Kara Ben Nemsi- Neue Abenteuer: Die Rückkehr des Schuts

G.G. Grandt

Mit über siebzig Fußnoten und einem ausführlichen Nachwort macht G.G. Grandt seinen Lesern überdeutlich, wie nahe er seinen ersten Sechsteiler um „Kara Ben Nemsi“ und seinen treuen Diener Hadschi Halef Omar vor allem um den ersten Sechsteiler Karl Mays herum konzipiert hat. Wie der Titel nicht nur impliziert, sondern manifestiert, kommt es zur Rückkehr des Schuts, des charismatischen Gegenspielers Kara Ben Nemsis. Auch in dem Vierteiler von Alexander Röder in der Reihe „Karl Mays magischer Orient“ tritt wieder der Schut auf. Während Alexander Röder auf Magie setzt, präsentiert G.G. Grandt so nahe an Karl Mays Original eine deutlich simplere, aber nicht unspannende Lösung. Der Schut hat den Absturz überlebt, weil er sich geistesgegenwärtig an einer Erdwurzeln festhalten konnte. Ungesehen und geschützt durch einen Felsüberhang. Für G.G. Grandt spricht, dass er mit einer perfekteren Mischung aus Dialogen, Hintergrundinformationen und vor allem einer rasant vorangetriebenen Handlung den Original Karl May besser interpretiert als es Alexander Röder getan hat, der stilistisch andere Wege gehend wichtige Aspekte aus dem Werk des Sachsen vor allem extrapoliert und magisch aufpoliert hat. In Alexander Röders Arbeiten findet der Leser ohne Frage moderner erscheinende Nebenfiguren, deren Erscheinen wahrscheinlich auch teilweise auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet ist, während Grandt sich vor allem auf das konzentriert hat, was Karl May bis heute auszeichnet. Phantastische Abenteuer, sehr kompakt und konzentriert erzählt und vor allem eine lange Reise.

Auch wenn die beiden Gefährten zusammen mit dem allgegenwärtigen Engländer Sir David Lindsey an einer Stelle die bekannte tödliche Salzwüste durchqueren müssen und diese Szenen absichtlich an den Auftakt von „Durch die Wüste“ erinnern, hat Grandt den ersten Band dieses von verschiedenen Autoren verfassten Mehrteilers gänzlich anders komponiert als es Karl May in "Durch die Wüste" versuchte. In Karl Mays Büchern folgten die Gefährten einer fast vagen Spur, kämpften gegen die Feinde des Schuts und begegneten dem Schurken erst im letzten Band. „Die Rückkehr des Schuts“ beginnt gleich mit einem Paukenschlag. Hadschi Halefs Sohn wird entführt. Ausgerechnet kurz vor dem erneuten Eintreffen Kara Ben Nemsis an den Küsten Marokkos. Grandt setzt während dieses spannenden Auftakts Kenntnisse nicht nur der Originalromane voraus, immer wieder verweist er auch auf Jörg Kastners Vorgeschichte des kleinen tapferen Hadschi Halef Omars. Das könnte keine Anhänger des ganzen Universums ein wenig verwirren, aber die Balance zwischen schnell voran getriebener Handlung und vor allem einigen prägnanten Hintergrunderklärungen funktioniert überraschend gut und stellt zufrieden. Schnell müssen Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar erkennen, dass die Entführung einen anderen Hintergrund hat. Der Klappentext verrät im Grunde zu viel und leider wirkt der Cliffhanger am Ende des kurzen, aber auch kurzweilig zu lesenden Romans eher wie eine Hommage auf die Serials der dreißiger und vierziger Jahre. Niemand bezweifelt eine Sekunde, dass eine wichtige Figur wirklich sterben kann, zumal es in den siebziger Jahren einen weiteren Sechsteiler mit Genehmigung des Karl May Verlages gegeben hat, in dem ebenfalls auf den Ereignissen von „Durch die Wüste“ aufgebaut worden ist. Während das zu offene Ende in der vorliegenden Form nicht unbedingt zufrieden stellt, wirkt auch die Erwähnung des Schuts sowohl im Titel als auch auf dem Klappentext am Ende Spannungsnegierung. Immerhin müssen sich Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar immer von Hinweisen, kurzen Nachrichten und einigen Fallen begleitet mehr und mehr tödlicheren Gefahren stellen, um vielleicht die Entführer Kara Ben Halefs zu fangen. Während die beiden Überhelden noch rätseln, weiß der Leser, in welche Richtung sich der Plot entwickelt und so ist das Erscheinen des Schuts auch keine wirkliche Überraschung mehr. Die einzelnen Sequenzen sind nicht unspannend und nicht selten bemüht sich Grandt, von einigen stereotypen Handlungsmustern abzuweichen und ganz bewusst andere Herausforderungen wie der Kampf gegen wilde Bestien oder den „Wegweiser“ Sir David Lindsey zu beschreiben, die stärker an einen Fantasy Roman oder die römischen Brutalitäten erinnern. Auf den ersten einhundert Seiten werden so viele Fallen und gefährliche Situationen aneinander gereiht, dass es ein reines Vergnügen ist, nicht nur Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar zu folgen, sondern mit Krüger- Bei eine weitere schillernde Figur aus den Original begrüßen zu können.

Die erste, aber wahrscheinlich in diesem Zyklus nicht letzte Begegnung mit dem Schut rundet die Handlung zufrieden stellend ab, wobei der Schut mehrfach den Fehler eines James Bond Helden begeht, zu viel erklären zu wollen und zu wenig zu handeln. Im Gegensatz zu Karl Mays Geschichten, in denen nicht eine einzige Falle des Schuts wirklich lange funktioniert hat, gewinnt er zumindest die ersten kleineren Auseinandersetzungen und Kara Ben Nemsi muss sich einmal selbst als leichtsinnigen Narren beschimpfen.

Auch wenn manchmal die vielen zu sehr bemühten Hinweise an die Originale den Lesefluss ein wenig stören und der Leser sich mit der Nase immer wieder darauf hingewiesen fühlt, wie sehr Grandt die Vorlagen zumindest im Geiste, wenn auch nicht gänzlich wörtlich in die Gegenwart übertragen hat, gelingen dem Autoren auch durch die Nutzung einiger anderen Quellen, die im kurzweilig zu lesenden Nachwort aufgeführt worden sind, einbe Reihe sehr intensiver Szenen, deren Atmosphäre und Dramatik dem Original ohne Probleme, aber auch auf eine modernere Art und Weise das Wasser reichen können. Hier sei auf den drohenden Tod durch Verdursten genauso hingewiesen wie auf die rettend eingreifenden Tuareg, einem Stamm, dem Karl May expliziert nicht begegnet ist. Stilistisch weniger expressiv als der Sachse, dafür mehr Wert auf eine fließende Handlung legend unterhält der erste Band der neuen Abenteuer von Kara Ben Nemsi ausgesprochen angenehm. Es ist kein billiger Abklatsch oder gar eine simple Kopie der Originale, sondern ausgehend von der Idee, das der Schut seine Rache nicht nur am liebsten kalt genießt, sondern die Gefangennahme und Tötung vor allem von Kara Ben Nemsi so intensiv und perfide geplant hat, entwickelt sich eine spannende Schnitzeljagd durch die Wüsten Marokkos und Lybiens mit einem Abstecher an die Küste. Die Herausforderungen sind abwechselungsreich und da diese mittels Botschaften sogar geplant sind, kommt es zu keiner unglaubwürdigen Übersättigung der Leser.

Die einzelnen Figuren hat G.G. Grandt erstaunlich gut, wenn auch nicht so archaisch frei wie der sächsische Autor  im Griff. Nur einmal verweist absolut unnötig Kara Ben Nemsi auf sein Alter Ego Karl May.  Das scheint zur Methode zu werden. Die inneren Monologe beschränken sich auf das absolut Notwendigste und der Umgang mit seinem Diener Hadschi Halef Omar ist respektvoll. Durch die Abenteuer sind sie nicht nur zu Freunden geworden, sondern absolut gleichberechtigt. Es ist für Kara Ben Nemsi eine Ehrensache, seinem Freund zu helfen. Die Dialoge sind deutlich realistischer als die schnörkelige Sprache Karl Mays, die wahrscheinlich die Leser auf allen Ebenen in seinen Phantasie Orient leiten sollte. Sir David Lindsey ist nicht die tragisch komische Figur, die Karl May als auch Alexander Röder in seiner Tetralogie aus ihm gemacht haben. Krüger- Bei ist aber die am meisten zufrieden stellende Figur aus den Vorlagen. Während Kara Ben Nemsi sich noch bei den meisten seiner Feinde wie in den Vorlagen zurückhält, ist Krüger- Bei nicht zuletzt aufgrund seines Status von Amts wegen auch entschlossen, mit Dieben und Mördern entsprechend umzugehen und sie zu töten. Während Alexander Röder wie eingangs erwähnt mit der jungen Diebin und der Freiheitskämpferin neue Figuren eingeführt hat, genügen G.G. Grandt in vollem Umfang die von Karl May erschaffenen Protagonisten. Die Intensität des Plots macht eine ausführlichere Charakterisierung unmöglich, aber wie bei Kollege Röder sind es nicht mehr die klassischen Überhelden Karl Mays. Kara Ben Nemsi und sein getreuer Diener sind nicht allwissend und handeln teilweise instinktiv dadurch falsch. Das führt zu gefährlichen Situationen, wobei die Spannung nur relativ uneingeschränkt aufgebaut werden kann. Sie sind wie erwähnt fehlbar, aber nicht schwer verletzbar. Es muss eine Brücke zur gefährdeten Umgebung geschlagen werden.  Natürlich treten im Hintergrund neue Stichwortgeber oder wie die Tuareg Retter in letzter Sekunde auf, aber sie geraten schnell angesichts der wie mehrfach angesprochenen rasanten Handlung in den Hintergrund, so dass die Seiten genauso schnell verfliegen wie die Kilometer, welche die beiden „unsterblichen“ Helden bei der Jagd nach den Entführern des kleinen Jungen zurücklegen. Vielleicht hätte es dem Roman noch ein wenig mehr geholfen, wenn G.G. Grandt dem Leser noch mehr von der Langsamkeit des Reisen und den vielen Wochen mit auf den Weg gegeben hätte, die Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar zwischen den einzelnen Hinweisen auf ihren Kamelen verbracht haben. Es ist aber nur eine kleine Schwäche eines zufrieden stellenden Abenteuers, das mit einer besseren Verschleierung des Erzschurken sogar noch spannender und intensiver hätte werden können. Ein guter Auftakt für die neuen Abenteuer Kara Ben Nemsis.

Band 01, Abenteuer-Roman
ISBN: Exklusiv nur im BLITZ-Shop www.blitz-verlag.de
Seiten: 160 Taschenbuch

Künstler: Mark Freier
Künstler (Innenteil): Mark Freier

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