Das Lied der fernen Erde

Arthur C. Clarke

1986 veröffentlichte Arthur C. Clarke mit „Das Lied der fernen Erde“  im Grunde eine weitere Zusammenfassung seines Werkes in Form einer romantischen Frontiergeschichte.  Die Grundlage bildete die gleichnamige Kurzgeschichte, die schon 1958 im Magazin „If“ veröffentlicht worden ist. Wie bei „2001“ die Kurzgeschichte „The Sentinal“ bildete, sollte diese Kurzgeschichte die Basis für eine aufwendige Adaption Anfang der achtziger Jahre sein. Arthur C. Clarke hat über die Arbeiten in einem Artikel für das Magazin OMNI geschrieben. Während „Das Lied der fernen Erde“ schließlich zu einem Roman erweitert worden ist, kam es parallel zu den Filmplanungen zur Verwirklichung einer Fortsetzung zu „2001“- „2010- das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen“.  Musikalisch ist das Buch dann allerdings von Mike Oldfield als „The Songs of Distant Earth“ adaptiert worden.

In seinem Vorwort spricht Arthur C. Clarke davon, dass es ihm bei dieser Generationenraumschiffgeschichte vor allem um einen technisch möglichen Hintergrund ging.  Die unfreiwilligen Siedler sollten in einen kryonischen Tiefschlaf versetzt werden. Keine neue Idee des Genres. Aber der Antrieb des Raumschiffs sollte auf Vakuumenergie basieren. Die letzten von der Erde ausgeschickten Siedlerschiffe sollten fast Lichtgeschwindigkeit erreichen.  Als Schutzschild fungiert blankes Eis, das die MAGELLAN allerdings auf einem ungeplanten Zwischenstopp erneuern muss. Sowohl auf der Erde zur Bestückung der Generationenraumschiffe als auch in primitiver Form zum Verschiffen des extra produzierten Eis werden Weltraumlifte eingesetzt. Damit übernimmt Arthur C. Clarke nach „Fahrstuhl zu den Sternen“ und „Makenzie kehrt zur Erde heim“ ein drittes Mal dieses Konzept. Auf technische Details hat der Autor allerdings nach der Entwicklung in „Fahrstuhl zu den Sternen“ verzichtet.

Der Plot des Buches besteht aus der „Wiederbegegnung“ von Menschen weit ab von der Erde auf dem idyllischen Wasserplaneten Thalassa. Der Planet ist vor mehr als zweihundertfünfzig Jahren von Roboterraumschiffen erreicht worden. Die Menschen an Bord erwachten und besiedelten die Welt. Nach dem ersten Signal zurück zur Erde brach die Kommunikation zusammen, da der Ausbruch des einzigen auf dem überwiegend aus Wasser bestehenden Planeten die Antenne zerstört hat. Die Menschen – Geburtenkontrolle ist wegen des spärlich vorhandenen  Landes Trumpf – haben sich unter eingeschränkter Nutzung der Technologie ein Paradies erschaffen. Es gibt allerdings immer wieder Konflikte zwischen dem „Norden“ und dem „Süden“, die weniger kriegerisch erscheinen als das es sich um nachbarschaftliche Auseinandersetzungen handelt. Bis auf Speere gibt es nur noch eine Waffe auf dem Planeten, in der Hand des Bürgermeisters.

Die Menschheit hat die Raumschiffe seit vielen hundert Jahren mit eingefrorenen Siedlern ausgeschickt. Die Sonne droht zur Supernova zu werden und die Menschen sehen in der Besiedelung des Alls die einzige Möglichkeit, als Rasse weiter zu existieren. Dabei handelt es sich um eine existentielle Aufgabe mit einem Verfalldatum, da zwischen dem Ausschicken der letzten technisch hoch überlegenen Raumschiffe und der Explosion der Sonne nur noch wenige Jahre liegen.

Aus „Makenzie kehrt zur Erde heim“ hat Arthuer C. Clarke einen anderen Aspekt übernommen. Die Menschheit hat bei ihrer Expansion ins All kein anderes intelligentes Leben gefunden. Auch wurden keine Signale aufgenommen. Am Ende von „Makenzie kehrt zur Erde heim“ argumentierten die Protagonisten, das die Menschen im Grunde nur auf der eigenen Basis im All „gesucht“ haben und die Parameter vor allem für Radiowellen sehr viel breiter sind als es bislang versucht worden ist. Vielleicht hat Arthur C. Clarke deswegen als Hommage an Carl Sagan auch den Zielplaneten der MEGALLAN Sagan 2 genannt. Zwar versuchen die Menschen immer noch, anderes intelligentes Leben zu finden, aber das Überleben steht im Mittelpunkt ihres Fortschritts. Der britische Autor kann sich aber einen zynischen Seitenhieb am Ende des Buches nicht verkneifen. Sollte es wirklich einmal einen Moment geben, der an den schwarzen Humor Douglas Adams erinnert, dann ist es diese kurze pointierte Sequenz.

Als Siedlergeschichte positioniert sich Arthur C. Clarke sehr deutlich. Die Menschheit hat auf dem Weg zu den Sternen die zweite Chance nicht nur mit beiden Händen, sondern aus Sicht des Briten auch mit Verstand ergriffen. Es gab die einmalige Chance, die eingefrorenen Siedler – zuerst waren es Embryos, später wurde nur deren „DNA“  zu den Sternen geschickt – die Menschen von allem Ballast zu befreien. Keine Religion wurde zu den Sternen geschickt. Die Literatur von allen Hinweisen auf Krieg und Terror befreit. Im gleichen Zug sollen auch die sozial moralischen Korsette zu Hause gelassen werden. Das Ergebnis kann der Leser auf dieser paradiesischen Welt betrachten. Die Menschen leben in Harmonie und freier Liebe. Erst wenn Kinder geboren werden, kommt es zur Ehe. Eifersucht gibt es nur in einem kleinen Rahmen. Viel Verständnis und gegenseitiger theoretischer Respekt. Es lässt sich jetzt allerdings auch argumentieren, das sich diese Gesellschaft nicht weiter entwickelt hat. Sie hat ein beschränktes technisches Wissen und kann die Maschinen am Laufen halten. Wenn sie es denn wollen. Es gibt einen Weg für den Bürgermeister. Die durch den Vulkanausbruch zerstörten Antennen wurden nicht ersetzt, weil niemand es für nötig erhalten hat. Das restliche zensierte Wissen der Menschheit ist zwar in Form von Datenbanken vorhanden, aber das „Lesen“ ist eher verpönt, obwohl es in Form von Unterricht anscheinend weitergegeben wird. Das Leben auf dieser idyllischen Welt ist im Grunde langweilig.

Das Raumschiff von der Erde könnte diese Strukturen durcheinander bringen. Aber in dieser romantischen Geschichte scheut der Autor die meisten Konflikte. Selbst die Idee einer Meuterei an Bord des Raumschiffs, mit der Idee, die Mission hier abzubrechen und die Embryos/  „DNA“ Stränge zu bebrüten wird abschließend demokratisch gelöst. Da helfen auch die zahlreichen Anspielungen auf Christian  Fletscher und die „Bounty“ nichts, die erst meuterten und dann durch Zufall ein Paradies gefunden haben, auf dem sie alle in kürzester Zeit starben.

Auf der zwischenmenschlichen Ebene lernt ein Besatzungsmitglied eine Frau des Planeten kennen. Deren Partner zieht sich in die Einsamkeit zurück, weil er zwar weiß, dass sie ihn immer lieben wird, aber die Versuchung durch die Fremden stärker ist. Es kommt zu einigen intellektuellen Gesprächen zwischen der Schönen und der Intelligenz, in denen Arthur C. Clarke eine Reihe von philosophischen wie sozialen Themen zwar streift, aber immer oberflächlich neutral bleibt. Als Roman betrachtet ist es erstaunlich, wie gut sich die Menschen verstehen, die nicht nur mehrere Generationen, sondern vor allem ein technischer Hintergrund trennt. Die Menschen an Bord der MAGELLAN haben den ganzen Ballast beginnend bei der Religion und endend mit dem Untergang der Erde auf ihren Rücken mit zu den Sternen geschleppt, während die Erde per se für die Menschen von Thalassa ein weiterer im Grunde abstrakter Begriff ist.

Arthur C. Clarkes Ambition ist klar definiert. Kann die Menschheit bzw. können Menschen auch ohne Ambitionen, ohne inneren Antrieb und vielleicht auch Druck von außen sich positiv entwickeln. Die Antwort ist ein klassischer Arthur C. Clarke – jein. Ohne die Gefahr einer Supernova Explosion der Sonne hätte die Menschheit einig nicht so stark expandiert. Wäre die Raumfahrt nicht der wichtigste Antrieb für Fortschritt und damit auch Überleben geworden. Eine klassische Situation, welche die Menschen entschärft um das Element eines selbstvernichtenden Krieges seit vielen Jahren angetrieben hat. Die Kolonie auf Thalassa ist das Gegenteil. Es gibt Einschränkungen hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung und ein Nachbarschaftskonflikt um gute Fischgründe wird nicht mit den Fäusten oder Speeren, sondern mittels einer Klage geregelt. Aber ansonsten herrscht in dieser Gesellschaft Stillstand und Impulse kommen vor allem durch das überraschende Eintreffen der Raumfahrer. Der Autor verweigert die Antwort auf die Frage, ob die Kolonie auf Thalassa vielleicht in diesem Zustand noch mehrere hundert Jahre existieren könnte. Auf der Erde ist diese Frage ja genauso schwer zu beantworten. Es gibt immer noch Urvölker, die auf einem für die Außenstehenden primitiven, für sie selbst zufriedenstellenden Niveau leben und vor allem auch in ihren natürlichen Räumen zufrieden überleben können. Alleine Eingriffe von außen gefährden ihre Existenz. Beide Wege sind möglich und in diesem kurzweiligen, aber intellektuellen und wenig Temporeichen Roman versucht Arthur C. Clarke eine kurzzeitig und sich abschließend auch wieder voneinander lösende Begegnung zu beschreiben, in deren Mittelpunkt eine Liebesgeschichte von allerdings leider durchgehend nur pragmatisch eindimensional und nicht lebendig beschriebenen Charakteren steht.           

Das Lied der fernen Erde (Heyne Allgemeine Reihe (01))

  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 286 Seiten
  • Verlag : Heyne
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3453024249
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3453024243