Heliosphere 2265- Band 13 "Die andere Seite"

Andreas Suchanek

Mit „Die andere Seite“ beginnt Andreas Suchanek den zweiten Mehrteiler seiner „Heliosphere 2265“ Serie. Am Anfang des vorliegenden Romans fasst er das Geschehen der ersten zwölf Romane für Neueinsteiger gut, komprimiert, aber in der Fülle der Informationen natürlich auch ein wenig verwirrend zusammen. Es empfiehlt sich, die Serie nicht mit diesem dreizehnten Band zu beginnen, sondern am Anfang der langen Reise der „Hyperion“ zu starten.

In seinem Nachwort beschreibt Andreas Suchanek, das er den neuen Zyklus ruhiger beginnen wollte. Das ist nur bedingt richtig. Es wird weniger Wert auf Action gelegt und die Konzentration auf zwei Handlungsebenen ist für den Spannungsbogen positiv. Auf der anderen ebenfalls interessanten im Hintergrund laufenden Gesamtebene fügt Andreas Suchanek de Plot eher vage Hinweise hinzu, deren Auflösung ohne Frage in den folgenden elf Romanen passieren wird.

Die „Hyperion“ ist zu Beginn des Romans auf dem Weg in die Zukunft. Nicht in die richtige Zukunft, sondern in die Zukunft, welche eine Handvoll naiver Forscher über die letzten fünfhundert Jahren verursacht haben. Auf dem Flug in diese ungewisse Zeit, während die „Hyperion“ in der Gegenwart als verloren gilt, begegnet die erste Offizierin verschiedenen inzwischen toten oder „scheintoten“ Figuren ihrer mittelbaren und unmittelbaren Vergangenheit. Dabei wird sie auf einen besonderen geheimnisvollen Toten hingewiesen, der verschiedene Schlüssel in Händen hält. In einem seiner frühsten Vorworte hat Andreas Suchanek hinsichtlich seines Cliffhangars mehrfach gesagt, dass in „Heliosphere 2265“ auch wichtige Handlungsträger sterben können und sterben werden. Spätestens mit dem zwölften Roman relativiert er diese Aussagen ein wenig. Das bisher überwiegend harttechnisch orientierte Gefüge beginnt nicht nur durch die Idee der Zeitreise und alle ihrer Implikationen zu bröckeln, sondern durch solch ominöse, nicht uninteressante, aber auch sehr stark konstruierte Hinweise. Zu sehr rückt die „Hyperion“ im Allgemeinen und in der zweiten Hälfte wieder Captain Cross in den Mittelpunkt des Geschehens. Auch hier wirkt neben den schweren Verletzungen eine Operation nach, die in letzter Sekunde positiv abgebrochen werden kann. Andreas Suchanek sollte seinen Worten jetzt Taten folgen lassen.

Über die Zukunft erfährt der Leser bislang nur wenig. Die angeschlagene „Hyperion“ muss sich inzwischen als zeitlich sehr altes Schiff durch ein unbekanntes Gebiet schlagen und wird von den Ordnungskräften gestellt. Wie sie sich aus der im Grunde unlösbaren Situation rettet, ist eine Variation eines schon einmal erfolgreich durchgeführten Informationstricks. Auf der einen Seite wirkt diese Wiederholung bestehender Plotversatzstücke wie eine Bestärkung der Bedrohung aller Menschen durch die inzwischen Jahrhundertealte Diktatur, auf der anderen Seite darf Andreas Suchanek in bestimmte Schemata als „Deus Ex Machina“ Lösungen verfallen. Es ist zu früh, den vorliegenden Zukunftshandlungsstrang an Hand des ersten Abschnitts abschließend zu beurteilen, aber es ist ein schmaler Grad, auf dem sich der Autor bewegt. Auf dem Flug zum dunklen Wanderer wird die „Hyperion“ wahrscheinlich in bester Space Opera Manier weitere Teile dieser dunklen Zukunft erkunden, so dass noch ausreichend Raum ist, neue Ideen und Variationen in die Handlung einfließen zu lassen.

Was die Teile des Artefaktes in den ersten Romanen darstellten, ist jetzt ein geheimnisvoller Foliant, den Michael Larik Janies Tauser überreicht. Die rudimentären Informationen sind interessant. Auch hier bleibt hoffentlich eine zu starke Konzentration auf die „Hyperion“ im Mittelpunkt aller Ereignisse und eine zu starke Fokussierung auf Cross & Co. dem Leser für das ganze, bislang unfangreich und dreidimensional entwickelte Universum erspart.

Die zweite Handlungsebene – auf Sjöbergs Machenschaften auf der Erde sowie die bislang eher schwierig einzuordnenden Zukunftsrebellen verzichtet der Autor im Auftaktroman – fokussiert sich auf das NOVA System. Hier gelt die „Hyperion“ trotz aller Hoffnungen und Andeutungen als Totalverlust. Der Aufbruch in die Zukunft ist im Geschehen untergegangen, Trümmerteile und ein leeres Beiboot weisen auf den „Untergang“ des Schiffes hin.

Isa Janssen versucht, im NOVA System die demokratischen Kräfte zu bündeln und eine Verfassung mit einer solaren Republik auf den Weg zu bringen. Auch wenn diese zweite Handlungsebene nur einen kleinen Raum des Romans einnimmt, sind diese bodenständig semirealistischen Szenen sehr viel detaillierter, nuancierter und vor allem kompakter entwickelt worden. Schon im ersten Mehrteiler fühlt sich der Autor bei den Paranoia Sequenzen manchmal wohler als in Bezug auf die Haupthandlung. Der Kontrast zwischen Zukunft mit der „Hyperion“ und der Entwicklung im NOVA System ist sehr stark, aber diese Unterschiede machen auch den Reiz des vorliegenden Auftaktromans aus. Während der „Hyperion“ in mancherlei Hinsicht zu viel zu fällt, müssen die Rebellen in diesem System vor allem nach der Entführung der Admiralin Pendergast durch anscheinend eine zukünftige Version noch härter arbeiten, um sich zu schützen und eine brüchige Normalität aufzubauen.

Zusammengefasst ist „Die andere Seite“ ein interessanter, wenn auch nicht gänzlich befriedigender Auftakt zum neuen „Minizyklus“, in dem Andreas Suchanek vorsichtig und vor allem subjektiv aus der Perspektive der „Hyperion“ den Zukunftskosmos weiter ausbaut, während auf der Gegenwartshandlungsebene der bodenständige Realismus weiter dominiert. Der Plot ist deutlich breiter als im ersten Band der ganzen Serie aufgebaut. Vor allem erlaubt der Autor seinen „Helden“ zumindest in der Theorie, dass auch Unschuldige für die großen Ziele heimtückisch geopfert werden könnten und vielleicht auch irgendwann müssten. Der Autor zieht sich dann zwar elegant und sich selbst „wiederholend“ aus der Schlinge, aber alleine der Ansatz inklusiv der gut geschriebenen Dialoge lässt „Die andere Seite“ teilweise zu einem der reifsten „Heliosphere 2265“ Romane werden.

 

Wenn Andreas Suchanek manchmal auf das eine oder andere zu zufällig erscheinende Versatzstück – hier sei wieder auf die Möglichkeit hingewiesen, dass auch ein wichtiger Charakter wirklich endgültig sterben könnte oder sollte – verzichtet, dann kann sich die zweite Miniserie von „Heliosphere 2265“ nach der Etablierung eines allerdings im zwölften Band komplett hinterfragten detailliert entwickelten Kosmos sehr viel positiv freier und differenzierter entwickeln.

 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1628 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 111 Seiten
  • Verlag: Greenlight Press; Auflage: 1 (2. Dezember 2013)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00H2FQHSK