Brother Keepers

Donald Westlake

„Brother Keepers“ ist einer der humorvollen, allerdings auch nachdenklichen stimmenden Romane, die Donald Westlake immer wieder zwischen seinen Krimiserien geschrieben hat. Ursprünglich 1975 erschienen hat Hard Case Crime das Buch mit einem schönen, durchaus passenden Cover neu aufgelegt.  Im Gegensatz zu seinen anderen Romanen kann „Brother Keeper“ nicht einmal als Krimi bezeichnet werden. Ja, es gibt zwei Diebstähle begangen von der gleichen Seite. Sie haben schwerwiegende Folgen, aber sie stehen gleichzeitig auch am Ende der Ereigniskette. Der Plot selbst zieht sich erstaunlich lange hin. Westlake erzählt die Geschichte zweier Handvoll Mönche in ihrem Kloster mitten in New York im „Kampf“ gegen die Immobilienhaie in einem gleichmäßigen,  fast atypisch erscheinenden Tempo.

Erstaunlich ist der Respekt, den Westlake den weltfremden Männern entgegenbringt. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen.  Brother Benedict lebt seit zehn Jahren im Kloster. Über seine Herkunft erfährt der Leser nichts. Andere Mönche waren früher Rechtsanwälte, Bänker, aber auch Kriminelle. Benedict ist aber nicht lebensunerfahren, er will nur nicht mit der Zeit gehen. Die größte Aufregung ist bislang der „Kampf“ um das Kreuzworträtsel in der New York Times.

Durch einen Zufall liest Bruder Benedict von einem Bauvorhaben, das auch ihr Kloster betreffen kann. Eigentlich fühlen sich die Mönche sicher. Seit mehr als dreihundert Jahren leben sie auf dem geleasten Grund. Die ersten Recherchen zeigen, dass die irische Besitzerfamilie trotz ihres jahrelangen Verzichts auf die Pacht das Grundstück mittels Option im neuen Jahr an eine Grundstücksgesellschaft verkauft hat, welche dort neue Wolkenkratzer errichten möchte. Und der originale Pachtvertrag ist verschwunden.

Über weite Strecken lebt das Buch vom Kampf nicht unbedingt gegen Goliath, sondern von der Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Es handelt sich um einen armen Orden, auch wenn Bruder Benedict erfährt, dass das Kloster pro Kopf mehr als dreitausend Dollar Einkommen generiert.  Viel Raum nimmt die Suche nach den Unterlagen ein. Erst dem Original und dann einer künstlerisch verzierten Kopie. Dabei lernt der Leser nicht nur die anderen Mönche und ihre Ecken sowie Kanten kennen, sondern auch die alltäglichen Beschäftigungen der Mönche eben vom Kochen über das Herstellen der Kleidung bis zum nicht unbedingt begabten Malen oder dem Schreiben von epochalen Würdigungen unbekannter Heiliger oder der Erhaltung der alten Schriftkunst. Benedict scheint kein besonderes Hobby zu haben.

Westlake nimmt sich viel Zeit, diese isolierte und doch mittelbar im Kontakt mit ihrer Umwelt stehende Idylle zu beschreiben. Ein kleiner Raum, ungeheizt, ein Bett und ein Schrank reichen, um im kapitalistischen Herz Amerikas in der Nähe der Wall Street glücklich zu sein.

Auch die Reisen der Mönche erscheinen eher wie eine Odyssee. Die erste Fahrt mit der U Bahn wird zu einer Horrortour, vor allem als sie erkennen, dass der Vermieter sich auf seinem Boot amüsiert und eigentlich kein Interesse mehr an den Mönchen hat. Jeder kleine Schritt, den sie unternehmen, wird im Grunde zu einem riesigen Hindernis. Westlake ist aber auch ein routinierter Autor, der seine Leser ein wenig manipuliert. Draußen die kalten herzlosen Kapitalisten, nur am Profit orientiert und nicht an der Schönheit der Stadt interessiert.  Drinnen die auch ein wenig naiven Mönche, fest im Glauben, schwach auf der Tasche. Als Benedict die Frage nach ihrer Berechtigung gegenüber der Schaffung neuer Arbeitsplätze gestellt wird, erscheint er überfordert.

Die zweite Reise wird Benedict schließlich zum Flughafen führen. Er muss Rettung auf Puerto Rice finden, wo die ihm zugeneigte Tochter des Vermieters ihre Weihnachtstage verbringt. Mit erst öffentlichen Verkehrsmitteln, dann zu Fuß erreicht er den Flugplatz. Interessant ist, das ihn die Polizei kurz vor dem Flughafen aufgreift und Benedict sich an Ray Bradburys „Geh nicht zu Fuß durch stille Straßen“ erinnert füllt.

Mit der Abreise nach Puerto Rice endet im Grunde der beste Teil des Buches. Mit viel Feingefühl und immer einer Spitze pointierten Humors beschreibt der Autor das Leben im Kloster im Kontrast zu der hektischen, herzaufreibenden Welt da draußen. Vieles wirkt ein wenig verklärt, idealisiert, aber die Sehnsucht nach Frieden, nach einem Moment der bleibt kann der Leser des 21. Jahrhunderts vielleicht noch mehr nachvollziehen als es bei der Erstveröffentlichung des Buches in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts der Fall gewesen ist.

Dabei verhält sich der Autor erstaunlich neutral. Seinen Plot hat er auf einer Auseinandersetzung um eine Kirche in New York aufgebaut, die auch Hochhäusern weichen sollte. Das Klosterleben nimmt der Autor als Aufhänger für seine Geschichte, es konnte aber auch fast jede andere Welt abgeschieden lebende Gruppe sein. Religion wird hier als Glaubensbekenntnis angesehen und nicht als die Welt verbesserndes Fanal. Interessant ist allerdings, das die Brüder anfänglich eher an das schlechte Gewissen der gläubigen irischen Familie heran wollen als schlagkräftige Argumente zu liefern.

Hier ist es wichtig, eine Bemerkung hinsichtlich des Endes vorwegzunehmen. Geht man davon aus, dass  der Verkaufsgrund richtig ist, dann steht das Wohl von wenigen den Interessen einer größeren Schar von Menschen gegenüber. Pragmatisch grenzt der Autor die eine Seite auf eine Art Friedensgeste ein, aber im Grunde handelt das Kapital weiterhin Menschenverachtend und zeigt kein Interesse an dem Wohlergehen der Menschen, die es nicht unbedingt erschaffen haben, es aber am Leben erhalten.

Auf Puerto Rico entwickelt sich kurzzeitig eine andere Art von Plot. Benedict verliebt sich ja nicht nur in die exzentrische, ein wenig temperamentvolle Tochter seines Vermieters, diese Gefühle werden auf eine fast seltsam unnatürlich erscheinende Art und Weise erwidert. Der bislang in Armut und im Zölibat lebende, aber nicht in diese Situation hineingeborene Benedict lernt die Oberflächlichkeit der Jet Set Gesellschaft kennen. Ihre Maßlosigkeit, ihren Egoismus. Auch hier erreicht er im Grunde sein Ziel nicht direkt. Er wollte ja die von ihr in einer Laune der jugendlichen Opposition- obwohl sie nicht mehr ganz jung ist und schon einmal verheiratet gewesen ist – angebotene Hilfe annehmen.

Das Ende wirkt ein wenig bemüht und abrupt.  Es ist in einigen Punkten nicht konsequent genug und Westlake geht es plötzlich nicht mehr um Erkenntnisse oder Einsichten, sondern einen inhaltlichen Abschluss. Passend am Silvesterabend, passend auf einer Kostümfeier und wenige Augenblicke vor einer Wiederbegegnung. Cineastisch ohne Frage sehr gut geschrieben passen die Teile zu wenig ineinander.

Der Leser glaubt zwar Benedict, das diese Welt nichts für ihn ist. Genauso wenig wie die Liebesgeschichte mit der hübschen Frau auch aufgrund ihrer Sprunghaftigkeit von Dauer sein kann. Trotzdem hätte man sich eine bessere Auflösung gewünscht.

„Brother Keepers“ ist aber kein schlechtes Buch. Ohne Frage ist es sowohl für Donald Westlake als auch Hard Case Crime ein ungewöhnliches Buch, das gleichzeitig zum Schmunzeln wie auch zum Nachdenken anregt. Die Figuren sind alle sehr gut gezeichnet. Eine Stärke selbst von Westlakes schwächsten Krimis, in denen er nicht selten teilweise bis  zur Parodie verzehrt seine Figuren fast pragmatisch entwickelt und benutzt. In diesem Punkt ist „Brother Keeper“ aus der Masse seiner Arbeiten herausragend.

Das Tempo ist extrem ruhig. Es kommt nicht selten auf die unausgesprochenen Details an. Der Autor schildert, wie sich der Moloch Stadt rücksichtslos entwickelt. Auf der anderen Seite hat er eine Oase des friedlichen Zusammenlebens bis zum Stillstand etabliert, in die sich abschließend ein Reisevertreter verzweifelt und nur noch eine Mission übernehmend flüchtig.

Für Benedict wird diese Welt von Dauer sein. Er gibt seinen letzten Kontakt zur Umwelt auf, was rückblickend sogar schade ist und übertrieben erscheint. Aber er findet sein Seelenheil, wie der Leser sehr gut und ungewöhnlich unterhalten worden ist.  

Verlag Hard Case Crime

Paperback 302 Seiten

February 2019
ISBN: 978-1-78565-715-3
Cover art by Paul Mann

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