Darwin City

Jason M. Hough

Mit “Darwin City” liegt der erste Band wahrscheinlich einer Trilogie von Romanen um einen Fahrstuhl von den Sternen vor, den dieses Mal nicht die Menschen wie ausführlich überzeugend bei Arthur C. Clarke oder William Forstchen beschrieben gebaut haben, sondern der auf eine darbende Erde buchstäblich durch die Hand von momentan noch eher ambivalent beschriebenen Außerirdischen auf die Erde „gefallen“ ist.  Der Amerikaner Jason M. Hough hat vor seiner Karriere als Autor vor allem als Spieledesigner und Clustercomputerspezialist gearbeitet.  2008 begann die Arbeit an „The Darwin Elevator“. Das Buch selbst ist erst fünf Jahre später veröffentlicht worden. Durch die lange Entstehungszeit hat Hough nicht nur die beiden anderen Bände der Serie fertiggestellt, sondern vor allem auch eine Prequel geschrieben, um einige der zu offenen Fragen im vorliegenden Band zu beantworten.  Inzwischen ist auch ein Science Fiction Spionage Thriller „Zero World“ in den USA erschienen. 

Hough mischt gleich zu Beginn einige Klischees des Genres zu einer nicht unbedingt aufregenden, aber in dieser Form noch nicht vorhandenen Mischung. Vor mehr als zweihundert Jahren hat anscheinend ein außerirdischer Virus den größten Teil der Menschen getötet. Es ist nicht die erste passive Begegnung mit den Fremden. Wenige Jahre vorher hat ein außerirdisches Raumschiff über der australischen Stadt Darwin seinen Weltraumfahrstuhl gebaut. Am Fuße dieses Turms ist eine Aura entstanden, welche die Seuche zumindest unter Kontrolle hält. Außerhalb dieses geschützten Radius werden die Menschen schnell zu Killermaschinen.  Sobald sich also seine Protagonisten aus der schützenden „Hülle“ weg bewegen, droht der Roman auf ein “World War Z“ Niveau zurückzufallen.  Houghs Stärke ist im vorliegenden Buch, das er nur aufbauen und nicht erklären muss. Fast alle Hinweise verlaufen im Nichts. Der Leser wird anfänglich mit der entsprechenden Situation konfrontiert. In den zweihundert Jahren seit dem Himmelfall inklusiv des Zusammenbruchs der Zivilisation haben sich unterschiedliche Gruppen gebildet. Da wäre natürlich die Elite, die an der Spitze des Himmelsfahrstuhls lebt und sich nach allem sehnt, was die gute alte Erde bieten kann.  Hough macht hier vielleicht einen kleinen Denkfehler. Angesichts des Untergangs der Zivilisation und immerhin sechs Generationen,  die eher von den Überresten der alten Technik als mit ihr gelebt haben, erscheint es unwahrscheinlich, dass ihre Wünsche so „alltäglich“ sind. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, die Katastrophe und den Plotbeginn näher zusammenzurücken, damit einige der Handlungen wahrscheinlicher und überzeugender erscheinen. Natürlich gibt es neben den oben auf dem Fahrstuhl und unter dank der Aura lebenden Menschen noch die Immunen, die sich mehr oder minder frei in dieser Welt bewegen können. Zu denen gehört mit dem eher glücklosen „Schatzjäger“ Luiken und seiner Crew eine Figur,  wie sie aus unzähligen Abenteuerstoffen bekannt ist.  Um Luikenr herum hat Hough eine Handvoll von Protagonisten platziert, die eher viele Klischees erfüllen. Da wäre die attraktive wie indische Wissenschaftlerin, welche zumindest zeitweise nicht nur den optischen Schlüssel hinsichtlich einer Rückkehr der Fremden in den Händen hält, sondern am Ende während des Showdowns geschickt den Schurken austrickst. Der erfolgreiche Geschäftsmann Platz hat am meisten vom Auftauchen des Sternenturms profitiert. Zu seiner Familie gehört wie angesprochen eine wunderschöne wie intelligente Tochter, aber keine Ehefrau mehr.  Für Neil Platz ist natürlich Wissen auch Macht und ein Wissensvorsprung in dieser isolierten Welt unbezahlbar.

 Eine andere Frau zwischen allen Fronten dient als Mittler. Der Rat mit seinen alten Forschern und Politikern ist eher opportunistisch charakterisiert und der Schurke steht auf viel Sex, der ihn erfrischt, aber keine echte Partnerin. Huren sieht er eher als nützlich an, wenn man sie nicht bezahlt und an einigen Stellen droht er mit sadistischer indirekter Gewalt, bevor er sich fast ein wenig naiv in die Enge drängen lässt. Warum mit ihm am Ende ein eher fauler Kompromiss für die Fortsetzungen ausgehandelt wird, entzieht sich der Logik des Lesers. Hough muss sich in einer Hinsicht aus verbiegen. Ohne die Kompromisse gegenüber dem Schurken hätte er weniger Material für die Fortsetzung und ein wenig naiv hofft er auf die Gutmütigkeit der Helden, die immer wieder an der falschen Stelle zur falschen Zeit beide Augen zudrücken und auf Vereinbarungen hoffen, die auch von dem Menschen erfüllt werden sollen, der sie bislang rücksichtslos egoistisch immer wieder auf dem Weg nach oben den Turm entlang gebrochen hat. Jason M. Hough hatte offensichtlich Schwierigkeiten, seinen trotz der Länge über weite Strecken gut lesbaren Roman zu einem zufriedenstellenden vorläufigen Abschluss zu führen, so dass unabhängig von der Einführung weiterer Schauplätze wie Tokio, Hawaii oder schließlich Afrika  im Laufe der Handlung die Dynamik zum Erliegen kommt. Eine deutlich bessere und vor allem auch für den ganzen Plot konsequentere Charakterisierung aller Figuren hätte „Darwin City“ sehr gut getan, ist aber in einem ambitioniert gestalteten  Erstling noch akzeptabel.    

Deutlich interessanter ist der Aufbau des Romans. Da bis auf ihre bis dahin passiv genutzten Hinterlassenschaften die Außerirdischen nicht aktiv in Erscheinung treten, bleibt hier noch viel Potential zu heben. Wie es sich für derartige Romane gehört, setzt der Handlungsbogen natürlich in dem Moment ein, in welchem die bis dahin als alltäglich vorausgesetzte Technik ihre Macken und Fehler zeigt. Gondeln bleiben plötzlich während der Fahrt zu den Sternen durch einen unerklärlichen Stromausfall stehen. Ein erstes Zeichen, das entweder die Technik auch dem natürlichen Verschleiß ausgesetzt ist oder die Außerirdischen keine Lust mehr auf die Verschmutzung ihres Geschenkes haben. Da die meisten Menschen gar keine Ahnung mehr von Technik haben und die Elite eher bei den Problemen rät als sie aktiv zu bekämpfen, hätte Hough aus dem Paranoia Szenario noch sehr viel mehr machen können. Die Reaktion auf im Grunde eine Bedrohung ihrer ganzen Existenz – ohne die Aura wären alle bislang überlebenden  Menschen bis auf die Immunen zum Tode verurteilt -    fällt zu verhalten aus. Die verschiedenen Missionen sollen den Obrigkeiten wichtige Informationen nicht nur hinsichtlich der alten Aufzeichnungen verschaffen, sondern dienen dazu, eine Möglichkeit zu finden, einen erneuten Anflug der Fremden – er findet natürlich statt – rechtzeitig zu erkennen und so vielleicht auch nett um Hilfe zu bitten.   Immer wenn die kleine Crew den unmittelbaren Einflussbereich des Turms verlässt, bemüht sich Hough, eine bedrohliche Atmosphäre zu beschreiben. Leider kommen diese Passagen vor allem auch im direkten Vergleich zu den vielen zu Dialog lastigen Szenen zu kurz. Der Leser wünscht sich wahrscheinlich, diese inzwischen unwirtlichen Plätze nicht nur besser kennenzulernen, sondern vor allem von dem leider in diesen Passagen auch dominanten Zombie Sub Thema abzulenken. Ein wenig mehr Originalität hinsichtlich der Bedrohungen im Kleinen wäre wünschenswert gewesen. Die Idee des funktionieren Sternenturms ohne weitere Erklärung ist ohne Frage originell. Vor allem wenn der Leser den vorliegenden Roman in Kombination mit den angesprochenen Werken von Forstchen und Clarke sieht, in denen die beiden wissenschaftlich vorgebildeten Autoren keine Kosten und Recherchemühen gescheut haben, um diese gigantische Projekt aus der Ameisenperspektive der Menschen zu beschreiben, die ihr Leben und ihr ganzes Wissen eingesetzt haben. Hough hebt hoffentlich den Vorhang seiner Schöpfung in den beiden folgenden Romanen seiner Serie.  Er tötet zwar einige wichtige Protagonisten und überrascht damit die Leser, aber der wie mehrfach erwähnt faszinierende und wirklich interessante Hintergrund seiner Geschichte bis auf die von Virus befallenen lebenden Toten muss in den Fortsetzungen noch ausgebaut werden.  Der Debütroman weißt trotzdem einige Längen und umständliche gestaltete Passagen auf. Zusammengefasst ist aber „Darwin City“ trotz der angesprochenen Schwächen ein – immer wenn sich Hough von den offensichtlichen Mechanismen löst – ein über weite Strecken kurzweilig zu lesender noch viele Fragen aufwerfender Science Fiction Roman.

Taschenbuch, Knaur TB
608 S.

ISBN: 978-3-426-51934-9