Science Fiction Chroniken I

SF Chroniken, Müggenburg
H.J. Müggenburg

Mit den ersten drei von insgesamt einundzwanzig Science Fiction Romanen erweitert der „Emmerich Books & Media“ Verlag seine Müggenburg Werksausgabe um die Hauptarbeiten des Autors. Bislang sind vier Bände der „Hexer Stanley“ Reihe erschienen, in denen der humorvolle Ton mit einer Reihe von satirischen Anspielungen schließlich verfeinert worden ist. In dieser Hinsicht wirken die ersten professionellen Arbeiten Müggenburgs  noch ein wenig ungeschliffen, aber die Art und Weise, in welcher diese Werksausgabe basierend auf den Originalmanuskripten so weit möglich präsentiert wird, ist schon beeindruckend und lässt manche Sammlerherzen der alten, unterschätzten Zauberkreis Reihe höher schlagen.

 „Auf Tod programmiert...“ ist als Ganzes betrachtet eine humoristische Fingerübung für seine populären „Hexer Stanley“ Romane, in denen die Mischung aus stringenten Plot mit einigen Anspielungen auf eine britische Geheimagentenserie sowie einem nicht kindlichen, aber manchmal fast ein wenig kindischen Humor perfektioniert worden ist. In diesem in seiner ursprünglichen Fassung vorliegenden Manuskript präsentiert der Autor nicht nur zum ersten, aber nicht zum letzten Mal seinen Detektiv Randolph Wellington Templeton, sondern versucht sich an einer Parodie des Hardboiled Genres im Allgemeinen und der Sam Spade Abenteuer mit Humphrey Bogart im Besonderen. Zusätzlich bewegt sich der Autor auch noch sehr ambitioniert im Bereich der Science Fiction, einem Feld, das nicht selten humorscheu ist. Eine große Herausforderung vor allem für einen seiner ersten Texte. An den verschiedenen Mosaikstücken scheint der Autor auch fast zu scheitern.

Ein großes Problem ist, dass H.J. Müggenburg die Parodie der Hardboiled Romane fast zu weit treibt. Der Ich- Erzähler Randolph Wellington Templeton erzählt die Ereignisse um das für die Raumfahrt notwendige Plasma aus einem unvollendeten Rahmen heraus. Spannungstechnisch ist klar, dass er erstens das Abenteuer überlebt hat und zweitens die Täter stellen konnte. Daher wirken einige der Szenen deutlich bemüht. Hinzu kommt, dass Müggenberg relativ schnell die zahlreichen Klischees dieses speziellen Genres abarbeitet. Die attraktive Verlobte/ Freundin/ Motivationskünstlerin, bei welcher sich der Leser fragt, warum so überhaupt einen auf den ersten Blick so offensichtlichen Verlierer des Lebens mit im Laufe der Handlung geschickter Improvisation und hinsichtlich der einfachen Auflösung auch einem Auge fürs Details überhaupt lieben kann. Templeton ist, wie es sich gehört, im Grunde pleite und nimmt nur einen Auftrag pro Jahr an. Wahrscheinlich nicht, um die Konzentration hoch zu halten, sondern aufgrund der Tatsache, dass sich nur ein Mensch in seine Wohnschlafbüroräume verirrt. Auch der vorliegende Fall wird ihm zugeschanzt.

Sein Sidekick Ron ist clever, zurückhaltend und ebenfalls nicht gut aussehend. Er ist in wichtigen Szenen selbst aus der Ferne der entsprechende Stichwortgeber. Das wandelnde Lexikon mit einem Internetanschluss. Für die siebziger Jahre eine moderne Vorstellung.

Der eigentliche Fall mit dem Mord an einem Sicherheitschef eines wichtigen Raumfahrtkonzerns eröffnet das Tor zu einer Aggression in James Bond Dimensionen mit einem verrückten Brasilianer, der dank eines perfiden Tricks die insgesamt zweiundfünfzig Raumschiffe der Erde unter Kontrolle gebracht hat, um seine Forderungen durchzudrücken. Diese werden in einer weiteren Parodie der populären James Bond Serie in einer im Fernsehen übertragenen Rede präsentiert, von welcher uns der genervte Erzähler nur die ersten Minuten schenkt.

Immer wieder bricht der Schalk in Müggenburg durch. Die wenigen Actionszenen sind gut geschrieben und durchaus spannend. Der Autor präsentiert eine Reihe von sehr originellen Ideen und wie buchstäblich im Auge des Opfers Templeton seinen Weg findet gehört zu den besten Szenen des ganzen Romans, auch wenn unterstrichen wird, dass Hirn und Hand nicht immer zu einem Körper gehören müssen.

 Aber viel mehr verliert er sich in nicht immer durchgehend humorvollen Spitzen auf das Kapital, den amerikanischen Geheimdienst mit seiner Paranoia, übertrieben attraktive Sekretärinnen von natürlich kleinwüchsigen wie geizigen Konzernlenkern und schließlich einer Aktion/ Reaktion, die in der Entführung einer Templeton sehr nahe stehenden und natürlich weiblichen Person gipfelt.  

 Peter Emmerich schreibt in seinem Vorwort, dass H.J. Müggenburg in diesen frühen Arbeiten noch kein Gefühl für die vorgeschriebene Länge eines Heftromans entwickelt hat. Seine Texte sind zu lang gewesen. Der Lektor hat sie teilweise brutal brachial gekürzt. In dieser Werksausgabe werden – so weit vorhanden – die Romane nach den Originalmanuskripten neu veröffentlicht. Und hier zeigt sich besonders bei „Auf Tod programmiert...“ dass Müggenburg anfänglich sehr breit, sehr ausführlich und die Person Templetons betrachtend auch selbst verliebt erzählt, während er gegen Ende des Plots hektisch und ein wenig konstruiert die Handlung abzuschließen sucht. Dadurch wirkt diese humorvoll unterhaltsame, aber auch stellenweise konstruiert erscheinende Geschichte nicht gänzlich zufrieden stellend und schöpft vor allem gegen Ende des durchaus vorhandene Potential nicht aus. Es fehlt an dieser Parodie teilweise gelinde gesprochen ein wenig Fleisch.

 In „Jupiter- Plutonium“ kehrt H.J. Müggenburg zum zweiten und letzten Mal zu seinem Detektiv zurück. Es ist der einzige Roman, zu dem kein Originalmanuskript mehr gefunden werden konnte. Im direkten Vergleich zu „Auf Tod programmiert...“ wirkt der zweite Templeton Band deutlich besser strukturiert, straffer und die pointierten Dialoge erscheinen effektiver in die Handlung eingebaut worden zu sein. Ob das nur an dem strengen Lektorat gelegen hat oder die Tatsache eine Rolle spielte, dass der Autor den Hintergrund seiner Geschichte und die meisten Protagonisten nicht mehr ausführlicher erläutern musste, kann nicht mehr eruiert werden.

 Aus der Jahreslieferung von Plutonium der Firma Heavy Cybernetics fehlen bei der Inspektion 500 Kilogramm Plutonium. Daraus können fünfzig Atombomben gebaut werden. Zusätzlich wird der Sohn eines Werkleiters ermordet. Der Detektiv übernimmt die Ermittlungen, wobei erstaunlicherweise die CIA deutlich schneller ist als er und einer der reichsten Frauen des Universums und gleichzeitig Kontrahentin Heavy Cybernetics bei der Ausbeutung des Mars unter Mordverdacht verhaftet wird und relativ schnell abgeurteilt werden soll. Ihr Diener Francis – ein Jupitergeborener mit einer mehr als stattlichen Erscheinung – will ebenfalls den Detektiv anheuern, um die Unschuld seiner Herrin zu beweisen.

 Relativ schnell können weniger Templeton als sein unermesslich reicher und mit allen technischen Wassern sowie einer computertechnisch verstärkten Intelligenz ausgestatteter Freund Jenkins der Spur einer Bombe folgen und sie sogar in den Hallen des Jupitermondes Callisto unschädlich machen. Auch die Kontrahentin scheint inzwischen dank des Lügendetektors unschuldig zu sein. Aber die Versatzteile fallen vor allem für Jenkins und weniger für den liebesblinden Templeton zu schnell zusammen, so dass hinter der Verschwörung noch ein weiterer perfider Plan in James Bond Manier steckt.

 Wie eingangs erwähnt ist das Tempo deutlich höher und die Actionszenen werden in der bekannten übertriebenen Manier aber sehr viel besser und vor allem in sich geschlossener bis zum Ende erzählt. Dabei wechseln sich der ausschließlich reagierende Templeton und der viel geradliniger agierende Jenkins ab. Natürlich hat Templeton immer noch einen zu flotten Spruch auf den Lippen, der stellenweise an ein Klischee heranreicht, aber als Ganzes wirkt das ungeordnete Chaos sehr viel strukturierter.

 Vor allem hält Müggenburg den teilweise überzogenen wie selbstironischen Erzählstil bis zum in mehrfacher Hinsicht doppeldeutigen Ende sehr viel besser durch, ohne Gefahr zu laufen, eine Farce zu präsentieren, welche zu stark dem Hardboiled Roman entstiegen ist.

 Die Spannungskurve ist deutlich steiler und mit Nebenfiguren mit dem Faktotum Francis, das auch eine Überraschung beinhaltet, sowie der attraktiven wie verführerischen Vamp Konzernchefin hat H.J. Müggenburg vielschichtigere Nebenfiguren erschaffen.

 Wie erwähnt ist der eigentliche Held der Geschichte eher Ron Jenkins und vielleicht hätte es den Romanen gut getan, wenn Müggenburg noch mehr diesen James Bond nachempfundenen, aber trotzdem eigenständigen Held/ Millionär in den Mittelpunkt der Handlung gerückt hätte.

 Unabhängig von diesen Schwächen lässt sich aus „Jupiter Plutonium“ sehr viel besser das Potential der ganzen Serie ablesen als aus dem ersten Abenteuer „Auf Tod programmiert....

 Der einzige inhaltlich grundsätzlich ernsthafte und nicht vom Detektiv Templeton handelnde Roman dieser Sammlung ist „In Memoriam G.H. Walker“, der ebenfalls 1973 geschrieben, aber erst ein Jahr später veröffentlicht worden ist. Der Zauberkreis Verlag hat den Prolog deutlich gekürzt. Im Anhang findet sich ein entsprechender Vergleich. Lange Zeit kann der Leser nicht beurteilen, ob die  Kürzung der  stimmungsvollen  Eingangssequenz notwendig gewesen ist oder nicht. Erst der Epilog scheint diesen Kreis zu schließen.

Dazwischen findet sich ein ausgesprochen geradliniger Action Science Fiction Roman, der Ideen aus Filmen wie „Metaluna 4 antwortet nicht“ auf eine entsprechende Spitze treibt. Der Titelheld G.H. Walker ist ein auf der Erde lebender Veteran des Israelkrieges. Außerirdische bitten ihn, ihnen beim Kampf gegen ein sie immer wieder überfallendes Volk intelligenter Insekten zu unterstützen. Sie bitten Walker ein verlockendes Angebot. Seine Frau ist an den Rollstuhl gefesselt, die Medizin der Fremden kann sie wieder heilen. Walker schlägt ein.

 In „Metaluna 4 antwortet nicht“ sind die hilfsbereiten Menschen beim Konflikt zweier Planeten zu spät gekommen. Müggenburg verschiebt diese Prämisse. Auch Walker kommt im Grunde auf der persönlichen Ebene zu spät. Der Leser kann darüber streiten, ob die Idee der Entführung und Versklavung von Menschen angesichts der ebenfalls sehr hohen technologischen Standards der Insekten einen Sinn ergibt. Als Variante schiebt der Autor später die Idee von Experimenten an den Gefangenen ein. Unabhängig davon wird Walker in doppelter Hinsicht motiviert und die Idee einer Selbstmordmission mit einer ultimativen Waffe ist der Auftakt eines ausgesprochen langen Showdowns, in dessen Verlauf Müggenburg eine gute Actionszene an die Nächste hängt.

 Das Tempo des ganzen Romans ist ausgesprochen hoch, worunter vor allem in doppelter Hinsicht die Charakterisierung der Fremden leidet. Walker wird auf ein idealistisches freiwilliges Instrument reduziert, wobei der Autor auch ein wenig ambivalent mit einigen wichtigen Szenen umgeht. Auf der einen Seite der Todeswunsch, auf der anderen Seite durch seine Aktionen auch ein sehr starkes Überlebenswille, wobei ein Teil der Abläufe sich ja inzwischen verselbstständigt hat.

 Bei den Fremden wirkt die eindimensionale Zeichnung der natürlich brutalen, bösen Insekten mit ihrer hoch stehenden, aggressiven Gesellschaft genauso eindimensional wie die Pazifisten, welche Walker um Hilfe bitten. Schnell wird aus der friedlichen Atomkraft eine perfekte Waffe, auf der Heimatwelt der Insekten lernen befreite Gefangene im Handumdrehen im Gegensatz zu ihren Daheimgebliebenen, das es sich gut anfühlt, sich seiner Haut zu wehren und waffentechnisch sind sie im Handumdrehen gleichwertig. Da geht während des hohen Tempos manches zu einfach und stellenweise bis zum Raumschiff mit einer ironischen eigenständigen Bordintelligenz erscheint wie ein Versatzstück. Allerdings aus heutiger Sicht. Für einen Roman der siebziger Jahre hat der Autor sehr viele Ideen auf ausgesprochen wenig Raum gepackt und in einem direkten Vergleich mit den geschwätzigen Templeton Abenteuern altert „In Memoriam H.G. Walker“ sehr viel besser. Natürlich schwingt am Ende auch ein wenig Pathos in den Zeilen mit, aber Müggenburg hat seinen geschundenen Protagonisten buchstäblich doch zwei Höllen laufen lassen, bevor er wie der Titel impliziert Frieden finden kann.

 Der überwiegend fehlende Humor und die stringente, jederzeit nachvollziehbar, aus der positiv distanzierten dritten Person erzählte Abenteuerhandlung machen „In Memoriam H.G. Walker“ vor allem in einem direkten Vergleich zu den ohne Frage ambitionierten, aber zu sehr nach dem Licht einer überzeugenden Parodie strebenden Detektiv Templeton Abenteuern zum Höhepunkt dieser sorgfältig zusammengestellten, vor allem für Sammler aufgrund der überwiegend Nutzung der Originalmanuskript einzigartigen Ausgabe. 

 

 

 

 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1700 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 384 Seiten
  • Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung
  • Verlag: EMMERICH Books & Media, Konstanz (27. August 2017)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B0756GFPMS