Dan Cooper Gesamtausgabe Band 5

Albert Weinberg

Im fünften Band der Gesamtausgabe erscheinen neben den drei gesammelten Alben und dem ausführlichen Vorwort zwei sehr konträre kürzere Arbeiten. Zum einen ein humoristischer Comic, der sich mit der Entstehung und den ersten Flugversuchen Dan Coopers auseinandersetzt, zum anderen eine der fotorealistischen Geschichten, die nicht selten in den Magazinen für Jugendliche informierend und gleichzeitig auch unterhaltend eingesetzt worden sind. Im Vorwort gehen die Herausgeber auf Weinbergs Entwicklung nicht nur als „Dan Coopers“ treibende Kraft ein,  sondern seine veränderte Stellung in der Riege der „TinTin“ Autoren.  Insbesondere die Umgestaltung des Magazins und die Abkehr von Herges Ideen spiegeln sich in Geschichten/ Serien wie „Dan Cooper“ über deren einzelne Alben sehr gut wieder. Moderne Technik,  exotische aber realistisch beschriebene Schauplätze und möglichst viel Action. Die Comics werden mehr und mehr von sekundärliterarischen, reichhaltig bebilderten Artikel begleitet. Weinberg ist dieser Entwicklung in seinen ersten Alben vorweg gelaufen, in dem er immer wieder erklärende Text in den fortlaufenden Text eingebaut hat. Auch der finanzielle Erfolg ermöglicht es Weinberg, das Angenehme des Reisens mit der Arbeit an neuen Geschichten zu verbinden. Die technische Authentizität der Texte wird durch einen auf persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen basierenden Hintergrund noch besser als in den ersten, vielleicht manchmal noch ein wenig „steif“ wirkenden Alben herausgehoben.

Dan Cooper ist – wie im letzten Album beschrieben – inzwischen Leader der kanadischen Kunstflugstaffel, die in Europa stationiert ist. Mit seiner offenen, aber auch bestimmten Art hat er aus den Individuen eine sehr gute Truppe gemacht. In „Tiger der Meere“ greift Weinberg aber auch ein altbekanntes Thema auf. Eine geheimnisvolle Erfindung, eine mächtige offensichtlich von einer fremden Nation geführte Organisation und schließlich Dan Coopers Vater, der lange Zeit das Geheimnis vor der Welt zu verstecken sucht. Gleich zu Beginn wird ein Wissenschaftler in der Wüste Australiens aufgefunden. Einheimische bringen ihn zu Dan Coopers Vater. Dieser kennt ihn. Er hat vor einiger Zeit einen modernen Laser entwickelt, der zu einer ultimativen Waffe umgestaltet werden kann. Er ist entführt worden, konnte aber vom U Boot fliehen, das im entscheidenden Moment wahrscheinlich durch eine alte Unterwassermiene untergegangen ist. Mit den Unterlagen. 

Jetzt jagt die Organisation Dan Coopers Vater. Der Zufall will es, dass Dan Cooper seine Kunstfliegerstaffel an die französische Mittelmeerküste versetzt, wo auch das U- Boot ursprünglich untergegangen ist. Sie können den Angriff auf den anreisenden Vater verhindern. Zusätzlich vereiteln sie einen militärisch geführten Anschlag auf ihre Maschinen, bevor sie erst nach den Unterlagen tauchen und dann aufgrund der Entführung ihres einzigen weiblichen Mitglieds den Spieß umdrehen und die Verbrecher selbst  jagen.

Einige Versatzstücke kennen die Leser schon aus vorangegangenen Abenteuern. Neu ist, dass Weinberg wie im Vorwort der Ausgabe ausführlicher dargestellt wird, mehr und mehr die einzelnen Plätze seiner Abenteuer im Vorwege besucht hat. Zusätzlich ist er einer der Autoren gewesen, die sekundärliterarische Artikel für das umgestaltete „TinTin“ Magazin verfasst hat. Beides spiegelt sich in den Hintergründen der Story besser wider.  Die geheimnisvolle Organisation im Auftrag einer nicht näher bezeichneten, aber anscheinend auch nicht kommunistischen Macht ist überdurchschnittlich gut ausgerüstet. Neben den militärisch geschulten Truppen, die sich aber während des finalen Showdowns naiv überlisten lassen, ragt das gigantische Atom U- Boot aus der Masse heraus. In diesem Album nutzt Weinberg vor allem militärische Technik ambivalent. So erkennt die französische Küstenwache weder ein gesunkenes U- Boot vor ihrer Küste noch das Eindringen des Atom U- Boots in dessen Gewässer.  Ein Anschlag auf die allerdings kleine Basis der Kanadier mit mehreren Toten und vor allem einem gigantischen Brand soll angeblich von den Medien nicht publiziert und vom französischen Geheimdienst nicht untersucht werden.  Zusätzlich der Überfall mit einem Privatflugzeug – mittels Maschinengewehren wird die Maschine von Dan Coopers Vater abgeschossen und zusätzlich einer der Kunstflugsjets der Kanadier zum Absturz gebracht, ohne das es Wellen schlägt – im französischen Luftraum. Dan Cooper bewegt sich mehr und mehr in seiner eigenen Welt.  Die Kameradschaft auch für die Verletzten ist überdurchschnittlich. Hinzu kommt, dass Weinberg zwischen dem Übermut seiner Machos und ihrer Entschlossenheit, für das Gute zu kämpfen, eine bessere Balance gefunden hat als in den ersten Alben mit den im Grunde nicht kontrollierbaren tickenden, aber sehr gut fliegenden "Zeitbomben". Ihre Aktionen sind nach außen Ziel gerichtet und nicht mehr so selbstzerstörerisch wie in den ersten Alben, in denen Dan Cooper diese Truppe nicht einnorden konnte. Da es sich nicht mehr um Militärmaschinen, sondern die Welt berühmte Kunstflugstaffel handelt, können sie sich deutlich „freier“ bewegen. Die Actionszenen sind dramatischer und das Ende in diesem Fall pragmatisch. Wieder sind es freie Geister, unabhängige Wissenschaftler, welche der Welt den Fortschritt bringen, obwohl ihre Entwicklungen  natürlich sehr schnell waffentechnisch pervertiert werden können. Trotz des militärischen Gehabes hat Weinberg von der ersten Geschichte an- Coopers Vater legt Wert darauf, dass seine militärischen Ideen zu keinem Ungleichgewicht der Weltpolitik führen – immer wieder einen pazifistischen globalen Gedanken im Auge, der selbst die nur ihre Pflicht erledigenden Russen umfasst.

Deutlich interessanter und auf den ersten Blick utopischer ist „Fliegende Untertassen greifen an“. Es ist aber keine klassische Science Fiction Geschichte. Die UFOs erscheinen über Luxemburg.  Eine Maschine aus Dan Coopers Staffel stürzt ab. Der Pilot wird vermisst, er ist wahrscheinlich tot. Dan Cooper macht sich gegen den Willen der Vorgesetzten auf den Weg und beginnt die Absturzstelle zu untersuchen. Er hat Glück, dass er auf ein Mitglied des kanadischen Geheimdienstes trifft. Stammleser kennen die Figur schon aus dem ersten Album. Er ermöglicht ihm den Zugang zum Absturzort. Allerdings finden sich lange keine Spuren des Piloten.

Weinberg greift in dieser stringenten Geschichte alle Ideen der UFO Sichtungen auf. Elektronische Geräte wie Autos funktionieren in der Nähe der Landeplätze nicht. Dan Cooper wird während der nächtlichen Suche von einem Strahl getroffen, der seine Haut oberflächlich verbrennt.  Die UFOs können waghalsige Flugmanöver durchführen, denen seine Maschinen nicht folgen können. Sie schweben lautlos durch die Nacht. Anscheinend gehören sie zu einem gigantischen Mutterschiff. Ihre Piloten bleiben „gesichtslos“.  Geschickt baut der Autor und Zeichner eine Idee auf die andere. Selbst der Gedächtnisverlustes der entführten „Opfer“  passt sich perfekt ein. Auf der anderen Seite die Suche nach dem verschollenen Kameraden.  Das große Manko der Serie ist vielleicht in diesem Punkt, dass die guten Helden nicht sterben. Der Autor akzeptiert allerhöchstens eine Selbstopferung, um tausende von Menschen zu retten. Ansonsten überleben sie Abstürze und Abschüsse.  Selbst Erblindung kann operativ geheilt werden. Für Weinberg ist das Fliegen dieser schnellen Maschinen im Grunde pure Magie.  In seinen Geschichten dominieren unabhängig von den Gefahren und technischen Entwicklungen die klassischen Mechanismen des Jugendcomics. Einige Charaktere, mit denen man sich als Junge identifizieren kann. Meistens sind es Männer, die sich irgendwie auch wie Kinder benehmen dürfen, bis der strenge, aber sehr faire „Vater“ Dan Cooper sie wieder auf Linie bringt. Mit dem schwarzen allgegenwärtigen Pudel wird ein zusätzlicher Traum erfüllt.  Dazu eine platonische Liebe- Weinberg fährt diese Idee durch Coopers Aufenthalt in Europa deutlich zurück – und mit Francine eine hübsche Frau im von Männern dominierten Team möglichst in Hosen, die Flugzeuge fliegen, Kranke pflegen und schließlich sogar Karate kann. Im Gegensatz zu den Spionageplots, welche die letzten „Dan Cooper“ Alben dominierten, wirkt die Handlung von „Fliegende Untertassen greifen an“ gesetzter und wird auch in einem gemäßigteren Tempo erzählt. Auf der anderen Seite schlagen Weinbergs Reiseeindrücke deutlicher durch. Die Hintergrundszenarien sind noch realistischer als in den letzten Alben gestaltet worden und der Autor legt viel mehr Wert auf eine überzeugende Atmosphäre, als nur kontinuierliche und teilweise ein wenig zu übertriebene, dadurch auch unrealistische erscheinende Action.    

Am Ende bietet Weinberg dem Leser keine Antworten, sondern im Grunde noch mehr Fragen an. Wie in seinen frühen utopischen Stoffen besteht die Möglichkeit, dass der Mensch nicht alleine im Universum ist, aber der Autor/ Zeichner weigert sich, Antworten auf diese Frage zu geben. Hinsichtlich der Chronologie wird nicht nur in dieser Geschichte, sondern auch dem im direkten Vergleich deutlich kürzeren, darauf folgenden Album „Panik auf Cape Kennedy“ ein Teil der schon veröffentlichten „Dan Cooper“ Album ignoriert. Dan Cooper ist zwar einer der ersten Kosmonauten Europas, über seine Exkurse bis zu den Marsmonden finden sich keine Hinweise mehr.

In mehrfacher Hinsicht ist „Panik auf Cape Kennedy“ nicht nur eine der besten Geschichten die Ausgabe oder der ersten zwei Epochen „Dan Coopers“, es ist eine Story, in welcher Albert Weinberg positiv wie absichtlich mit den Erwartungen der Leser spielt. Dan Cooper wird von seinen „Red Bisons“ in die USA versetzt. Er nimmt nicht nur Abschied von den Kameraden, sondern auch Racker. In den USA soll er aufgrund seiner Erfahrungen als Kosmonaut das amerikanische Raumfahrtprogramm auf Cape Kennedy befruchten. In einem Hotel in der Nähe macht Dan Cooper eine seltsame Entdeckung. Zwei Froschmänner verschwinden mit einem dritten Mann unfreiwillig im Pool. Zu einem anderen Zeitpunkt muss der Start einer Rakete abgebrochen werden. Die Kapsel schlägt in der Nähe der Basis im Meer auf und Delphine beginnen sie zu entführen. Bei der Verfolgung stößt Dan Cooper auf ein seltsames Amphibienfahrzeug. Höhepunkt ist schließlich ein Angriff auf Cape Kennedy.

 Aus technischer Sicht ist das vorliegende fünfzehnte „Dan Cooper“ Abenteuer ein herausragender Meilenstein Albert Weinbergs. Er hat die Basis Cape Kennedy vor Ort besucht. Nicht nur diese Geschichte ist das Ergebnis, sondern auch einige Artikel. Bis in die kleinsten Details zeichnet er die mächtigen Raketen, die gigantischen Transportmaschinen und schließlich auch die futuristisch erscheinende Technik der angreifenden Froschmänner mit dem Neptunzeichen nach. Geschickt wechselt Weinberg immer wieder die Perspektive und präsentiert dadurch die Dimensionen dieser Basis überzeugend.

Der eigentliche Plot ist nicht mehr nur die bekannte Mischung aus Spionagegeschichte und Action, sondern erinnert mehr und mehr an die immer populärer werdenden „James Bond“ Geschichten, wobei „Dan Cooper“ in einem direkten Vergleich fast als Pazifist die Vereinigten Staaten und ihre Raumfahrt zu retten sucht. Immer wieder begibt er sich alleine in Gefahr und schaltet die potentiellen Angreifer mit spektakulären Aktionen wie dem brennenden Tankwagen aus.

 Auf den letzten Seiten überrascht Albert Weinberg nicht nur den Leser, sondern vor allem auch Dan Cooper, in dem er die vorliegende Handlung buchstäblich auf den Kopf stellt und alles aus einer etwas anderen Perspektive beschreibt. Dieses Überraschungsmoment hebt das Album aus den anderen „geheime Mächte mit unbeschreiblicher Technik“ Geschichten deutlich hervor und rundet die Präsentation des Komplexes überdurchschnittlich gut ab. Durch die deutlich stringentere Handlung wirkt der Plot auch ausbalancierter und es fehlt die im Vergleich zu einigen anderen Geschichten zu lange und teilweise alberne Exposition. Während der Erscheinung des Albums auf der damals technischen Höhe liest sich die Geschichte auch fast fünfzig Jahre nach ihrer Veröffentlichung immer noch erstaunlich frisch und kurzweilig unterhaltsam.

 Spätestens mit den hier in diesem fünften Band der Gesamtausgabe versammelten Storys hat Albert Weinberg seinen Rhythmus gefunden. Nach dem Abstecher zu den „Red Bisons“ und der Exkursion auf die amerikanische Raumfahrtbasis fliegt Dan Cooper mit dem letzten Panel des insgesamt fünfzehnten Albums wieder in Richtung Heimat, in Richtung Kanada. Obwohl der Subzyklus um die „Akrobaten der Lüfte“ klischeehaft begonnen hat, kriegte Weinberg abschließend die Kurve und hat Dan Cooper im Verlaufe der drei Alben zu einem deutlich reiferen, Verantwortungsbewussten Anführer einer Gruppe exzellenter Flieger gemacht. Auch in den kommenden Alben wird Weinberg seine Figur obwohl immer jugendlich agil weiter entwickeln.

Über die Qualität der „Splitter“ Hardcoverausgabe braucht man wenig Worte zu verlieren. Die großformatigen Zeichnungen zwischen den Alben bilden einen sehr guten Übergang, die wichtigsten Fakten sind komprimiert zusammengefasst und das einleitende, sehr reichhaltige bebilderte Vorwort bietet fokussiert immer wieder neue Informationen an. Hinzu kommt die Qualität, mit welcher die teilweise über fünfzig Jahre alten Zeichnungen Weinbergs nachgedruckt worden sind.

 

  • Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1 (1. Januar 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3958393462
  • ISBN-13: 978-3958393462
  • Originaltitel: Dan Cooper
Kategorie: