Die andere Welt

Clark Darlton

Es ist selten, dass ein Perry Rhodan Roman auch auf den eigenen Erfahrungen aufbaut. Walter Ernsting alias Clark Darlton reiste in die Südsee und übergab dem König von Tonga sogar Perry Rhodan Romane. Zusätzlich speiste noch eine weitere Quelle den vorliegenden Alternativweltroman „Die andere Welt“. Walter Ernstings Interesse für astroarchäologische Phänomene, die er unter anderem in seinen Romanen „Der Tag, an dem die Götter starben“ und „Die neun Unbekannten“ beschrieben hat. Selbst sein Freund Erich von Däniken wird als gewisser Schweizer ohne Namensnennung erwähnt.

In „Die andere Welt“ reisen Perry Rhodan und Ras Tschubai bei einem Experiment mit dem Nullzeit- Deformator aus dem Jahr 3433 in das Jahr 1983, zwei Jahre in der relativen Zukunft zur Erstveröffentlichung des Perry Rhodan Planetenromans im September 1981. Wie die Perrypedia herausgefunden hat, verschätzte sich Walter Ernsting in der Perry Rhodan Zukunft um ein Jahr, da das zu testende Objekt – der Dakkar Tastresonator – erst ein Jahr später zur Verfügung stand. Auf dieser Ereignisse ist Walter Ernsting dreizehn Jahre früher im Perry Rhodan Heftroman 436 eingegangen.

Im Laufe der Handlung macht sich Walter Ernsting zusätzlich einen Spaß daraus, eine fiktive, aber dem Leser sehr vertraute Science Fiction Heftromanserie einzubauen, welche es den Protagonisten zumindest ermöglicht, einige der aus dem Nichts auftauchenden Phänomene einzuordnen. Ansonsten ist die Gegenwart dem Leser trotz des exotischen Schauplatz in der friedlich freundlichen, aber auch gesetzlich strengen Südsee relativ vertraut.

Im Handlungsrahmen verweist Walter Ernsting auf die geheime Mission  und das später dieser Ausflug nicht nur durch die Zeit, sondern auf eine parallele Erde niemals wirklich stattgefunden hat.  Ausgangspunkt der Reise Ras Tschubais und Perry Rhodan ist an Bord einer F 2020 der Titicaca See in Peru, auch ein von Legenden umwobener Ort. Ziel der Reise ist eigentlich das Jahr 29567 vor Christi, man möchte mehr über das Schicksal der Lemurer nach dem Untergang des Kontinents erfahren. Beim Testflug scheint alles gut zu gehen,  allerdings fällt Perry Rhodan eine Segelyacht auf, die in der Nähe Samoas im Wasser dümpelt und nicht in die Zeit passt.

Die Leser haben inzwischen einen umfangreicheren Einblick in diese Welt bekommen. Sie verfolgen die Reise der beiden Freunde Reg Bell und Ras, die an Bord der Yacht Maolo mehrere Monate im Pazifik kreuzen wollen. Reg hat von einer Insel gehört, die auf keinem Satellitenbild erscheint.   Auf der in der Nähe Tongas gelegenen Insel Nuale hat sich der Amerikaner Terry Rhodes kurzzeitig niedergelassen. Er will im Teufelsriff, einem Atoll tauchen, in dem es unmöglich sein soll, mehr als zehn oder fünfzehn Meter unter die Wasseroberfläche zu  kommen, ohne gleich abgestoßen zu werden. Reg und Ras schließen sich ihm an.  Nach mehreren Versuchen entdeckt Terry in ca. 85 Meter Tiefe eine Art silberne Scheibe am Ende des natürlichen Schachts. Ein Schelm, der fälschlich an eine Variation von Atlans Unterwasserkuppel denkt.

Das Zusammentreffen von Ras/ Perry und Terry führt den Lesern, aber auch den Charakteren die Unterschiede vor Augen. Es ist natürlich eine Welt, in welcher Perry Rhodan nicht zum Mond und damit auch nicht die Dritte Macht gegründet hat. Die politische Weltlage ist weiterhin heikel. Zumindest spielt Walter Ernsting nicht die Karte des ausbrechenden Weltkriegs, aber vom Konflikten im Nahen Osten. Dazu eine seltsame Organisation namens NASA oder auf abgebrochene Mission zum Mars. Der Leser soll „Vertrauen“ in diese seine Welt fassen, in welcher es wie angesprochen sogar eine sehr populäre und langlaufende Science Fiction Serie mit einem vertrauten Helden gibt. 

Diese sich wiederholenden Anspielungen auf die schwierige Lage sollen dem Plot Authentizität verleihen , aber im Grunde fokussiert sich der Autor auf den Fund unter dem Meer und die Bemühungen Perry Rhodans sowie Ras Tschubais, nicht nur in ihre Zeit, sondern vor allem auf die eigene Erde zurückzukehren.

Walter Ernsting lässt sich sehr viel Zeit. Als erstes setzt der Autor auf den vorausschauenden Rahmen – Perry Rhodan und Ras Tschubai diskutieren, wie viele Informationen sie von ihrer Reise in der Zukunft überhaupt preisgeben wollen, auch wenn alle ihre Aktionen in der Vergangenheit ja ihre Zukunft nicht beeinflussen.

Anschließend führt er seine Leser in eine vielleicht ein wenig bunt angemalte Südsee ein. Mittler ist ein neugieriger Junge, der zwischen der Moderne – den Gästen – und der Tradition vor allem seiner Verwandten hin und her pendelt. Die Gastfreundschaft, die idyllischen Insel, aber auch die Gefährlichkeit der Strömungen zwischen den Atollen werden beschrieben. Es ist ein Platz auf der hektischen Erde, an welchem anscheinend die Zeit stehen geblieben ist, auch wenn die Technik vor allem der achtziger Jahre auch Einzug gehalten hat. 

Mit den eindimensionalen Schurken, die eher einem Klischee entsprechen als wirklich zur Handlung dieses ansonsten vielschichtigen Romans passen, führt der Autor aber auch die harten Stammesgesetze mit der Verbannung in einem offenen Boot aufs Meer ein.  Der Hinweis auf die Bounty und Bligh darf in einem solchen Moment nicht fehlen. In dieser Szene verliert Walter Ernsting auch seine verklärte Haltung der Südsee gegenüber, wobei die Schurken sowohl mit dem Mord – natürlich den Freunden in die Schuhe geschoben – als auch ihrem arroganten Benehmen die sprichwörtliche Gastfreundschaft mehr als missbraucht haben.

Einen gewichtigen Part nimmt der Fund unter dem Ozean ein. In Form von halbstündigen Informationsfilmen wird den Protagonisten, aber auch den Leser eine sehr faszinierende, aber vom Ablauf im Perry Rhodan Universum auch unterschiedliche Geschichtsstunde über die untergegangenen Kontinent und die ausgewanderten indianischen Ureinwohner auf anderen Kontinenten erzählt. Wie es sich für Walter Ernstings beste Arbeiten gehört, fließt am Ende eine nachhaltige Warnung für ein zukünftiges friedliches Zusammenleben aller Menschen in die Handlung ein.

Klischeehaft ist dagegen, dass die Station sich nach dem Anhören des letzten Bandes und einer Frist von drei Tagen selbst zerstören wird. Wie viele angeblich so präastrologische Funde gibt es am Ende des Abenteuers keine Beweise bis auf das gesprochene Wort. Zusätzlich wirkt das Ende ein wenig hektisch, als wenn sich Walter Ernsting zu Beginn seiner Südseereise zu viel Zeit/ Seitenzahl gelassen hat, um die Geschichte ohne Frage atmosphärisch stimmig und interessant zu entwickeln. Es finden sich immer wieder Bezüge zur Perry Rhodan Serie, so kennt einer der Parallelwelter Rhodans Raumschiff eben aus der angesprochenen  Heftromanserie, wobei von der Logik her diese Serie inzwischen die laufende Handlung mit Perry Rhodans Reise in die  Vergangenheit überholt haben müsste und ein versierter Leser fast noch mehr „Fakten“ kennt als der echte Perry Rhodan.

Es sind aber Kleinigkeiten, welche das Lesevergnügen dieses souverän mit Walter Ernstings hintergründigem Humor entwickelten Romans nicht schmälern. Alleine Perry Rhodan in Badehose auf einem Südseeatoll ist eine Lektüre wert. Aber ansonsten entwickelt der Autor vor allem hinsichtlich des Schicksals Atlantis/ Lemuria eine Reihe von für die damalige Zeit ohne Frage populären Thesen konsequent in Kombination mit der Heftromanserie weiter, so dass als ganzes Paket „Die andere Welt“ zu einem der besten Ernsting Planetenromane basierend auch auf seiner in den achtziger Jahren noch absolut abenteuerlich erscheinenden Reise wird.   

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Pabel Verlag 1981 

Taschenbuch, 160 Seiten

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