Planet der Verlorenen

Herbert W. Franke

Die Geschichte des 1963 unter dem Pseudonym Sergius Both im Rahmen der Goldmann Taschenbücher veröffentlichten Romans “Planet der Verlorenen” ist weniger kompliziert oder gar komplex als es die Klappentexte des ersten unter Herbert W. Frankes Namen publizierten Nachdrucks 1987 im Ullstein Verlag oder die Neuveröffentlichung im Rahmen der Franke Werksausgabe bei p.machinery implizieren. 

Das Buch war eben 25 Jahre nicht verschollen zwischen 1963 und 1987. Es ist antiquarisch jederzeit lieferbar gewesen und auch Bestandteil der Goldmann Taschenbücher. Verschiedene Datenbanken haben auch darauf hingewiesen, dass Franke das erste und einzige Mal unter dem Pseudonym Sergius Both ein Buch publiziert hat. 

Viel mehr hat Herbert W. Franke wahrscheinlich zusammen mit dem für die Phantastische Bibliothek des Suhrkamp Verlag zuständigen Franz Rottensteiner darauf verzichtet, diese eher simple und geradlinig gestrickte Space Opera mit einem klassisch klischeehaften Helden im Rahmen der phantastischen Bibliothek nachzudrucken. Dadurch ist “Planet der Verlorenen” wahrscheinlich der einzige Franke Roman aus den sechziger Jahren, der bislang nur dreimal - Goldmann, Ullstein und jetzt p.machinery - erschienen ist.  

“Planet der Verlorenen” ist aber in Frankes umfangreichen, nicht immer bislang publizierten Werk nicht einzigartig. 

Inzwischen liegt aber im Rahmen der Werksausgabe auch mit “Das Gutenberg- Konzil” ein Band mit bislang nicht gesammelten oder nicht veröffentlichten Texten vor. Darunter befinden sich ein abgebrochenes Jugendbuch in der “Lost in Space” Tradition mit den farbenprächtigen Abenteuern einer Raumfahrenden Familie und das Kurzexpose einer ambitionierten Space Opera ebenfalls mit einem omnipräsenten Helden. Genau der Stoff, den “Planet der Verlorenen” umfasst. 

Bevor auf die Unterschiede zu Herbert W. Frankes ansonsten eher dunklen, warnenden Werk eingegangen werden soll, ist es sinnvoll, die Gemeinsamkeiten dieser Geschichte mit den anderen in den sechziger Jahren veröffentlichten Romanen herauszuarbeiten. Der “Planet der Verlorenen” besteht vor allem aus einer Gruppe von jungen ambitionierten Forschern und Studenten, welche die Erde verlassen mussten, weil Experimente zu einer besonderen Art der Krankheit geführt haben. Sie sind extrem lichtempfindlich und können bei längerer Sonneneinstrahlung sterben. Deswegen leben sie auf diesem exotischen Planeten in einer unterirdisch angelegten und durch einen mit Sand aufgefüllten Krater geschützten Anlage. Eine klassische Herbert W. Franke Ausgangslage, in welcher der Österreicher nicht selten die Isolation seiner Protagonisten, den ihnen auch aufgrund der Umstände aufgezwungenen Gehorsam und schließlich auch die Unmenschlichkeit der Vorgesetzten anprangert. 

Alle Punkte sind vorhanden und irgendwie doch nicht. Bei Franke entstehen Veränderungen immer von innen heraus. Aus der drangsalierten Gemeinschaft. Nicht selten führen diese sozialen Revolutionen aber nicht zu besseren Ergebnissen, sondern der Leser muss erkennen, das die Macht des Individuums begrenzt und das nach Orwells “1984” gestaltete System überlegen ist. 

Bei “Planet der Verlorenen” ist es der bislang wenig erfolgreiche Raumfahrer, Abenteurer und Explorer Patrik Ombra, der zusammen mit einem für die Klatschpresse schreibenden Journalisten Bealman schließlich zu einer Art Umsturz des Status Quo sorgt. Ombra hat sich mit seinem Raumschiff auf einem exotischen, aber paradiesisch unbewohnten Planeten niedergelassen, um der Menschheit Ade zu sagen. Eine attraktive Frau mit einem intelligenten außerirdischen Leibwächter fordert ihn auf, den Planeten umgehend wieder zu verlassen. Eine Schar Banditen taucht auf und macht Jagd auf Ombra. Angeblich soll der Planet über riesige Uranvorräte verfügen und die wie angesprochen vom Sand absichtlich geschützte Station im Krater soll der Zugang zu den Stollen sein.  

 Ein Journalist will vordergründig einen Artikel über die Gruppe von Menschen schreiben, in Wirklichkeit schmuggelt er seltene aber das Leben erhaltende Medikamente zu den unter der Erde zwar nicht eingeschlossenen, aber aufgrund der Krankheit gefangenen Männern und Frauen. Die junge Frau entpuppt sich zusätzlich als die Tochter eines Professors, dessen Forschungen für den Zustand der Probanten verantwortlich ist. Zumindest auf den ersten Blick. 

In der Ich.- Perspektive geschrieben handelt es sich um einen flotten, aber auch stereotypen Space Opera Roman. Herbert W. Franke lässt am Ende des Handlung eine Reihe von wissenschaftlichen Forschungen und Thesen in den Plot einfließen. Sie dienen aber in erster Linie dazu, um Licht in das Dunkel der Verschwörung zu bringen. Im Gegensatz zu den Klappentexten der Ullstein und p.machinery Ausgabe hat diese auch keine kosmischen Ausmaße, sondern ist dem klassischen Drang nach Ruhm, Macht und Einfluss geschuldet. Es gibt einen entsprechenden Antagonisten, der nicht nur hinter der Manipulation der Forschungen steht, sondern die Wissenschaftler ausnutzt und aufgrund deren Erkenntnisse Karriere macht. Diese haben keine Möglichkeit, auf dem abgeschiedenen Planeten die Wahrheit zu erkennen. 

Auf dem Weg dahin muss sich der zwar dominante, aber nicht alle Aspekte der Handlung dominierende Petrik Ombra mit einer Reihe von Gefahren auseinandersetzen. Da wären die Banditen, die erstaunlich schnell mit verschiedenen Methoden den Wissenschaftlern im wahrsten Sinne des Wortes den Wind um die Ohren pusten. Immer wieder gelingt es Ombra, kleinere Siege gegen die allerdings auch erstaunlich naiv handelnden Banditen zu erringen. 

Eine zweite, sich aber erstens spät und zweitens aus anderen Gründen zeigende Gefahr ist der schon angesprochene Antagonist und gleichzeitig geistige Anführer der Banditen. Nicht ganz klar wird, warum er diese angeheuert hat, denn sie bedeuten das Ende seiner bisher sprudelnden Quelle der wissenschaftlichen Inspirationen. 

Der dritte Gefahrenpunkt ist der Planet der Verlorenen per se. Herbert W. Franke entwickelt eine interessante Flora und Fauna, die den Menschen gefährlich wird. Wie es sich für derartige Romane gehört, ist die ausführliche Beschreibung einer besonders perfiden Fleisch fressenden Pflanze gleichzeitig der Schlüssel zur finalen Auseinandersetzung. Herbert W. Franke ist nicht zuletzt aufgrund seines kompakten Stils der Stoff vor dem Ende eines Romanumfangs ausgegangen und so musste der Epilog inklusiv der entsprechenden Flucht der schurken ein wenig gestreckt werden, damit die Geschichte über die ausreichende Länge verfügt. 

Auch wenn sich die vielen Kritikpunkte negativ anhören, ist “Planet der Verlorenen” unabhängig von der Identität des Autoren ein unterhaltsames Garn. Im Gegensatz zu vielen seiner deutlich bekannteren Science Fiction Romane dieser ersten literarischen Epoche zeichnet Herbert W. Franke wie in den Fragmenten, die in “Das Gutenberg- Konzil” veröffentlicht worden sind, seine Protagonisten mit einer deutlich leichteren und damit auch im Rahmen der bekannten Klischees eher überzeugende Art und Weise. Sie sind einfach lebendig. In seinen kritischen Romanen würden diese Art von lebhaften Figuren auf beiden Seiten hinsichtlich der sozialkritischen Intentionen des Autoren ohne Frage kontraproduktiv sein,   aber in “Planet der Verlorenen” funktioniert es in einer Art Kurt Brand Hommage ausgesprochen gut. 

Wie mehrfach erwähnt ist “Planet der Verlorenen” kein verschollener Abenteuer- Klassiker, sondern ein stringentes, exotisch farbenprächtiges und gut geschriebenes Science Fiction Garn, das trotz oder vielleicht auch wegen der zahlreichen Schwächen - nicht selten konstruiert Franke einige Wendungen, um seine Protagonisten aus der jeweiligen Klemme zu befreien - sich auch fast sechzig Jahre nach der Erstveröffentlichung noch erstaunlich gut liest.     

Herbert W. Franke
PLANET DER VERLORENEN
Science-Fiction-Roman
SF-Werkausgabe Herbert W. Franke, Band 6
hrsg. von Ulrich Blode und Hans Esselborn
AndroSF 62
p.machinery, Murnau, Mai 2016, 152 Seiten, Paperback
Softcover – ISBN 978 3 95765 068 9 – EUR 9,90 (DE)
Hardcover (limitierte Auflage) – ISBN 978 3 95765 069 6 – EUR 16,90 (DE)