Neil Clarke (Hrsg.)
Neil Clarke geht im "Forever" Magazine Vorwort des Mai auf die Verbreitung der Corona Virus ein. Allerdings zeichnet er vor allem als Risikopatient ein ausgesprochen ambivalentes, vielleicht sogar naives Bild, in dem er es mit einem schlechten Drehbuch vergleicht.
Wie immer präsentiert der Herausgeber zwei Kurzgeschichten und eine Novelle. Wie in den letzten Monaten stammt diese Novelle allerdings aus dem Jahr 2019, sehr zeitnah und dann mit der Sommerausgabe von "The Magazine of Fantasy & Science Fiction" auch noch eine weit verbreitete ursprüngliche Quelle präsentiert. Lavid Tidhar ist dafür ein bekannter Autor, der teilweise klassische Themen des Genres auf eine ungewöhnliche Art und Weise präsentiert. Das ist leider bei "The New Atlantis" nicht der Fall.
Die Handlung fasst die Protagonistin im Grunde selbst zusammen. Sie empfängt eine Nachricht, sie geht auf eine lange Reise, findet eine tragische Liebe und kehrt mit ihren Erinnerungen wieder zurück. Es sind die Details, welche den Text lesenswert machen. Die Welt ist durch die Zerstörung des Mondes aus dem Gleichgewicht geraten, die bekannte Zivilisation zerstört und in die Primitivität zurückgefallen. Die Erzählerin wird genötigt, weil man in Großbritannien ein VR Habitat gefunden hat, in das sie aufgrund ihrer Ausbildung eintauchen kann. Die Route ist ohne Frage eine lebensgefährliche Herausforderung und der Autor bietet so viele Einzelheiten an, dass der Text vor Leben und Fakten förmlich übersprüht. Auch wenn einzelne Abschnitte „verkürzt“ worden sind. Der Unterton ist ein wenig zu theatralisch, zu belehrend. Aber das ist auch ein stilistisches Markenzeichen des israelischen Autoren, der dieses Momentum ein wenig zu oft einsetzt. Der Hintergrund ist ohne Frage interessant, alleine die Pointe lässt zu viele Wünsche offen. Die Figuren sind zugänglich gezeichnet, vor allem die Erzählerin ist pragmatisch und weiblich emotional zugleich. Solide Unterhaltung, aber leider nicht eine seiner besten Novellen.
Aus dem "Omni" Magazin des Jahres 2017 stammt Maureen F. McHughs "Sidewalks". Dr. Rosni Gupta ist eine Sprachwissenschaftlerin, die sich um Problemfälle kümmert. Sie soll sich einer jungen Frau annehmen, die apathisch erscheint und in einer fremden Sprache spricht. Dr. Cupta ist überzeugt, das es sich um eine Sprache handelt.
Die Wurzeln der Sprache sind nicht gänzlich überzeugend. Eine geschulte Wissenschaftlerin hätte leichter auf die Wurzeln kommen müssen. Es ist ihr Mann, der einen Hinweis gibt. Weiterhin ist es schwer, die mögliche Abstammung der Frau gleichzusetzen mit dem potentiellen Weltuntergang. Die Idee, das es sich doch um eine Verrückte handeln könnte, wird zu schnell zur Seite geschobem.
Maureen F. McHugh ist allerdings eine Autorin, die dreidimensionale und zugängliche Charaktere entwickelt. Sie fügt einige Informationen über den Hintergrund der Protagonistin hinzu, so dass ihr soziales Umfeld, aber auch ihre Persönlichkeit eine fast wichtigere Rolle spielen als der ambivalente und abschließend zu offen gestaltete Plot.
"Intervention" von Kelly Robson spielt in ihrem "Lucky Peach Universum, wobei es keine echten Überschneidungen, sondern nur einen gemeinsamen Hintergrund gibt. Jules liebt Kinder und agiert seit mehr als fünfzig Jahren als eine Art Ziehmutter/ Ziehvater. Wenn ihr letzten Kinder die Schule abschließen, kann sie sich im Sonnensystem als eine Art Belohnung einen Platz für den Ruhestand aussuchen.
Hinsichtlich der Erziehung zeigt sich die einzige auffällige Schwäche der ganzen Story. Anscheinend impliziert die Autorin, das die Kinder derartig labil sind, das eine Unterhaltung sie aus der Bahn werfen kann. Das wirkt nicht nur unglaubwürdig, sondern hinsichtlich des Handlungsverlaufs auch noch stark konstruiert.
Dagegen ist die Interaktion mit ihren Kindern - bekannt nach einer Juwelenschatzkiste - überzeugend. Die einzelnen Kinder werden vor allem altergemäß gut charkterisiert und lassen sich auch gut voneinander unterscheiden. Zwar spielt der Mond in ihren Überlegungen eine gewichtige Rolle. Sie hat ein tragisches Erlebnis auf dem Erdtrabanten erlebt.
Die Begegnungen auf dem Mond mit all ihren Vorurteilen, aber auch den Reaktionen der Menschen sind überzeugend. Nicht kitschig, sondern vor allem realistisch beschrieben. Hinzu kommt eine emotional anrührende, aber auch dem Moment geschuldete zweite Pointe.
Der Hintergrund der Story wird pragmatisch beschrieben. Kelly Robson scheint nur so viel ihrer metaphorischen Schatztruhe öffnen zu wollen wie es für den Handlungsverlauf vertretbar ist. Viel spielt sich in der Phantasie der Leser ab. Hinzu kommen wie angesprochen die durchgehend überzeugend entwickelten Charaktere und ein ruhiger, sehr emotionaler Plot.
Zusammengefasst ist der Mai herausfordernd für "Forever". Lavie Tidhars bekannte Novelle überzeugt nicht zur Gänze, dafür entschädigen die beiden Kurzgeschichten den Leser.
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