Amerika Band 2 - Sturmfahrt nach Amerika

Amerika 2, Rezension, Titelbild
Jörg Kastner

Auch wenn der zweite Band der großen Auswanderersaga von Jörg Kastner alleine auf dem Segelschiff spielt, das Jacob Adler und Martin Bauer in die neue Welt bringen soll, packt der Autor eine Reihe von isoliert betrachtet klischeehaften, im Zusammenhang aber sehr gut erzählten Szenen zusammen, um ein Seemannsgarn zu spinnen.

 Der historische Hintergrund ist weiterhin sehr gut entwickelt. Wichtige und unwichtige Informationen werden immer im Kontext der Handlung präsentiert. Die Beschreibungen sind prägnant und informativ, auf Wertungen verzichtet Kastner aus der Perspektive seines Protagonisten. Viele Informationen aus dem ersten Band holt Kastner für Neueinsteiger während der ersten Seegerichtsverhandlung nach und hat am Ende dieses im wahrsten Sinne des Wortes Schauspiels Stammleser wie auch Debütanten auf dem gleichen Wissensstand.

 Der Autor arbeitet weiter an der Freundschaft zwischen Adler und Bauer. Eine Hand wäscht die andere. In der ersten Hälfte hilft Bauer seinem Freund, in dem er Lebensmittel für den blinden Passagier abzweigt, später positioniert er seinen Freund passend an eine wichtige Stelle. Es ist eine dieser Szenen, in denen andere Autoren ein wenig Dunkles eingestreut hätten, um die Helden nicht ganz so glänzend und aufopferungsvoll zu beschreiben und dem potentiellen Zufall auf die Sprünge zu helfen. So sind es Alkohol und ein Sturm, der Jacob Adler im Grunde aus einer unmöglichen Situation heraus die abschließende und im Titel ja auch angekündigte Sturmfahrt nach Amerika ermöglicht.

 Die Schurken sind dabei eher eindimensional. Der hilflose, ein wenig naive Kapitän in den Fängen seines ersten Steuermanns. Zu deren Verhältnis offenbart Kastner am Ende weitergehende Informationen, die bei der ersten opportunen Möglichkeit zusammen mit der Leiche über Bord geschmissen werden können. Der erste Steuermann ist ein Scheusal. Er will sich an attraktiven wie schwangeren, aber vor allem mannlosen bzw. unverheirateten Frauen vergehen, was Jacob Adler aus seinem Versteck lockt. Immer wieder stellt er Adler kleine Fallen und sucht ihn zu bestrafen, auch wenn der wackere Handwerker mit seiner Hände arbeitet das Schiff nach dem ersten schweren Sturm quasi sinnbildlich auf Kurs gehalten hat. Kastner entwickelt vor allem einige zusätzliche Nebenfiguren eher opportunistisch bis zur Notwendigkeit, aber nicht mehr darüber hinaus. Die Helfershelfer bleiben bis auf eine einzige Szene blass. Natürlich setzt sich zumindest im Gegensatz zum ersten Band im zweiten Teil das Gute, das Heroische durch.

 Piet Hansen als erfahrener deutscher Steuermann allerdings mit einer etwas dunkleren Vergangenheit ist quasi das Bindeglied zwischen der brutalen Welt der Aussiedlerschiffe mit ihrem rücksichtslosen Kapitalismus auf Kosten der Gesundheit und der Leben der Aussiedler. Er hilft immer wieder Adler und Bauer, kann den brutalen Ersten Steuermann im Zaun halten. Andere Nebenfiguren erhalten ihre Augenblicke des Ruhm.

 Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung Kastner die momentan Dritte im Ausreiseverbund entwickeln möchte. Irene liebt ihren Mann, der sie schwanger nach einem Familienstreit zurückgelassen hat. Da sie in der preußischen Heimat nicht bleiben kann, will sie ihm folgen. Das ist ihr aber vom Gesetz her verboten. Adler bietet ihr Schutz an und beginnt sich in die attraktive Frau auf der Suche nach ihrem Mann wie er nach den Resten seiner Familie zu verlieben. Martin Bauer steht irgendwo zwischen den dreidimensionaler gezeichneten Figuren.

 Das große Problem der Serie ist immer noch die ein wenig überzogen erscheinende Konzentration auf den Protagonisten. Weiterhin der Überheld, der sich zum Vater eines ihm unbekannten Kindes macht; der mehrmals das Schiff und einzelne Besatzungsmitglieder rettet; der bis fast zur Naivität heroisch ist und auf die meisten Probleme mindestens indirekt eine entsprechende Antwort hat. Vielleicht sollte Kastner einzelne Szenen auslagern und seinen Jacob Adler ein wenig zurücknehmen, damit das Geschehen glaubwürdiger erscheint.

 Auch die Überfahrt hat es in sich. Zweimal Sturm, einmal eine Seuche; dann beinahe eine Meuterei unter den Passagieren- auch hier hat Adler seine Fäuste positiv für das ganze Schiff im Spiel - ; eine Gerichtsverhandlung und schließlich nach der finalen Konfrontation zum ersten Mal mit Adler nur als mittelbaren Beteiligten ein allgemeines Aufräumen und eine ruhige Überfahrt mit einem in mehrfacher Hinsicht zufrieden stellenden Happy End. Vor allem angesichts des hektisch abgeschlossenen Endes wirkt der erste Teil ein wenig zu überfrachtet; zu langatmig allerdings auf einem hohen Spannungsniveau und abschließend zu wenig ausbalanciert. Im Rahmen einer Fernsehserie oder eines umfangreicheren Buches wäre dieses Ungleichgewicht weniger aufgefallen, aber zumindest für zwei Wochen ist ein weiteres Kapitel dieser Saga beendet, so dass der Leser der Dinge harren muss. Das zeigt die strukturelle Schwäche deutlicher auf.

 Eine solide Fortsetzung ohne wirklich viele originelle Ideen, aber zumindest zufrieden stellend spannend erzählt und mit einem interessanten historisch gut von Informationen begleiteten Hintergrund.

Bastei Verkag

Heftroman, 64 Seiten

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