The Magazine of Fantasy & Science Fiction Januar/ Februar 2020

C.C. Finlay (Hrsg)

Das Jahr 2020 beginnt  bei “The Magazine of Fantasy and Science Fiction” mit sehr viel Fantasy. Die beiden längeren Arbeiten von Hughes und Irvine sind diesem Genre zuzuordnen.

Matthew Hughes präsentiert eine weitere Geschichte um Baldemar. „Air of the Overworld“   beschreibt die Versuche Radegondes, von der dritten Ebene, auf welcher die Menschen leben, in die vierte dem Himmel gleiche Ebene zu kommen. Baldemar kann dank einer frühen Begegnung mit dem Helm von Sagacity zwischen diesen Ebenen hin und her wechseln. Natürlich haben diese Versuche schlimme Folgen und Baldemar droht seine menschliche Existenz zu verlieren. Die Geschichte ist kurzweilig geschrieben worden, wobei Matthew Hughes dieses Mal auch Wert auf ein konsequentes und für den Leser nachvollziehbares Ende ohne „Deus Ex Machina“ Gimmicks legt.

   Die beste Story ist die Titelgeschichte. „Chisel and Chime“ von Alex Irvine. Schon zweimal ist er in diese mittelalterliche Welt eingestiegen. Die Künstlerin Melandra soll eine gigantische Statue des Herrschers aus edelsten Stein schlagen. Eine einzigartige Ehre, denn die jeweiligen Künstler werden anschließend entweder ermordet oder sie haben die Ehre, sich selbst das Leben zu nehmen. Melandra wird von einem jungen Soldaten bewacht, der nicht ahnt, welches Schicksal ihn erwartet. Neben den dreidimensionalen Protagonisten, deren Leben vor allem in den Dialogen zusammengefasst wird, ist es die Spannung, wie sich die durchaus ambitionierte Melandra aus dieser im Grunde unmöglichen Situation retten könnte. Irvine bleibt seiner fatalistischen Linie treu und präsentiert gleichzeitig künstlerischen Triumph und persönliche Tragödie vor den Augen des eher blutgierigen Volkes.

In den Bereich der Märchen mit Fantasyeinschlag fällt „Three Gowns for Clara“ aus der Feder Auston Habershaws. Da der Prinz eine opulente Party feiert und alle Mädchen im heiratsfähigen Alter eingeladen werden, wird Clara engagiert, für jede Tochter eines Herzogs ein entsprechendes Kleid zu machen. Der Text ist ein wenig vorhersehbar, wenn auch gut erzählt. Im Schatten allerdings von der thematisch ähnlichen Novelle „Chisel and Chime“ in dieser Ausgabe bleibt die kurzweilig zu lesende Story aber leider eine Randnotiz.

Auch „Interlude in Arcadia“ (Corey Flintoff) ist eine seltsame Geschichte. Der Collegeprofessor Swain mit einem Schwerpunkt in griechischer und römischer Literatur trennt sich von einer seiner Studentinnen, mit denen er eine Affäre hatte. Kurze Zeit später trifft er auf ein nacktes Mädchen, dem er zu helfen sucht. Der Plotverlauf ist nicht unbedingt überraschend, die Protagonisten werden eher schematisch beschrieben. So hinterlässt die ganze Geschichte einen gewollten, aber leider nicht gekonnten Eindruck.

The Nameless" von Melissa Marr ist eine sehr dunkle, fast brutale Geschichte. Die Erzählerin lebt in einem Dorf, in welchem die herrschenden Frauen einige wenige Männer als Zuchtbullen halten, während draußen die „Wölfe“ – böse Vergewaltiger – nach unvorsichtigen Frauen Ausschau halten. Der geradlinige Plot wird sehr offensiv erzählt, wobei die Autorin jegliche Hintergrundentwicklung zur Seite schiebt. Dadurch droht einiges wie ein Klischee zu erscheinen und abschließend nimmt sie sich mit ihrem pragmatischen Ende selbst handlungstechnischen Spielraum und agiert sie bemüht, fast schon zu belehrend. .  

„Falling Angel“ von Albert E. Cowdrey ist die einzige echte Horrorgeschichte der Ausgabe. In Los Angeles wird das neue The Louella Hotel eingeweiht. Allerdings gibt es Probleme mit einem schreienden Geist. Die beiden „Experten“ Butch und Roma sollen die Ursachen untersuchen, gehen aber einem mysteriösen Mord an einer Möchtegernschauspielern in den vierziger Jahren nach. Auch wenn Albert E. Cowdrey den Tonfall und die Atmosphäre dieser Hardboiled Geschichten um die finstere Seite Hollywoods trifft, muss der Autor am Ende kapitulieren und lässt seine Figuren eingestehen, dass sie selbst keine Lösung haben. Angesichts der interessanten Ausgangslage ist es schade, dass keine originelle Lösung präsentiert wird.

Juliana Baggotts „The Key to Composing Human Skin“ verfügt über eine bizarre, aber unter die Haut gehende Idee. Eine Firma möchte das Denken der Menschen verändern und heuert eine Werbeagentur an, welche ihre Botschaften direkt auf die Haut der Menschen bringt. Der Plot ist intelligent entwickelt, auch wenn keine der Figuren nachhaltig sympathisch ist. Das Ende ist pragmatisch, aber die Grundidee treibt im Kopf der Leser sehr viel länger ihr Unwesen als man im Allgemeinen denken würde.    

Es finden sich auch einige kürzere Science Fiction Geschichten in dieser Ausgabe. Essa Hansen eröffnet das Jahr 2020 mit „Save, Salve, Shelter“. Die Erde ist durch die Menschen unbewohnbar gemacht worden. Pasha ist ein „DNA“ Sammler. Dabei wird kein Wert auf den Fund von lebendigen Musterexemplaren gelegt, ihre Gene sollen ausschließlich einer späteren Rekonstruktion dienen und die lebendigen Vorlagen können getötet werden. Pasha wehrt sich dagegen und ist eher bereit, auf der unwirtlichen Erde zu bleiben als die sie begleitenden Tiere zu töten. Es ist eine sehr dunkle, fast brutal erscheinende Geschichte, in welcher die Autorin das besondere Verhältnis zwischen Menschen und Tieren in eindrucksvolle Bilder kleidet.  Michael Cassutts „Banshee“ geht hier einen Schritt weiter. Der Titel ist irritierend, aber die Idee ist, dass Menschen inzwischen ihre Körper im Grunde in jeglicher Form pressen können.  Die Story ist zu kurz, um die Anspielungen zum Beispiel auf Dinosaurier oder andere mystische Kreaturen nachhaltig genug einzubauen. Vor allem weil der Autor auch nicht weiter auf mögliche Techniken oder soziale Folgen eingeht.

„Elsinore Revolution“ von Elaine Vilar Madruga reiht sich ebenfalls in die Phalanx von wahrscheinlich kopflastigen Geschichten ein, deren Plot zu umständlich erzählt wird. Es handelt sich um eine Übersetzung aus dem Spannischen. Die Autorin versucht Wechselwirkungen aufzubauen, aber es fehlt der Zugang zu den einzelnen Protagonisten Das Ende ist vorhersehbar und die Nutzung von markanten historischen Figuren dem Umfeld angepasst hilft auch nicht abschließend.  Sehr viel besser macht es Rahul Kanakia in seiner Story „The Leader Principle“. Der Protagonist arbeitet wird einen charismatischen Geschäftsmann. Es ist aber nicht ganz klar, wie Kevin Slack seine Erfolge erzielt. Nach der Lektüre ist das auch nicht zu erkennen, aber der Weg dahin besteht aus einer Reihe von interessanten Ideen, die allerdings oft zu wenig ausgeführt worden sind. 

Im sekundärliterarischen Teil wird neben einer ausführlichen Rezension des Films „Ad Adstra“ zum ersten Mal seit vielen Jahren C.C. Finlay aktiv. Er stellt zusammen mit Charles de Lint Bücher vor. Ein wissenschaftlicher Artikel und die Kuriositäten runden eine ambivalente, nicht gänzlich befriedigende Auftaktausgabe des Jahres 2020 ab.  

Paperback, 256 Seiten

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