Rache

Alistair Reynolds

“Rache” ist wahrscheinlich der Auftakt mindestens eines Doppelromans aus der Feder von Alastair Reynolds. Eine Fortsetzung ist für das Jahr 2019 angekündigt. Auch wenn es an keiner Stelle expliziert erwähnt wird, könnte sich „Revenger“ -  der Originaltitel fasst den Plot besser zusammen als das zu simple „Rache“ – vor allem an ein eher jugendliches Publikum wenden. Mit dieser Einschätzung soll nicht ausgedrückt werden, das der Plot zu einfach angelegt worden ist, der Hintergrund nicht  die bekannte dreidimensionale Exzentrizität anderer Reynolds Serien hat oder zu viele jugendliche Helden durch das Geschehen laufen, aber das ganze Buch hat wie einige andere Space Piraten Serien eher einen grundsätzlich abenteuerlichen, in der Indiana Jonas Manier gehaltenen Charakter. Am ehesten erinnert der Aufbau an die „Virga“ Serie von Karl Schröder,  wobei dieser sehr viel mehr Wert auf einen einzigartigen Hintergrund als eine stringente Handlung gelegt hat.- Reynolds  ist nicht selten ein Autor, der barocke Space Operas mit gewichtigen Themen schreibt und über diese Schiene vor allem epochale Familiendramen entwickelte.

„Rache“ erscheint zweigeteilt.  Dieses Reynolds Universum hat seinen Höhepunkt anscheinend überschritten.  Auch wenn die Technik futuristisch erscheint, wirkt sie insbesondere in der Hand der Piratencrews eher wie etwas  Geerbtes, aber nichts, was sie selbst entwickelt haben.  Captain Rackamore und seine Crew sind mehr Plünderer als Piraten. Sie suche entweder kleine isolierte Welten in dieser besonderen Sphäre.  Diese Artefakte sind auf schwerste gesichert, nicht selten von denjenigen, die dort ihre besonderen Schätze versteckt haben.  Niemand weiß teilweise, um welche technologischen Hinterlassenschaften es sich in diesen Blasen handelt.  Reynolds bleibt bei einigen Beschreibungen absichtlich vage, was auf der einen Seite eine gewisse Ambivalenz ermöglicht, auf der anderen Seite aber den teilweise besessen detaillierten Welten widerspricht, welche der in den Niederlanden lebende Brite in  seinen mehr als  ein Dutzend Romanen bislang entwickelt hat.

Adrana und Fura Ness versuchen ihrem Vater zu helfen. Dieser hat einen großen Teil seines Geldes im Grunde verspielt und ist pleite. Sie heuern an Bord der Rackamore gegen den Willen des Vaters an. Fura Ness ist nicht einmalvolljährig. Rackamore braucht Adrana, um in fast alter Piratenmanier die Knochen zu lesen.  Die Blasen lassen sich weder durch die moderne Ortungstechnologie noch  alte Karten finden und öffnen. Reynolds nutzt in dieser Form wirklich eine Idee aus den Piratenlegenden. Adrana soll die Knochen lesen.   Es bedarf  dieser besonderen wie natürlich auch seltenen  und lebensgefährlichen Fähigkeiten, um die Schiffe an die lohnenden Stellen zu navigieren.  Gleichzeitig dienen die Knochenleser als Kommunikationsbrücken in den unwirtlichen Weiten zwischen den Blasen.

Rackamore gilt als einer der erfolgreichsten und gleichzeitig auch gegenüber seiner Besatzung am menschlichsten Charaktere unter den Bergungskapitänen. Natürlich hat er Feinde und einer der Feinde ist die gefürchtete Bosa Sennen, welche natürlich nicht nur einen entscheidenden Auftritt hat. 

In der Theorie lassen sich eine Reihe von Vorlagen erkennen. Beginnend mit „Die Schatzinsel“ – nur wird nicht nach einem, sondern unzähligen verborgenen Schätzen geschaut -  plündert Reynolds anfänglich alle Jugendliteratur. Seine beiden Schwestern müssen auf unterschiedliche Art und Weise erwachsen werden. Adrana ist anfänglich die Dynamischere,  welche ihre kleine minderjährige Schwester im  Grunde mitzieht. Die beiden Jugendlichen sind sympathisch, dreidimensional und zugänglich charakterisiert worden. Aber  sie bieten dem Leser auch keine Ecken und Kanten an, so dass die insbesondere aus der Perspektive  der Jugendbücher für die Lesegeneration zwischen vierzehn und sechszehn Jahren austauschbar sind.  Reynolds bricht das Geschwisterteam allerdings  sehr schnell auseinander und wie es sich für diese Art der Literatur  gehört,  ist es immer die Jüngere, welche nicht zu einem Mann, aber zu einer  gestandenen entschlossenen jungen Frau wird, welche zusätzlich dann noch über die richtigen Instinkte und Ideen verfügt.  

Mit dem einzigen wirklich überraschenden Paukenschlag reduziert Reynolds seine Story auf eine klassische Rachequest.  Der Titel impliziert das  ja. Diese schematische Fokussierung geht ein wenig zu sehr zu Lasten der Glaubwürdigkeit, zumal die Pro- und Antagonisten in der Folge eindimensionaler und damit auch weniger zugänglich beschrieben worden sind.  Captain Rackamore ist eine ehrliche Haut unter den Plünderern. Es gibt anscheinend keine Gesetze, welche  die Ausbeutung der Blasen verbieten. Rackamore überfällt  im Gegensatz zu Bosa Sennen niemand, der seine Kameraden und andere Schiffe überfällt, die Besatzungen tötet und mit deren Beute verschwindet. Rackamore geht einfach größere Risiken ein und wird dafür  entsprechend durch reiche Beute belohnt. Das Rackamore eine letzte Mission startet, um einen legendären Schatz zu bergen, lässt die Balance des Buches weiter kippen.

Bevor allerdings zu viele  Klischees aufeinandertreffen, zieht Reynolds  das Tempo deutlich an.  Mit ihrer Jagd entwickelt sich Fura weiter. Das Finale ist solide vorbereitet und in mancher Hinsicht nur konsequent. Auch wenn Reynolds schon zwischen den Zeilen auf mindestens eine Fortsetzung schielt, ist er sich nicht zu schade, zumindest den Haupthandlungsstrang von „Revenger“ abzuschließen und über die  Schultern der Charaktere einen kleinen Blick in die Zukunft zu werfen.

Die  futuristische Welt  mit  ihrer besonderen Mischung aus Legenden und Mythen, auf denen die Zivilisation aufgebaut erscheint  wirkt archaisch primitiv und futuristisch zugleich.  Reynolds ist als Autor routiniert genug, um diese beiden konträren Ideen miteinander zu verbinden. Das Knochenlesen ist dabei ein wichtiger Schlüssel.  Im Grunde reine Mystik  ist es nicht nur ein elementarer Bestandteil dieser Welt, die Knochenleser sind nach dem Captain die wichtigsten Menschen an Bord der Raumschiffe. 

Auch wenn die zugrundeliegende Rachegeschichte ein  wenig zu einfach, zu stringent gezeichnet worden ist, überzeugt das liebevoll detaillierte Beiwerk, mit dem Reynolds seine Welt ausgestattet hat.  Die meisten seiner Protagonisten sind auch überzeugend immer am Rande des Klischees charakterisiert. Vor allem hat sich Reynolds entschlossen, im Gegensatz zu seinen Epen den Umfang des Buches einzuschmelzen, dadurch das Tempo nicht nur hoch, sondern höher zu halten und eine Reihe von intensiven Actionszenen in den Mittelpunkt dieser bizarren, aber auch lesenswerten Piratenrachegeschichte zu stellen.   

  • Taschenbuch: 560 Seiten
  • erlag: Heyne Verlag (9. Januar 2018)                                                                    
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453318951
  • ISBN-13: 978-3453318953
  • Originaltitel: Revenger