The Peddler

The Peddler, Titelbild, Rezension
Richard S. Prather

Mit “The Peddler” aus dem Jahr 1952 hat Hard Case Crime einen weiteren, inzwischen fast vergessenen Roman eines Bestsellerautoren neu und vor allem ungekürzt veröffentlicht.  Richard Prather ist in den USA vor allem durch die „Shell Scott“  Serie bekannt geworden.  Beginnend 1950 erschienen mehr als drei Dutzend der Krimimysterythriller.  Im Gegensatz zu vielen anderen eher intellektuell angehauchten Detektiven handelt es sich bei Shell Scott um einen kräftigen, fast zwei Meter großen Marine, der aber niemals älter als dreißig Jahre geworden ist, obwohl die Roman in dem angesprochenen Zeitraum von 1950 bis in die achtziger Jahre mit einem posthum publizierten weiteren Buch erschienen sind.

Das erste Mal ist „The Peddler“ unter dem Pseudonym Douglas Ring erschienen, zwölf Jahre später noch einmal unter Richard S. Prather. Ohne Frage handelt es sich um ein sehr ungewöhnliches, wenn auch teilweise plottechnisch auch vorhersehbares Buch.

Tony Romero ist in einem der Armenviertel in San Francisco aufgewachsen. Mit knapp zwanzig Jahren – er macht sich kontinuierlich älter – wartet er immer noch auf den großen Durchbruch. Als er eine Jugendfreundin wiedertrifft, die in einem der örtlichen Bordelle arbeitet, sieht er seine große Chance. Ein weiterer Bekannter ist schon eine Stufe höher in der Organisation. Seine Bekannte soll ihn einschleusen.

In vielen Punkten ist „The Peddler“ ein ungewöhnliches Buch. Tony Romero ist im Grunde die klassische Synthese aus einem jungen James Cagney der dreißiger Jahre und ein Vorgriff auf die Figuren, die Mario Puzo in „Der Pate“ so bekannt machen sollte. Tony Romero verfügt über einen brennenden Ehrgeiz. Seine ehemalige wie jetzige Freundin erkennt das relativ schnell. Naiv versucht sie ihn zu überzeugen, dass sie mit dem Geld aus dem Bordell sie beide ernähren kann. Während der ersten Stufen hat Tony Romero keine Skrupel, sie weiter anschaffen zu lassen. Selbst als ein höher rangiger Mafiosi ganz bewusst sie sich für eine schnelle Nummer aussucht, reagiert er anfänglich gar nicht. Als er sich schließlich persönlich angegriffen fühlt, schlägt er den Mann brutal zusammen und bedroht ihn mit dessen Messer. Diese Rücksichtslosigkeit, dieser Egoismus lässt ihn positiv wie negativ aus der Masse herausragen. Dass die Frau eines weiteren „Vorgesetzten“ heiß auf ihn ist, soll seine Attraktivität doppelt unterstreichen. Aber neben seinen negativen Eigenschaften – er lügt, ist eitel und schlägt auch gerne Frauen – ist er aber auch ein cleverer Junge, der die Chance mit beiden Händen ergreift, die ihm nicht das Schicksal, sondern seine persönliche Verschlagenheit vor die Tür gelegt hat. Schnell macht er die Bordelle effektiver und gewinnträchtiger, in dem er die Frauen wie Vieh rotieren lässt; neue Frauen auch in der zweiten Hälfte des Romans quasi auf dem Lande rekrutiert und schließlich auch ein Haus für die Männer eröffnet, die besondere Neigungen haben. Das wirkt alles geschäftstüchtig und für einen Roman aus den fünfziger Jahren ohne expliziert zu sein auch sehr offen.

Zweimal bringt ihn sein Ehrgeiz in Schwierigkeiten. Einmal wird ihm eine Falle gestellt und die Polizei verhaftet ihn wegen Mordes. Als er ein nicht lizensiertes Bordell aufräumen soll,  wird ein Polizist erschossen. Kurz vor dem Gipfel des Ruhm, der zweit höchsten Ebene in der Organisation zerbricht sein bisheriges Patenleben.

Der Aufstieg wird ausgesprochen kurzweilig und vor allem brutal pointiert beschrieben. Es ist eine Unterwelt, in welcher Schein und Sein einen bizarren Kontrast bilden. Wie gut die Erotikmafia organisiert ist und welche unglaublichen Geldsummen schon damals verdient worden sind,  rechnet der Autor dem Leser minutiös vor.        

Interessant ist zusätzlich, dass Tony Romero in erster Linie aus erster Hand lernt. Von den wilden Sexpartys hat er vielleicht mal gehört, aber seine erste Teilnahme dank seiner alten Bekannten überrascht ihn genauso wie es ihn anturnt. Es ist der Rausch der Macht vor allem über Menschen und die Idee des Geldverdienens ohne Skrupel, die ihn lange Zeit antreibt, obwohl sich die alten „Bekannten“ – Freunde hat man in diesem Milieu nicht- mehr und mehr von ihm zurückziehen und ihn warnen.

Nach dem Tod des Polizisten wird Tony Romero quasi aus dem Verkehr gezogen. Auf dem Land soll er neue Frauen für die Bordelle anwerben. Er erhält zwar immer noch seinen Anteil an den Einnahmen, aber er ist aus dem Geschäft. Nur weiß er es nicht. Auf dem Land versucht er sich anfänglich mit seinen Machomethoden und beginnt sich für die junge, ihn anfänglich ablehnende Betty zu interessieren.

Ob der Autor diese charakterliche Wendung wirklich beabsichtigt hat oder er der Zensur zum „Opfer“ gefallen ist, lässt sich heute nicht mehrt feststellen. Das Faszinierende wie Abstoßende an Tony Romero sind seine komplette amoralischen Vorstellungen gewesen. Im Gegensatz zu „Sacreface“ oder dem „Public Enemy“ ist Romero kein durch und durch brutaler Mensch. Er ist im Ghetto aufgewachsen. Er ist ein unerwünschtes Kind gewesen, das zu Kämpfen gelernt hat. Hier trifft er auf die auf den ersten Blick nur „brutalen“ und entschlossenen Mafiamitglieder. Mit Intelligenz schaut er sich ihre Schwächen aus und beginnt sie zu analysieren, in diese Lücken einzudringen.

Das er aufgrund der Liebe – dieses Element wird ein wenig ambivalent behandelt – oder der Ablehnung einer nicht aus dem Milieu stammenden Frau seinen bisherigen Lebensweg hinterfragt und vor allem sich positiv zu ändern wünscht, wird weder ausreichend vorbereitet noch nachvollziehbar erklärt.

Hinsichtlich der Charakterisierung der einzelnen Protagonisten scheint sich der Autor ausschließlich auf den Hauptprotagonisten zu konzentrieren. Die naive Prostituierte mit dem Herzen aus Gold für Tony Romero ist genauso eindimensional gezeichnet wie die nymphomane Frau des Gangsters, wobei diese nach ihrem reichhaltigen Erbe aus der Handlung verschwindet und ein interessanter Reizpunkt sich in Luft auflöst.    

Seine Kontrahenten agieren zu stereotyp. Aufgrund ihrer Charakterisierung ist es fast keine Überraschung, dass Tony Romero es so einfach hat. Hier wird einiges Potential verschenkt, auch wenn die erste Hälfte dieser schließlich doch stark moralisierenden und damit weniger effektiven Fabel vor allem fast siebzig Jahre nach der Erstveröffentlichung immer noch ein vielschichtiges Bild auf die sich rasant entwickelnde Unterwelt wirft, die erst angefangen hat, neben der Prostitution und dem Schmuggel das Glücksspiele für sich zu entdecken.

Auf den letzten ein wenig zu sehr vorhersehbaren Seiten versucht Richard S. Prather die Gewalt des Mobs in die Provinz zu bringen und stellt seinen nicht mehr so dominanten Protagonisten natürlich vor eine wichtige Entscheidung. Die brutale Brillanz der Auftaktkapitel wird nicht noch einmal erreicht, so dass „The Peddler“ zusammengefasst eine nicht unbedingt originelle, aber hinsichtlich des authentisch gezeichneten Milieus San Franciscos sowie des anfänglich exzellent gezeichneten jungen Wilden auch heute noch lesenswerte Gangstergeschichte ist. 

FormatPaperback
ReleaseNov 28th, 2006
PublisherHard Crime Case
ISBN0843955988
ISBN-139780843955989
Number of pages252 pages
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