Der unglaubliche Planet

John W. Campbell

Im Rahmen der „Meisterwerke der Science Fiction“ legt der Heyne Verlag John W. Campbell aus fünf Novellen bestehenden Fix up Roman „Der unglaubliche Planet“ neu auf. Es ist die vierte Veröffentlichung des Buches. In den fünfziger Jahren erschien das weniger als fünf Jahre vorher in den USA veröffentlichte Buch als erstes der vier legendären Rauch Hardcover. Der Heyne Verlag legte den Roman dann in der normalen Science Fiction Reihe, aber auch als sechsten Band der Bibliothek der Sf Literatur neu auf.

Streng genommen ist „Der unglaubliche Planet“ der zweite und auch letzte Teil einer schon in den dreißiger Jahren begonnenen Science Fiction Serie. Zwischen 1934 und 1935 erschienen fünf Novellen in „Astounding“, aus denen John W. Campbell 1947 den Fix up Roman „The Mightiest Machine“ formte. Das Buch erschien in den USA mit einer Auflage von 1200 Stücke. In Deutschland veröffentlichte der Balowa Verlag mit einer Übersetzung von Walter Ernsting die Geschichte in Anlehnung an „Der unglaubliche Planet“ als „Das unglaubliche System“ fünf Jahre nach der Rauch Veröffentlichung. Der Roman ist nur einmal gekürzt als Terra Heft nachgedruckt worden.

„The incredible Planet“ besteht  aus drei  Novellen, von denen die ersten beiden direkt an „The Mightiest Machine“ anschließen. Deswegen hat der Autor auch den Inhalt des ersten Bandes auf wenigen Seiten zu Beginn der Quasi Fortsetzung zusammengefasst.  Alle drei  der Novellen sind vom „Astounding Magazine“ abgelehnt worden.   Erst durch den Erfolg des Buchveröffentlichung hat John W. Campell die Geschichten in Buchform veröffentlicht. Entstanden sind sie aber alle in den dreißiger Jahren und der Autor hat sie in der Tradition der bombastischen Space Operas eines E.E. Smith verfasst.  Daher sollten beide Bände nicht unbedingt dem Golden Age der Science Fiction, sondern dem Übergang von den klassisch klischeehaften Pulpgeschichten zum Golden Age zugeordnet und aus dieser Sicht auch kritisiert werden.    

Zur Zeit der Erstveröffentlichung galt bei Kritikern wie P. Schuyler Miller oder Everett F. Bleiler „The Mightiest Machine“ als der bessere der beiden Fixed Up Romane; in der Zwischenzeit hat vor allem „Der unglaubliche Planet“ an Popularität gewonnen, während „The Mightiest Machine“  ein wenig zu Unrecht in den Hintergrund gerückt ist. Eine Neuveröffentlichung dieses Textes als „Meisterwerk der Science Fiction“ wäre sinnvoller gewesen.

Die erste Novelle und gleichzeitig Titelgeschichte ist die beste der drei Storys. Die drei Abenteurer mit ihrem supermodernen Raumschiff probieren einen neuen Antrieb aus und stranden im All. Wie in den Pulpgeschichten ist es den drei Wissenschaftlern/ Forschern/ Helden und durch die Geburt außerhalb der Erde auch „Übermenschen“ in körperlicher wie intellektueller Hinsicht möglich, was jedes Problem quasi in der eigenen Werkstatt zu beheben. Fast jedes technisches Problem , denn nachdem sie aus dem Überlichtraum ausgetragen sind, finden sie keine ihnen bekannte Sternenkonstellation und suchen quasi nach einem Planeten, von dem sie sich ggfs auch mittels der Bewohner orientieren können.  Auf einem Planeten stoßen sie auf die Überreste einer ehemals hochstehenden Zivilisation. Der Kontaktversuch ist erfolgreich. Dabei erfahren sie, dass der Planet mehr als 400 Milliarden Jahre mit den eingefrorenen Bewohnern durchs All getrieben ist. Wenn man sich einer Sonne näherte, wurde einer der Wächter geweckt. Allerdings konnten sie bislang niemals eine Umlaufbahn um eine der Sonnen erreichen. Immer wieder trieben sie ins All zurück.

Wie E.E. Smith oder auch Edmond Hamilton setzt John W. Campbell auf einen eher pseudowissenschaftlichen Hintergrund seiner Geschichten. Ideen/ Erfindungen werden zwar ausführlich erklärt, haben die wissenschaftlichen Hintergründe sind eher schwammig. Atomare Antriebe und die Nutzung von Atomenergie wird genauso positiv gesehen wie ein nicht auf der Erde geborener Mensch mit anderen Schwerkraftverhältnissen zum Beispiel keine medizinischen Probleme hat. Arthur C. Clarke ist in seinem Roman „Makenzie kehrt zur Erde heim“ das Thema ganz anders angesehen. Entfernungen sind Schall und Rauch, die Zeiten scheinen Äonen zu sein. Im Gegensatz zu literarischen Philosophen wie Olaf Stapledon und vielleicht H.G. Wells mit Einschränkungen hinsichtlich seiner „Zeitmaschine“ schmeißt John W. Campbell mit Begriffen und Absolutismen förmlich um sich. Das liest sich in der deutschen Übersetzung zufriedenstellend, wirkt aber auch im zu langen mittleren Abschnitt ermüdend.

Über die Fremden erfährt der Leser vor allem etwas, wenn sie sich gemeinsam die Spulen anhören, auf denen die einzelnen Stationen festgehalten worden sind. Diese Vorgehensweise würde Sinn machen, wenn ein Dritter zuhört. Aber der Erzähler und der Wächter sind ein und dieselbe Person. Vielleicht soll die Nutzung der alten Bänder dramatischer wirken, es erscheint allerdings übertrieben.

Es ist auch weniger der Planet per se, der unglaublich erscheint, sondern die Odyssee, die er seit unendlichen Zeiten zurückgelegt hat. Auch die Ruinen auf der Oberfläche haben die Reise überstanden. Sowohl die Menschen als auch die Fremden sind friedlich, neugierig und können sich bedingt gegenseitig helfen.

 Der zweite Abschnitt ist im Original „The Interstellar Search“ betitelt. Der Übergang zwischen der ersten Novelle „The Incredible Planet“ und dem zweiten Text ist fortlaufend. Am Ende dieser Geschichte wird der Handlungsabschnitt erst einmal abgeschlossen.

Die drei Abenteurer sind an Bord der SUNBEAM immer noch auf der Suche nach Informationen bezüglich der Position der Erde. Auf ihrer Suche stoßen sie auf zwei bewohnte Planeten, die sich gegenseitig mit gigantischen Raumschiffen bekriegen. Weiterhin erkennen sie, das die Sonne innerhalb eines überschaubaren Zeitraums explodieren könnte und damit mindestens eine der beiden Zivilisationen auslöschen. Natürlich hat die „böse“ auch noch Sklaven. Ein Aspekt, der sich auch noch in den dritten und den Plot abschließenden Handlungsbogen einschleicht und angesichts der technischen Möglichkeiten archaisch erscheint.

Absolutismen stehen noch mehr als in „The Incredible Planet“ im Mittelpunkt des Plots. Neben den gigantischen Raumschlachten werden unter Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Kräfte neue Raumschiffe im Eiltempo gebaut. Wirtschaftliche Aspekte spielen keine Rolle und in Hinblick auf die angedrohte Vernichtungskraft der Sonne wäre es sinnvoller, die Kräfte zu bündeln. Die drei Erdenmenschen finden für den Konflikt allerdings eine unorthodoxe Lösung. Da die Explosion der Sonne unvermeidbar ist, schlagen sie einfach vor, den Vorgang zu beschleunigen, damit die Bewohner der Planeten es hinter sich haben. Aber John W. Campbell schlägt keinen klassischen Völkermord vor. Er sieht die Möglichkeit, das die Planetenbewohner im Angesicht der schneller heraufdämmernden Katastrophe doch ihre Kräfte bündeln und aktiv gegen die quasi aktivierte Bedrohung vorgehen.

John W. Campbell sprüht vor in erster Linie technischen Ideen. Auch hier wird quasi in der Hinterkammer des Raumschiffs gebaut und erdacht. Auch wenn die beiden Planetenvölker grundsätzlich den Menschen überlegen sind, impliziert John W. Campbell, das der wache Geist, der etwas andere Blick  der Menschen auf das Szenario schließlich auf lange Sicht mehr Leben rettet als die auch militärisch eskalierende Situation in der Kürze kostet. 

Der zweiten Novelle fehlt aber die Exotik der ersten Geschichte. Zu sehr kommen dem Leser unabhängig vom Hintergrund die Abläufe aus unzähligen Pulpstorys bekannt vor. Die Zeichnung der Fremden – es handelt sich um Echsen – ist abschließend wieder zu menschlich, zu vertraut. Kontakt findet umgehend statt, Übersetzungshilfen sind nicht notwendig und die Adaption der Technik aus Sicht der Menschen den Fremden gegenüber als auch in die andere Richtung erfolgt im Grunde in Sekunden.  

Die dritte und mit großem Abstand längste Novelle ist „The Infinite Atom“. John W. Campbell greift auf Elemente der ersten beiden Geschichten zurück. So begegnet die Crew der ehemaligen SUNBEAM, jetzt NOVA wieder dem fremden Volk aus der zweiten Geschichte. Die Unendlichkeit des Alls und das Auffinden einer kriegerischen Rasse – die Centauren – wirkt wie eine weitere Odyssee in die Tiefen des Alls, die der Autor in der ersten Geschichte noch originell und atmosphärisch überzeugend beschrieben hat.

In dieser Geschichten überschlagen sich trotz der Länge die Ereignisse. Schließlich wird sogar die Erde von den Centauren bedroht. In erster Linie sind es die drei Freunde und Forscher, welche in einer Art Eiltempo eine neue ultimative Waffe entwickeln. An dieser Novelle lässt sich auch John W. Campbells wahrscheinlich in den dreißiger Jahren begründete Ansicht am besten ableiten. Eine wehrhafte Verteidigung und die Entwicklung neuer Waffen aus vor allem menschlicher Sicht ausschließlich zur Verteidigung gegen rücksichtslose Feinde sollten als friedensschaffende und/ oder zumindest bewahrende Maßnahmen ausreichen, um selbst einen von der Statistik her überlegenen Feind in Schach zu halten. Es ist immer der Intellekt der vor allem den Fortschritt antreibenden Wissenschaftler, welcher den Politikern – hilflos in Krisen – oder den Militärs – zu statisch und antiquiert in ihrem Handeln und Denken – überlegen ist. Wenn John W. Campbell seinen Helden einen Moment erschöpft durchatmen lässt, wirkt das angesichts der Betonung des Überhelden schon wie eine Kapitulation vor dem Tempo der eigenen Geschichte.

Mehr Ideen und Erfindungen; mehr pseudowissenschaftliche Argumentationen und vor allem eine Vielzahl von Handlungspunkten als in den ersten beiden Geschichten zusammen finden sich in „The Infinite Atom“. Der Glaube an die am Ende doch friedliche Nutzung der Atomenergie scheint heute pathetisch naiv, aber die Geschichten sind nicht in den vierziger Jahren und damit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und den Atombombenabwürfen über den beiden japanischen Städten entstanden, sondern Mitte der dreißiger Jahre, als der Faschismus in Europa aufkam und die ersten Diskussionen hinsichtlich einer möglichen Appeasement Politik aufbrandeten.

John W. Campbells „Der unglaubliche Planet“ ist wie die E.E. Smith Serie um die Lensmen kein klassischer Meisterwerk der Science Fiction. Wie eingangs erwähnt ist der erste Band „The Mightiest Machine“ das bessere Buch und dessen Ideen kann der Autor nur wenig nachhaltig hinzufügen. Aber sowohl Campbell als Autor, aber vor allem als Herausgeber sowie E.E. Smith als Vater der Pulp Space Opera haben Generationen von Autoren, aber vor allem auch jugendlichen Lesern beeinflusst, deren Werke sich in gänzlich andere Richtungen entwickelten. Aus diesem Grund ist es wichtig, sowohl die „Lensmen“ als auch Campbells „Der unglaubliche Planet“ zumindest zu kennen, auch wenn der Stil der dreißiger/ vierziger Jahre; die eher eindimensionale Zeichnung aller Protagonisten und schließlich  Campbells aus einem Maschinengewehr gefeuerter Ideenreichtum, der inhaltlich nur rudimentär entwickelt wird, inzwischen Patina angesetzt haben. Daher sollte „Der unglaubliche Planet“ vor allem in seinem historischen Kontext betrachtet werden.   

    

Der unglaubliche Planet

Aus dem Amerikanischen von Otto Schrag
Verlag: Heyne
Originaltitel: The incredible planet
Taschenbuch, Broschur, ca. 431 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-453-32204-2