Karten und Legenden - Kritik zu Star Trek: Picard 1.02

SPOILER

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Nachdem die Auftaktepisode zu Star Trek: Picard mit einem heißen Earl Grey begrüßte und die Rückkehr leicht machte, fordert die zweite Folge einiges an Aufmerksamkeit und Geduld  - “Karten und Legenden” (OT: “Maps and Legends”) dient vor allem der weiteren Exposition.

Leuchtende Augen sind nie ein gutes Zeichen

Mit der Einstiegsszene bekommen wir ein weiteres Puzzlestück bezüglich des Angriffs auf den Mars geliefert. Es gibt einen winzigen Einblick in den Alltag der Utopia Planitia Flottenwerft. Wobei, nicht ganz Alltag - es ist “First Contact Day” und somit ahnt man schon: Die Feiertags-Schmalspurbesetzung hat noch mehr Pech, als sie vermuten.

Dass man gerade bei so schwerer Arbeit, bei der es auch auf Präzision und hochspezifisches Technikverständnis ankommt, mit auf Roboter, KI oder auch gleich Androiden setzt - freilich. Eine Prophezeiung aus “Wem gehört Data?” ist also wahr geworden: Die Erschaffung und Versklavung von Synth-Lebensformen. Aber was zur Hölle haben sie sich denn bei der Black-Mirror-Creep-Armee gedacht? Wie kann da irgendwer schlafen oder auch nur mal den Rücken zukehren? Dieser starrende Blick und das falsche Lächeln wird mich bestimmt noch einige Zeit verfolgen.

Zoom auf die Augen und es ist klar: Gleich passiert was. Plötzlich leuchtende Augen sind nie ein gutes Zeichen. Wobei man auch jetzt noch nicht weiß, was hinter der plötzlichen Rebellion oder eben Übernahme der Synth und dem Angriff auf den Mars steckt. Und welchen Zweck hat der Selbstmord (?) des Synth F8?

Erklärs mir, als wäre ich 5

Man merkt, schon jetzt gibt es deutlich mehr Fragezeichen als letzte Woche. Und es hört nicht auf - ich glaube nämlich, ich bin etwas zu dumm für diese Episode mit ihrem Infodump. Zugegeben musste ich erstmal googeln und mir graut es jetzt schon vor den Aussprachversuchen im Podcast.

Also langsam: Picards Mitbewohner/Mitarbeiter/Freunde Laris und Zhaban erzählen eine alte romulanische Legende, die womöglich etwas mit Dahjs Angreifern zu tun haben könnte. Es gibt die Tal Shiar, die romulanische Geheimpolizei (der auch Laris und Zhaban einst angehörten). Aber angeblich gibt es noch eine viel geheimere, mysteriösere Organisation. Nein, nicht Sektion 31, sondern die Zhat Vash. Diese sollen ein uraltes Geheimnis hüten, das so erschütternd ist, dass man den Verstand verlieren könnte, wenn man es zu hören bekommt. Keine Ahnung, was es ist, aber Laris vermutet, dass es mit der tiefen Abneigung der Romulaner gegen künstliches Leben (habe ich da was verpasst?) zu tun haben könnte.

Um dieser Spur nachzugehen, werden Picard und Laris in Dahjs ehemaligem Apartment kurzerhand zu Detektiven. Wie gut, dass Laris einiges an romulanischer Spezialtechnik behalten hat, mit der man sogar die Vergangenheit sichtbar machen kann. Was ... irgendwie funktioniert. Hier Technobabbel einfügen.

Dr. Jurati ist zwar sehr sympathisch, aber auch nur semi-informativ, weil Kybernetikwissenschaftler wohl ebenfalls gerne Geheimniskrämer sind. Nach ihren Recherchen vermutet sie, dass Dahj (und ihre Schwester) nicht älter als drei Jahre sind und mit fabrizierten Bewusstsein und Erinnerungen gezielt platziert worden sind. Immerhin wird bestätigt, dass Data und Dr. Maddox nach ihrem holprigen Start (“Wem gehört Data?”) tatsächlich einen freundschaftlichen Austausch pflegten.

Und dann wäre da ja noch der Borgwürfel aka die “Romulanische Rückgewinnungsstation”, auf der aber gar nicht so viele Romulaner selbst aktiv sind. Der bunte Mix aus Lebewesen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten hilft den Romulanern bei der Erkundung und beim Durchkärchern aka Nutzbarmachung des Würfels und auch bei der “Befreiung” der Assimilierten von ihrem Borg-Dasein. Soweit richtig, ja? Irgendwie scheint dort niemanden das “Warum” zu interessieren, aber okay - immerhin ohne allzu große Verluste auf eigener Seite, wenn man dem Schild “This facility has gone 5,834 days without an assimilation” glauben kann. Das wären immerhin ~16 Jahre. Hoffe doch, wir bekommen dazu in nicht allzu ferner Zukunft noch etwas mehr Erklärung.

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Tyler-Voq vs. Romulan-Rizzo

Unterm Strich führt alles aber zu einer erfreulichen Erkenntnis bei Jean-Luc: Er muss wohl noch einmal ab ins All. Und dazu braucht es ein Schiff. Also ab zum Sternenflottenhauptquartier, um die Bestellung persönlich abzugeben.

So sehr ich (Captain!) Picard liebe, bin ich geneigt, auch Admiral Clancy (Ann Magnuson) Recht zu geben: Welch Anmaßung. Die Situation am Empfang war ja noch beinahe niedlich, wie er eigentlich davon ausgeht, direkt erkannt (und hofiert) zu werden. Ist aber nicht. Und warum genau glaubt er, nach seinem Abgang dann jetzt doch wieder mal eben so wieder in Sternenflotte aktiv werden zu können und gar Kommando über ein Schiff zu bekommen? Auch Clancys Ausführung über die Zwickmühle bezüglich der Romulaner sind nachvollziehbar, auch wenn man sie nicht gutheißen muss: 14 Föderationspartner haben angekündigt, sich aus der Gemeinschaft zu verabschieden, sollte man die Romulaner-Rettungsmission in Angriff nehmen. Ideale der Sternenflotte hin oder her.

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Immerhin schürt Picard aber genug Zweifel, dass Admiral Clancy zumindest wegen der möglichen Romulaner-Geheimbund-Geschichte mal nachfragt. Blöd nur, dass sie das ausgerechnet bei Commodore Oh (Tamlyn Tomita) tut. Die Romulaner haben nämlich auch schon die Sternenflotte unterwandert. Eben mit besagter Commodore Oh, die anscheinend als Vulkanierin durchgeht (oder ist sie tatsächlich Vulkanierin auf Seiten der Romulaner?) und Lt. Rizzo, die sich nur ein wenig die Ohren rundgeschliffen hat. Da musste der arme Voq ganz andere Prozedere über sich ergehen lassen.

Nicht genug: Rizzo ist auch noch Nareks Schwester (oder verlorener Bruder?). Seine Anbandlung mit Soji ist ebenfalls eine Mission - er soll rausbekommen, wo sich weitere Androiden, wie sie einer ist, befinden. Rizzos rabiates Vorgehen war bei Dahj eher katastrophal als erfolgreich. Narek verfolgt bei Soji eine andere Strategie, die aber auch noch keine Ergebnisse gebracht hat - scheint im Gesamten für alle Beteiligten aber zumindest zwischenzeitlich spaßiger zu sein. Wenn da mal nicht Gefühle in den Weg kommen …

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Ein letztes Abenteuer

Das klingt bislang vermutlich alles eher negativ, dabei fand ich die Folge insgesamt gar nicht so schlecht. Gerade wenn man im Hinterkopf hat, dass die Staffel nur zehn Episoden umfasst und man in kurzer Zeit sowohl Leute wieder abholen als auch auf einen Stand bringen muss, damit man die eigentliche Geschichte, die man erzählen will, rüberbringen kann.

Dass die Episode trotz Informationsüberladung funktioniert und zusammenhält, ist den gut geschriebenen, eingängigen Charakteren und überzeugendem Schauspiel zu verdanken - und sinnvoll platzierten, schön eingebauten Nostalgie-Momenten. Das Anlegen des Kommunikators unterm Sternenhimmel, die altbekannten Uniformen, die Projektion der verschiedenen Raumschiffe der Sternenflotte - funktioniert komplett.

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Dabei muss ich bei Demenz-Themen doch immer weinen! Eine weitere Aha-TNG-Erinnerung ist nämlich, als Jean-Lucs Arzt und alter Freund aus Stargazer-Tagen bei einem Hausbesuch die Ergebnisse eines medizinischen Scans mitteilt. Alles super, wäre da nicht das Irumodische Syndrom, für das auch in der Zukunft noch keine Heilung in Aussicht ist. Es ist eine neurologische Erkrankung, bei der  - teils über Jahre - nach und nach die synaptischen Bahnen zerfallen, was schließlich zu Senilität und Tod führt. Picard nimmt die Nachricht überraschend gelassen hin. Allerdings kommt sie für ihn auch nicht aus dem Nichts. Schon Jahre zuvor, im Rahmen der Handlung des Zweiteilers “Gestern, Heute, Morgen” (TNG 7.25/7.26), informierte Dr. Crusher ihn, dass er die Veranlagung zu dieser Krankheit hat.

Ein Grund mehr für Jean-Luc, es noch ein letztes Mal zu wagen. Und wie Dr. Benayoun anklingen lässt - vielleicht ereilt ihn da draußen zwischen den Sternen ja ein gnadenvolleres, schnelleres Ende. Auch wenn jetzt noch klarer als vorher ist: Er braucht eine Crew. Zhabans Vorschlag, dafür Leute wir Riker, Worf und LaForge anzufunken, verwirft Picard. Sie würden ihm zuliebe sofort dabei sein und alles riskieren, aber er möchte diese Verantwortung nicht noch einmal tragen. Also schwenkt Zhaban um: Es werden Leute gebraucht, die Picard hassen und nichts zu verlieren haben.

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Da ist Jean-Luc ihm einen Schritt voraus, er hat bereits Raffi Musiker (Michelle Hurd) kontaktiert. Mit einem Flugtaxishuttle (wie retro!) geht es ab in die Wüste, wo fern von Allem besagte Raffi in einem Trailer/Shuttle haust und anscheinend wirklich nicht allzugut auf Picard (oder überhaupt irgendwen?) zu sprechen ist. Welche Geschichte die beiden verbindet, erfahren wir vermutlich in der nächsten Episode. Sie kennen sich auf jeden Fall gut genug, dass Jean-Luc weiß, dass sie ihm bezüglich des benötigten Raumschiffs helfen kann und er sie mit Nennung von romulanischen Geheimagenten und einer Flasche guten Weins dazu bekommen kann, ihn zumindest anzuhören. Die Szene hat ein wenig “Firefly auf Tatooine”-Vibes.

Fazit

Die Euphorie der letzten Woche kühlt angesichts der enormen Infoflut und massigen Exposition etwas ab, Patrick Stewart schafft es dennoch, die Episode zu tragen und gut geschriebene Charaktere halten das Ganze zusammen. Auch wenn Jean-Luc sich nichts aus Science-Fiction macht. Und kräftig geflucht wird. Mit Lens-Flare-Einsatz.

Alles auf Position? Können wir jetzt endlich los?

Star Trek Picard: Episode 3 - "The End is The Beginning" - Trailer

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