Hexer Stanley V

H.J. Müggenburg

MIt diesem Band wird die „Hexer Stanley“ Reihe abgeschlossen. Es lohnt sich, zuerst einen oberflächlichen Blick in den Anhang zu werfen. Dort vergleichen die Herausgeber die im Zauberkreis Verlag als Band 173 der „Silber Grusel Krimis“ im Jahre 1978 veröffentlichte Fassung mit dem Originalmanuskript Müggenburgs, das hier wie in den bisher veröffentlichten Bänden im Grunde sein literarisches Debüt findet, Neben den unveröffentlicht gebliebenen Manuskripten, die chronologisch in die Werksausgabe eingepasst worden sind, empfiehlt sich alleine die Lektüre dieser Neuausgabe durch die Nutzung der ursprünglich, deutlich exzentrischeren Texte.

Dadurch werden die insgesamt neun Romane um „Hexer Stanley“ nicht nur einer neuen Lesergeneration vorgestellt, im Grunde bieten sie auch den Fans der Erstveröffentlichungen literarisches Neuland an. Das hebt nicht nur diese Reihe aus der Masse der Nachdrucke selbst von renommierten Verlagen heraus, die nicht selten die bearbeiteten Originaltexte in neue Kleider packen und teuer präsentieren.

Wie Jörg Schukys in seinem kurzen Vorwort darstellt, hat H-J. Müggenburg die Reihe nicht mehr fortgesetzt. Damit der neunte Band nicht so ganz alleine veröffentlicht wird, haben die Herausgeber das drei Jahre vorher 1975 veröffentlichte Taschenbuch „Wir, Satans Kinder!“ (Zauberkreis Grusel Krimi 16) hinzugefügt, das mit viel Phantasie aufgrund der magischen Zirkel im Hintergrund im gleichen Universum spielen könnte. Allerdings hat sich der Autor eher an den Hardboiled Krimis orientiert und eine Kriminalhandlung mit erotischen wie übernatürlichen Elementen angereichert.

Von „Hexer Stanley“ liegt nur noch das Abenteuer „Kefil, der Golem Macher“ vor.  Der Plot ist ausgesprochen stringent und vor allem die Balance zwischen Humor und Spannung wirkt fließender als in den letzten Abenteuern, in denen H.J. Müggenburg teilweise sich anfänglich zu viel Zeit gelassen hat, um gegen Ende vom fehlenden Platz eingeengt zu erscheinen.

Nachts wird vom Präsidenten einer Alkoholiker Vereinigung – alleine die ausführliche Beschreibung der Regeln ist eine bitterböse Satire auf die exzentrischen elitären Clubs dieser Welt – während einer Taxifahrt ein Mann überfahren. Nur ist dieser offiziell schon seit Monaten tot. Wenige Stunden später rauben vier junge Männer eine nahe gelegene Bank aus und erbeuten fast vierhunderttausend Pfund. Wegen des „Toten“ wird Hexer Stanley um Hilfe geboten.

Relativ schnell finden Stanley und sein Butler Georg den Verantwortlichen und können einen Teil seiner Pläne durchkreuzen. Er rächt sich mit einem Angriff auf Stanleys Schloss und will dessen Gattin sexuell missbrauchen und anschließend töten. Für Georg und Heyer Stanley ein Wettlauf gegen die Zeit und durch die  Nebel verhangene Nacht.       

Humor prägt die Romane. Zum ersten Mal darf Hexer Stanleys attraktive wie gerne alkoholisierte Gattin aktiv in das Geschehen eingreifen, in dem sie sich lange Zeit mit Geschick und weiblicher Intuition gegen den arroganten wie überheblichen Kefil und seinen ihm aktiv zur Seite stehenden Golem wehrt. Am Ende muss doch Georg mittels Fernhilfe ihr Zeit und vor allem eine „Waffe“ verschaffen, die normalerweise einen Ochsen außer Gefecht setzt. Vielleicht wirkt es ein wenig übertrieben, das auf der einen Seite diese Mittel nur kurzzeitig wirken, während das Finale fast ominös quasi im Off stattfindet.  

Den Gesetzen der Screwball Komödie folgend ist die Reise nicht selten interessanter als die finale Auseinandersetzung. H.J. Müggenburg streut hier beginnend mit dem schmuggelnden LKW Fahrer bis zum unglücklich auf der Fahrbahn stehenden Reh genügend Anekdoten ein, um die Spannungskurve hoch zu halten. Durch die geteilte Handlung bleibt der Leser im Gegensatz zu den Protagonisten allgemein auf Augenhöhe des Geschehens.

Ein weiterer Höhepunkt sind nicht nur die pointierten Dialoge, von denen es in diesem Roman sehr viele gibt. Der Witz ist bissiger, ein wenig treffender und wirkt fokussierter als in einigen der schwächeren Bände dieser Reihe, in denen der zugrundeliegende Plot zu exzentrisch, zu abgehoben und vor allem auch zu weitschweifig angelegt worden ist.

Müggenburg verlässt sich aber nicht nur auf seine Fähigkeit, gute Dialoge zu verfassen, sondern ergänzt diese mit auf den ersten Blick altklug, aber nicht selten hintergründigen Bemerkungen eines imaginären allgegenwärtigen Erzählers, welche den Leser nicht nur informiert, sondern vor allem die Antagonisten gerne auch blamiert.

Dabei ist Kefil ein besonderes Beispiel. Überzeichnet charakterisiert bis zur Karikatur der James Bond Schurken hat er zwar mit seinem Golem eine körperliche starke, aber geistig schwache Kreatur an seiner Seite. Niemals ein wirklich gutes Zeichen für einen weniger übernatürlich, als monetär interessierten Schurken, der sich kontinuierlich überschätzt und Sir Stanley in Kombination mit Georg fortlaufend unterschätzt.

Wie in einigen der bisherigen „Hexer Stanley“ Büchern nimmt Müggenburg absichtlich bekannte Kreaturen des Genres wie in diesem Fall den Golem und stellt sie im Gegensatz zu seinen Antagonisten respekt- wie humorvoll quasi auf den Kopf, um seine modernen Agentenparodien in Form von Gruselgeschichten zu erzählen.    

Im Vergleich mit vielen anderen Reihe sind die Romane um „Hexer Stanley“ allerdings in Ehren gealtert und machen vor allem in der vorliegenden Originalfassung auch heute noch unheimlich viel Spaß bei der Lektüre, auch wenn sie klar als Kinder der siebziger Jahre positiv wie negativ zu erkennen sind.

Nur am Ende mit der Geschichte des Hexerzirkels erkennt der Leser, dass „Wir, Satans Kinder!“ im gleichen Universum spielt wie die „Hexer Stanley“ Romane. Auch dieser Text wurde erstaunlicherweise um die selbst im Originalmanuskript eher harmlosen erotischen Passagen wie auch die blutigen, teilweise auch sadistisch frauenfeindlichen Passagen mit Peitschenschwingenden Gestalten im Dunkel gekürzt.

Der Humor dieser stringenten, nicht einmal hinsichtlich der Handlungsführung im Allgemeinen originellen Geschichte ist weniger grob und von den Dialogen getragen als bei den Hexer Stanley Stories. Viel mehr wirkt der ganze Plot wie auf eine Parodie dieser unzähligen Horrorgeschichten, vermischt mit einer Prise Erotik und etwas Horror. Hilary Robeson hat früher für das FBI gearbeitet und sich inzwischen als Detektiv selbstständig gemacht.  Leider war er zusammen mit seinem Partner in  einer Hinsicht nachlässig. Bei der Steuererklärung sind ihm einige Einnahmen verloren gegangen, so dass er vom Verbrechersyndikat erpresst werden kann.

Diese investieren inzwischen in das Filmgeschäft. Einer ihrer Stars hat sich zusammen mit ihrem Drehbuchautoren nach einem Horrorfilmerfolg auf eine angeblich verfluchte Insel zurückgezogen und will sie nicht mehr verlassen. Und damit auch keinen neuen Filmvertrag unterschreiben.

Erpresst, aber mit der Aussicht auf 50.000 unversteuerte Dollar zusätzlich macht sich Robeson als Parapyschologe getarnt mit der hinreißen Agentin der Schauspielerin auf den Weg zur Insel. Kaum angekommen finden sie eine nackte Leiche und werden darauf hingewiesen, dass vor kurzem in dieser Gegend anscheinend zwei weitere Männer ums Leben gekommen sind. Dabei könnte es sich um Robesons Vorgänger handeln, da das Syndikat ihn natürlich nicht als Ersten ausgeschickt hat.

Lange Zeit verzichtet Müggenburg auf übernatürliche Elemente. Robeson begegnet immer wieder entsprechenden Phänomenen, er kann sie aber nicht beweisen. Höhepunkt ist die Enttarnung eines solchen Vehikels. In diesem Moment ist der Leser der festen Überzeugung, einen realistischen Krimi zu lesen, der die übernatürlichen Machenschaften der Satans Kinder und ihre nach Großbritannien und den Siedlervätern reichende Vergangenheit als Vorsatz nimmt.

Kaum hat sich der Leser aber mit dieser Vorstellung scheinbar angefreundet, dreht Müggenburg während des Finals die Handlung noch einmal um einhundertachtzig Grad und fügt neben der natürlich erotischen Opferung attraktiver und unwilliger Frauen ein übernatürliches Element ein. Robeson greift zwar pragmatisch zur letzten Möglichkeit und rettet wie in diesen Geschichten üblich die Situation, aber irgendwie wünscht sich der Leser trotz des hohen Tempos und der düsteren Atmosphäre ein wenig mehr Exzentrik. In dieser Hinsicht bleiben seine „Hexer Stanley“ Geschichten positiv gesprochen unerreicht.

Auf der Charakterebene greift der Autor allerdings absichtlich und ein wenig überzogen in die Klischeekiste. Willige Schönheiten, die nur auf den Detektiv warten und förmlich ausgehungert erscheinen. Die attraktive junge Agentin mit Röcken, die bei jeder Begegnung kürzer werden, ist anfänglich das subversive Element, das den Macho Robeson wieder einbremst, obwohl er sich bis dato nicht unbedingt mit Ruhm und Ehre bekleckert hat. Erst im Laufe der Handlung und spätestens mit Aufdeckung des ein wenig komplizierten Plans der Schurken wird sie kurzzeitig auf einen Stichwortgeber reduziert. Aber während des Finals durch eine andere Helferin ersetzt, so dass Robeson nicht allein in Pulpmanier die Frauen retten muss.

Zu kurz kommen die Schauspielerin und ihre Drehbuchautor. Hier wäre es vielleicht angemessen gewesen, den Kultur um einzelne Diven noch mehr auf die Spitze zu treiben. Aber Müggenburg hat auf der Insel in dem abgeschieden gelegenen Haus zumindest einen Haufen von Protagonisten isoliert, deren Schicksal der Leser gerne und kurzweilig verfolgt, so dass die Spannungskurve in der Mitte zwar im Gegensatz zu seinen deutlich kompakteren Heftromanen ein wenig abflacht, das Interesse an der Lektüre aber bestehen bleibt.

Zusammengefasst ist der fünfte Band der „Hexer Stanley“ Reihe positiv eben nicht nur wegen des ungekürzten und unbearbeiteten Abschlussromans interessant, sondern auch dank der Wiederveröffentlichung einer der wenigen außerhalb der „Stanley“ Romane verfassten Horrorgeschichten. Seine Science Fiction Romane erscheinen ja parallel in einer anderen, ebenfalls liebevoll zusammengestellten Werksausgabe im gleichen Verlag.  

 

Hexer Stanley Chroniken V

  • Taschenbuch: 272 Seiten
  • Verlag: Emmerich Books & Media (13. März 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 1797444808
  • ISBN-13: 978-1797444802
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