Heliosphere 2265 Band 36 "Ash´ Gul´ Kon´" und "Der letzte Blick zurück"

Andreas Suchanek

Im Vergleich zu den ersten beiden Abschlußromanen der Minizyklen – siehe Band 12 und 24-  agiert Andreas Suchanek in dem Doppelabenteuer „Der letzte Blick zurück“ / „Ash´Gul`Kon“ ein wenig anders. Vielleicht entspricht diese eher gewöhnungsbedürftige Struktur der ganzen zwölfteiligen Miniserie, in der Andreas Suchanek sehr viel versucht hat, aber ihm in der direkten Gegenüberstellung den ersten beiden Zyklen gegenüber auch sehr viel weniger zufriedenstellend und originell gelungen ist.

Die Auftaktkapitel sind für diese nicht geglückte Struktur symptomatisch. Die wichtigen Ereignisse der letzten elf Abenteuer werden noch einmal aus einer anderen Perspektive zusammengefasst. Es ist keine besonders originelle Idee, aber mit Tess Kensington verfügt Andreas Suchanek in der Theorie über ein Faustpfand. Er legt offen, dass sie nicht in der Stimme der immer wieder nur hintergrundtechnisch angreifenden „Ash´Gul´Kon“  aufgegangen ist. In dieser Hinsicht spielt der Autor zu sehr mit der Erwartungshaltung der Leser und muss eigene Handlungsstränge leider nicht zum letzten Mal im vorliegenden Doppelband bemüht relativieren. Hinzu kommt, dass die Fremden Tess anscheinend in endlosen, wie virtuelle Alpträume erscheinenden Scheinrealitäten festhalten, in denen die „Ash´Gul´Kon“ die junge Frau immer wieder psychologisch foltern. Diese Prämisse ermöglicht es Andreas Suchanek, ohne weitere Erklärungen hin und her zu springen, sowie einzelne Ereignisse in schneller Reihenfolge abzuarbeiten. Aber der Funke will nicht wirklich überspringen, da der Leser an keiner Stelle das nachhaltige Gefühl hat, als wollen die Aggressoren ihre Gefangene schließlich töten. So bleibt es die Quadratur des Kreises, die vor allem Neueinsteiger durch die subjektive Zusammenfassung von dem Stammleser bekannten Ereignissen interessieren könnte.   Andreas Suchanek hat im Verlaufe der Serie mehrfach mit der Erwartungshaltung der Leser gespielt. Ohne Frage hat er in den zurückliegenden fünfunddreißig Romanen immer wieder wichtige Nebenfiguren getötet. Aber genauso oft hat er vor allem Mitglieder der „Heliosphere“ Crew aus ausweglosen Situationen nicht nur dank „Deus ex Machina“ Lösungen gerettet, sondern manches zu überspitzt beschrieben. Dabei haben sich diese Figuren vor allem zwischenmenschlich im Vergleich zu den ersten, dank der Rückblicke auf differenzierter aufgebauten Romanen, nicht spürbar weiterentwickelt, sondern es zeigen sich rezessive Tendenzen. Auch Tess durchläuft diese psychologische Folter, ohne erstens an ihr zu zerbrechen oder zweitens als stärkerer Charakter "wieder geboren" zu werden. Das virtuelle Leid wird von Andreas Suchanek zwar in greifbare sprachliche Bilder gepackt, aber der emotionale Funke springt nicht über. Da auch die Ash´Gul`Kon“ bislang in ihrer Hommage an Lovecrafts Alte eine Enttäuschung sind, fehlt vor allem dieser dritten Miniserie das menschliche Feindbild, diese immer stärker werdende Paranoia aufgrund der Verschwörung hinter der Verschwörung. Diese einfache, im zweiten Teil des Doppelbandes sogar auf eine Facette reduzierte Invasionsgeschichte erreicht nicht das Niveau vor allem des ersten Zwölfteilers, in dem es Andreas Suchanek gelungen ist, über die einzelnen Teile eine greifbare Spannung aufzubauen und dann dem Leser noch den Boden unter den Füßen wegzuziehen.    

Handlungstechnisch beschränkt sich der Autor nicht nur in diesem Band auf die bekannten Orte. Das ist positiv für die Orientierung der Leser, da deren Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft worden ist.  Auf der anderen Seite angesichts der Ausdehnung des Universums erscheint es schwierig, immer nur die gleichen Brennpunkte zu haben. Der Angriff der nicht nur an H.P. Lovecraft, sondern auch ein wenig an “Howard the Duck“ erinnernden Fremden aus ihrer fremden Dimension ist ja schon im letzten Band der zweiten Miniserie angekündigt worden. Bis auf einige taktische Bewegungen hat sich in dieser Richtung im laufenden Minizyklus zu wenig getan. Jetzt ist endgültig Stillstand eingetreten. Auch wenn der Autor mit schnellen „Schnitten“ zwischen den einzelnen Handlungsebenen Spannung zu erzeugen sucht, ist das Ende dieser Miniserie enttäuschend. Die Faszination von Lovecrafts Alten bestand in erster Linie in der Tatsache, dass er auf möglichst detaillierte Beschreibungen verzichtet und sie ausschließlich über ihre Handlungen definiert hat. Andreas Suchanek schien dieser Vorgabe zu folgen. Sie waren gefährlich, fremdartig, rücksichtslos und wollten die bekannte Galaxis nicht unbedingt originell ausrotten. Hinzu kam der Zeitfaktor. Die Allianz musste geschmiedet werden, um überhaupt eine oberflächliche Chance gegen diese im Grunde allmächtigen und doch unberechenbaren Gegner zu haben. In diesem Roman gibt es nicht nur eine Abfolge von Angriffen – einmal zwischen den Imperium und der Allianz, dann zwischen der Allianz und den Fremden, sowie um den Kreis zu schließen zwischen den „Ash´Gul`Kon“ und dem Imperium -, sondern gegen Ende  eine Lösung, die Andreas Suchanek nicht aus dem Handlungsfluss heraus entwickelt hat, sondern wie in vielen anderen fortlaufenden Serien wie eine unvorhersehbare „Deus Ex Machina“ Geschichte erscheint. Um das Muster in den nächsten Zyklus zu übertragen, kommt der Einsatz dieser ultimativen Zeitgewinnwaffe natürlich an einer Stelle zu spät. Auch diese Vorgehensweise wirkt ausgesprochen bemüht und echte Spannung kann gar nicht aufgebaut werden. 

Viel schlimmer ist, dass die „Ash´Gul`Kon“ in diesem Doppelband dem Leser näher gebracht werden. Sie entpuppen sich als die altbekannten Sadisten auf einer Art virtuellen James Bond Niveau, die trotz ihrer bisher immer wieder propagierten technischen Überlegenheit im Grunde naiv von der Allianz und nicht etwa allem intelligenten Leben kurzzeitig ausgeschaltet werden können. Viel schlimmer ist, dass Andreas Suchanek dieses Sprungbrett nicht nutzt, um eine auch in ihrem Denken fremdartige Rasse zu entwickeln. Wie bei Lovecrafts Nachfolgern scheitert er an der Idee, aus einem Schatten, einer vagen spürbaren Bedrohung etwas unbegreiflich Greifbares zu machen. Neben der enttäuschenden Beschreibung der „Ash´Gul`Kon“ erscheint auch die Handlungsweise Sjöberg nicht immer logisch. Natürlich kann er nicht so schnell die Fronten wechseln und mit den ehemaligen Feinden der Allianz gegen die neuen Angreifer ziehen. Aber er versucht es noch nicht einmal. Das er deren Bedrohung auch seiner eigenen Machtbasis derartig unterschätzt, erscheint verwunderlich und passt zu wenig zu der Figur, die der Leser vor mehr als dreißig E- Books kennen- und in mancher Hinsicht auch schätzen gelernt hat. Vielleicht will Andreas Suchanek zu viel im vorliegenden Doppelband und verfehlt die originellen, die bisherige Handlung hinterfragenden Paukenschlag der letzten beiden Zyklusenden.     

Die meisten „Heliosphere 2265“ Romane lebten von der überzeugenden Balance zwischen greifbarer gut erzählter Action, menschlichen Schicksalen und der immer wieder angesprochenen Verschwörung/ Paranoia Intrige.  Der Autor hat versucht, zu Beginn dieser Miniserie diese Aspekte um das nicht unbedingt neue, aber von den Feinden her lesenswert aufgebaute Invasionsthema zu erweitern. Es hat sich aber als eine Art Overkill erwiesen, da diese Handlungsarme nicht konsequent weiter entwickelt worden sind, sondern mit dem potentiellen Selbstmord Jaydon Cross nach dessen Gefangennahme, die obligatorische Befreiung und schließlich die Überleitung zu diesem Finale den Handlungsbogen wenig originell zum Stillstand gebracht. Die zahlreichen Handlungsorte, die verschiedenen teilweise wie Tess länger nicht gesichteten Protagonisten und das eher enttäuschende Finale lassen den Roman zumindest stilistisch solide geschrieben und inhaltlich oberflächlich zufrieden erscheinen lassen, aber zusammengefasst gehört dieser Doppelband leider zu den bislang schwächsten Arbeiten der Serie. Vielleicht hat sich Andreas Suchanek vor allem auch mit der inzwischen in die laufende Handlung eingeflossenen sechsteiligen „Mars“ Miniserie zu viel vorgenommen. Hoffentlich findet er mit dem nächsten Zehn- statt Zwölfteiler zurück in die Spur und kann das ohne Frage weiterhin vorhandene Potential effektiver ausbauen.

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Greenlight Press

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 5907 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 213 Seiten
  • Verlag: Greenlight Press; Auflage: 1
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B01FI3KEY0