gescheiterten Ehen, die teilweise anscheinend nur aus Karrieregründen eingegangen worden sind, aus heutiger Sicht wenige Drogenexzesse oder Alkoholanhängigkeiten, aber als Kontrapunkt sehr viele Fluchtbewegungen in esoterische religiöse Randsektengruppen.  Vieles wirkt von Cotter vielleicht zu einfach dargestellt. Hammer ist ohne Frage angesichts der hier vorliegenden Fakten ein Studio gewesen, das mehr als einmal auf die visuelle Glitzerwelt der Hochglanzmagazine und ihrer schauspielerisch unerfahrenen Modells zurückgegriffen hat, um Sexappeal bis zum Einschreiten der Zensur zu vermitteln. Wenn die schönen wie jungen Frauen mit ihren Rollen überfordert gewesen sind, dann ist Cotter auch ein Autor, der das ambivalent, aber nicht destruktiv darstellt. Wenn auf der anderen Seite Schauspielerinnen wie Ursula Andress sich inzwischen gänzlich gegen ihr ganzes Werk wenden und versuchen, diese Zeit aus ihrem Gedächtnis zu streichen, dann versucht Cotter auch gegen diese arrogante wie weltfremde Meinung an zu argumentieren und die Vorteile herauszuarbeiten, wobei das sich im weiteren Ausholen auf die körperlichen Aspekte fast selbstironisch parodierend konzentriert.

 Auffallend ist aus heutiger Sicht die Tatsache, wieviele von den hier vorgestellten Frauen neben ihren Hammerauftritten auch in den ersten James Bond Filmen mitgespielt haben, die zu diesem Zeitpunkt nicht nur studiotechnisch eine britsche Angelegenheit gewesen sind. Erst durch eine intensivere Lektüre erkennt man viele Gesichter über ihre Namen aus den Horrorfilmen wieder, die kleine, aber nicht immer unwichtige Nebenrolle von natürlich "Dr. No" bis zu "For your eyes only" übernommen haben. Ebenfalls auffallend ist die verhältnismäßig große Zahl von mit Preisen ausgezeichneten Mitspielerinnen, wobei die zweifache OSCAR Preisträgerin Swank in einem von Hammer mitproduzierten Thriller eher ein Schattendasein als "Hammer" Ikone fristet und deplatziert erscheint. Das neben guten Aussehen zumindest in einem Abschnitt der Karriere auch Talent wichtig gewesen ist, wird allerdings von den zahlreichen, schönen, aber schauspielerisch unbegabten Modells wieder relativiert.

Wen spricht „The Women of Hammer Horror“ in erster Linie an? Es gibt- das sagt der Autor in seinem Vorwort selbst – ein reichhaltig bebildertes Kaffeetischbuch „Hammer Glamour“, in dem nur fünfzig bis sechzig der Schauspielerinnen dann aber in voller körperlicher Pracht und weniger auf Inhalte ankommend vorgestellt werden. In dieser Hinsicht ist die vorliegende Sammlung umfangreicher und angesichts der Tatsache, dass selbst Namen einmaliger Schauspielerinnen ohne weitere Informationen über ihr Leben vorstellt werden vollständiger als das visuell betörende „andere“ Werk. Wer sich weniger an Fotos, sondern an Fakten orientieren möchte, der wird in der vorliegenden Sammlung mehr auf seine Kosten kommen. Internetjünger werden das Preis- Leistungsverhältnis zwischen eigenständigem Text und googlefähigen Informationen als negativ empfinden.  Zu viele Fakten lassen sich in den einschlägigen Datenbanken wie IMDB ohne Probleme herausfiltern. Daher spricht Potter eher die Generation der ersten oder zweiten Hammerfans an, welche die Kinopräsentationen den verschiedenen DVD Veröffentlichungen der Gegenwart vorziehen und die in Erinnerungen schwelgen.  Es ist kein Buch, in dem der Leser schnell wichtige Informationen zu einzelnen Filmen einholen kann. Es ist vielmehr eine Übersicht über die verschiedenen Schauspielerinnengenerationen, welche das Studio neben oder vielleicht für die pubertierenden Fans vor den markanten Schauspielerin wie Peter Cushing oder Christopher Lee geprägt haben. Es ist zusätzlich ein Buch, das beim Durchblättern durch den Fokus auf die oft im Hintergrund stehenden Schauspieler zum Recherchieren einlädt und die Augen der Betrachter nicht nur wegen der in dieser Hinsicht seltenen Fotos öffnet.  Es ist die Breite, welche „The Women of Hammer Horror“ wie mehrfach angesprochen auszeichnet und von dem immer wieder abschweifenden „Hammer Glamour“ mit eher bekannten Interviews der wichtigsten Hammermädchen oder Frauen unterscheidet.

 Zu selten, aber  dann aber überzeugend argumentierend  lädt das Sekundärmaterial  zu einer Reise durch die fünfziger und sechziger Jahre und teilweise skurrilen, aber unterschätzten siebziger Jahre ein.  Cotter ist ein an einigen Stellen allerdings auch unkritischer Bewunderer Hammers. "Der Hund der Baskervilles" mit Peter Cushing in der Hauptrolle ist ohne Frage ein sehr guter Sherlock Holmes Streifen, ob es aber der beste Sherlock Holmes Film aller Zeiten gewesen ist, muss genauso hinterfragt werden wie das fehlende Fachwissen über die Hammer Produktionen hinaus. So lobt der Autor "Let me in" - Hammer hat das Remake mitproduziert - über alle Maßen als einen der besten Vampirstreifen aller Zeiten, ohne dass erwähnt wird, das es erstens eine deutlich gelungenere schwedische Vorlage gibt und zweitens schon Lindquest Buch ohne Frage empfehlenswert, innovativ und schaurig düster gewesen ist. Cotter erweckt den Eindruck, als handele es sich um eine Originalproduktion. Vielleicht springt die Besessenheit an diesen Stellen ein wenig zu stark über, während der Autor das Hammerumfeld von den fünfziger Jahren an eher relativierend ambivalent als Begleiterscheinung diskreditiert, als das er die Wechselwirkungen über die auf beiden Seiten des Atlantiks arbeitenden Schauspielerinnen zwischen den amerikanischen und britischen Exploitationkino nachhaltig herausarbeitet. In diesen Passagen klebt der Autor zu eng an den von ihm gesetzten Planken seiner Studie.

 Hoffentlich wird Potters Buch neue Zuschauer zu den Filmen führen, die wie „Dracula- Prince of Darkness“ alle Jahre wieder in immer perfekteren DVD oder Blue Ray Präsentationen immer mehr restauriert erscheinen. Veronica Carlsen schreibt in ihrem kurzweilig zu lesenden Vorwort über die andauernde Faszination, die Hammerfilme und damit auch ihre Schauspielerinnen auf die Massen ausüben. Über die Familienbande, die sich zwischen den Fans und den Profis über die Jahre gebildet haben. Über das überwiegend positive Verhältnis der Schauspieler und Schauspielerinnen untereinander, auch wenn der Konkurrenzkampf für die zweite Reihe von Akteuren deutlich härter als für die Stars gewesen ist. Sie erwähnt aber auch die Mitstreiter, die ihrer Filmzeit gänzlich und absolut den Rücken gekehrt haben und sich inzwischen für ihre Produktionen zu schämen scheinen.  Sie hat für die zwar kein Verständnis, reicht ihnen aber im übertragenen Sinne angesichts der vielen inzwischen verstorbenen Schauspieler, Regisseure, Produzenten oder Drehbuchautoren die Hand. Es ist ein warmherziges Vorwort, das einhergeht mit Potters behutsamen Abhandeln von schwierigen Lebensumständen, Affären oder Klatsch bei den einzelnen Schauspielerportraits.  

 Wer Hammer als Studio mit seiner Bandbreite kennenlernen möchte, der sei auf antiquarisch günstig zu erhaltende Texte wie „House of Horror“ verwiesen, welche sich mehr auf die verschiedenen herausragenden, das Genre formenden Filme konzentriert und dabei zahlreiche Fotos oder Plakate von Hammers hübschen Frauen beifügt. 

A Biographical Dictionary and Filmography

Robert Michael "Bobb" Cotter
Foreword by Veronica Carlson

Print ISBN: 978-0-7864-7208-6
Ebook ISBN: 978-1-4766-0201-1
62 photos, filmography, appendix, bibliography, index
248pp. hardcover (7 x 10) 2013

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