Sherlock Holmes- der Fluch der Mandragora

Ian Carrington

Ian Carringtons Crossover Roman „Der Fluch der Mandragora“ erschien im November 2021 im Blitz Verlag.  Hinter dem britisch klingenden Namen scheint aber ein deutscher Autor zu stecken, kein Originaltitel oder Übersetzer ist im Impressum angegeben worden.

Doktor Watsons Cousine wird in Marokko brutal von den Anhängern einer Sekte umgebracht. Doktor Watson wird gebeten in den Orient zu reisen.  Auch eine weitere Cousine Doktor Watsons befindet sich in Marokko, sie lebt mit einem reichen Einheimischen zusammen.  

Sein Freund Sherlock Holmes begleitet ihn in der Hoffnung, auf Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar zu treffen 

 Es ist den gesamten Kanon betrachtend nicht die erste Begegnung zwischen Sherlock Holmes und Doktor Watson. Das Hörspielkollektiv PuzzleCat Entertainment hat in seiner Produktion „Der persische Pantoffel“ nicht nur das Geheimnis um Sherlock Holmes exzentrisch wirkenden Tabakbeutels, sondern Sherlock Holmes erinnert sich auch an eine Begegnung aus dem 1893, als er in Persien am Hof des Schah-in-Schahs auf Kara Ben Nemsi und seinen Freund Halef getroffen ist. Gemeinsam kommen sie in dieser Geschichte einer Verschwörung durch den Geheimbund der Sillan auf die Spur.

Sowohl für Sherlock Holmes als auch Karls Mays Geschichten ist der grausame und im Vergleich zu den Originalen detailliert beschriebene Tod von Frauen ein Novum. Auch mit einer zweiten Handlungsebene aus Sicht der Schurken schenkt der Autor Ian Carrington einen kleinen Wissensvorsprung gegenüber dem Team Holmes/Kara Ben Nemsi und ihren beiden Helfern.

Da es sich aber grundlegende um eine Sherlock Holmes Pastiche handelt, bleibt Ian Carrington einer Tradition treu. Der ich Erzähler ist nicht Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand wie durchgehend in Karl Mays Werken, sondern natürlich der in diesem Fall auch familiär betroffene Doktor Watson.

Nach gut einem Drittel nehmen Kara Ben Nemsi und Sherlock Holmes unterstützt durch einen kryptischen Hinweis die Suche nach der zweiten Cousine auf. Auch in diesem Fall verfügt der Leser über einen traurigen Wissensvorsprung. Das der Mandragora Kult seine Krallen bis nach London ausgestreckt und vor allem Sherlock Holmes/ Doktor Watson tot sehen möchte, erläutert der Autor ebenfalls in einem zweiten Handlungsstrang. Es ist nicht die letzte Sequenz, in welcher der Leser den jeweiligen Protagonisten wissenstechnisch vorauseilt. Das ist nicht einmal notwendig, da eine exzessive Foltersequenz – die Szene wird einmal weniger erfolgreich und weniger brutal im weiteren Handlungsverlauf „gespiegelt“ – handlungstechnisch ins Nichts führt und im Grunde nur Seiten füllt. Natürlich haben die Leser Mitleid mit dieser kurz, aber prägnant charakterisierten Figur. Der Autor unterminiert abschließend allerdings eine für den Handlungsbogen interessante Sympathieebene und vor allem widerspricht sich sogar ein wenig. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen und der Leser hätte die Möglichkeit gehabt, noch mehr mit dem vor allem persönlich betroffenen Doktor Watson zu sympathisieren.

Diese Vorgehensweise ist wie erwähnt für beide Kanons ungewöhnlich und nimmt dem Buch vor allem während des ein wenig sperrigen Beginns auch die notwendige Grundspannung.     

In einem Teil der magischen Orient Reise hat Jacqueline Montemurri mit Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes literarischen Vater eingebaut, der Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar und dem klassischen Verbindungsglied Sir David Lindsay entsprechende Hinweise gibt.

Der Roman ist mit knapp einhundertvierzig Seiten relativ kompakt. Der Autor hat quasi zwei unterschiedlich agierende Protagonisten Gruppen zu führen. Den intellektuell Sherlock Holmes, der zusammen mit Doktor Watson auch gewalttätig im Sinne der Gerechtigkeit werden kann und auf der anderen Seite Kara Ben Nemsi, der sich zusammen mit seinem persönlichen Helfer Hadschi Halef Omar von Situation zu Situation auf seine geschmeidig kraftvolle Art; seine Schießkünste oder seine Beobachtungsgabe verlassen kann. Gemeinsam ist Sherlock Holmes und Kara Ben Nemsi, dass sie eine typischen Karl May und leider auch vielen Kanongeschichten innewohnenden Schwäche unterliegen. Sie folgen inklusiv einer lebensgefährlichen Situation relativ zügig der ausgelegten Spur; bekommen dieses Mal durch Druckausübung sogar entsprechende Hinweise und finden am Ende des roten Fadens sich in Händen der Schurken und damit einer grundsätzlich aussichtslosen Situation wieder. Wer allerdings aufmerksam mitzählt, kennt die Rettung in letzter Sekunde schon. Weder Sherlock Holmes oder Kara Ben Nemsi werden in der Wüste sterben.

Damit der Plot aufgelöst werden muss, bedarf es den abschließenden Auftritts eines der Sektenanführer, der wie bei James Bond als Gentleman Tee reicht und ausführlich Rede/ Antwort steht. Sherlock Holmes kann noch einen Aspekt hinzufügen.

Der Hintergrund der Geschichte als stimmige Erläuterung der seltsamen Rituale führt den Leser literarisch in der Zeit ein Stückchen weiter. Hanns Heinz Ewers hat die dem Fluch der Mandragora zugrundeliegende Idee in einem seiner  besten Romane perfektioniert.

 Aber für einen Sherlock Holmes Roman kommt viel zu wenig Deduktion. Ein wenig gute Beobachtungsgabe; einige kleinere Diskussionen und schließlich ein abenteuerliches Ende, bei dem der britische Detektiv die Inspektoren bei Scottland Yard sogar noch überreden muss, die finale letzte Wurzel des Kults auszureißen.

Für eine Kara Ben Nemsi/ Hadschi Halef Omar Geschichte ist der Plotverlauf nachvollziehbar. Ob absichtlich oder zufällig folgt Ian Carrington den inzwischen etablierten, sich teilweise auch am Rande des Stereotyps bewegenden Handlungsmustern. Einzig die im magischen Orient spielenden Geschichten oder die ebenfalls im Blitz Verlag publizierten Nachdrucke Axel J. Halbachs durchbrechen diese Muster zeitweilig.

Eine echte Zusammenarbeit zwischen diesen beiden grundsätzlich charismatischen Protagonisten findet nur zu Beginn der Geschichte statt. Ansonsten agieren sie zusammen, bilden aber kein echtes sich ergänzendes Team. Die Erwartungshaltung an diese vom Potential her ohne Frage auch interessante, dank des gut recherchierten, aber wie angesprochen auch in typischer James Bond Manier erläuterten Kults ist wahrscheinlich höher als der Autor durch den Entschluss, alles sehr kompakt erzählen zu wollen, auf den wenigen Seiten umsetzen konnte oder wollte.

„Der Fluch der Mandragora“ ist eines der zahlreichen Crossover (nicht nur im Sherlock Holmes Universum), das in der Theorie interessant sein könnte, aber einen provozierenden Autoren wie Philip Jose Farmer bedarf, um wirklich strahlen zu können. 

   

Ian Carrington
DER FLUCH DER MANDRAGORA

Band: 33, Historischer Kriminalroman
Seiten: 140 Taschenbuch
Exklusive Sammler-Ausgabe

Blitz Verlag (direkt beim Verlag bestellbar www.blitz-verlag.de)

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