Future - die Zukunft gehört Dir

Dan Frey

Der Heyne Verlag legt mit „Future- die Zukunft gehört Dir“ einen der gegenwärtig modernen Thriller auf deutsch vor, dessen Science Fiction Basis auch angesichts der hohen erzählerischen Dynamik zu einer Art Gimmick werden kann.

Ganz bewusst spielt Dan Freys quasi in der Gegenwart, dem Silicon Valley des Jahres 2021. In einem Interview spricht er von der Entstehung der Idee während der Anhörungen von Mark Zuckerberg vor dem Kongress 2018. Der Einfluss nicht nur von Facebook, sondern generell der Technologie auf das alltägliche Leben war die Basis dieses auch in seiner Struktur ungewöhnlich, herausfordernd, aber auch über lange Strecken sehr zufriedenstellend erzählten Thrillers.

Die chronologische Struktur wird von Beginn an aufgegeben. Dadurch agiert der Leser handlungstechnisch nicht unbedingt auf Augenhöhe der Protagonisten. Für ein Buch,  das sich intensiv mit der „Zukunft“ per se und der Idee, einen Blick in dieser Zukunft werfen zu können, auseinandersetzt, sicherlich eine ungewöhnliche Vorgehensweise. Derartig ungewöhnlich, das der Autor während des allerdings auch ein wenig offenen Endes schließlich zu einer Art Kompromiss bereit ist. Ungewöhnlich versucht er mittels seiner Protagonisten die Vorgehensweise zu rechtfertigen. Diese rückblickend erklärende Haltung ist weder notwendig noch bringt sie dem Leser, geschweige denn den Protagonisten weitere Informationen.

Neunzig Prozent des Romans bestehen aus verschiedenen Dokumenten – viele erstaunlich kurz-, privaten E- Mail Zitaten und schließlich Zeitungsartikeln. Der rote Faden wird von einer Art Protokollverlauf während einer Anhörung gebildet. Für den Leser ist diese Vorgehensweise in mehrfacher Hinsicht interessant. Im Gegensatz zu einigen anderen Science Fiction Thrillern der Gegenwart, welche Protagonisten und Leser mit einer SF Idee konfrontieren und auf dieser Basis nicht selten eine Abfolge von Verfolgungsjagden und Verschwörungselementen präsentieren, geht Dan Frey authentischer vor.

Ben Boyce und Adhi Chaudry sind die beiden Jugendfreunde, welche auf die Frage, ob sie einen Blick in die Zukunft werfen wollen, ohne nachzudenken mit ja antworten. Dazu entwickeln sie einen Computer, der einen Blick in das Internet ein Jahr in der Zukunft werfen kann. Bei der Informationsausgabe verzichtet Dan Frey als erstes auf die globalen Folgen dieses möglichen, vielleicht realistischen Blicks in die Zukunft und ignoriert das momentan sehr populäre Science Fiction Konstrukt von sich durch Kenntnis der Zukunft neu herausbildenden Paralleluniversen. Boyce und Chaudry sehen es eher als eine Art alltäglichen Wegweiser, der Antworten in privater und in beruflicher Hinsicht gibt. Zwischen den Zeilen und den präsentierten Informationen kann sogar abgelesen werden, ob der Betrachter in einem Jahr noch lebt oder nicht.

Wirtschaftlich ist es im Grunde ein Perpetuum Mobile. Da alle Voraussagen perfekt und genau sind, ermöglicht es den beiden, immer einen Wissensvorsprung zu haben. Beginnend bei der Börse oder hinsichtlich des Sports inklusiv der entsprechenden Wetten sowie politischen Situationen. Eine Gelddruckmachine.

Hier geht aber die erste logische Schwierigkeit los. Ein derartiges Instrument wird für einzelne Sektoren katastrophal sein. Sportwetten dürfte es nicht mehr geben, da niemand sicher sein kann, das die Wetten nicht auf einem Wissensvorsprung platziert worden sind. Hinsichtlich der Börsenentwicklung und vor allem auch Firmenübernahmen stellt sich die gleiche Frage. Agieren in diesem Fall die beiden Protagonisten in den Märkten oder schaffen sie sogar künstliche Märkte, denen sich die eigentlichen Protagonisten wie zum Beispiel Private Equity Firmen oder Konzernchefs noch gar nicht bewusst sind? Und findet hier eine Art Quadratur des Kreises statt, in dem die Aktionen Reaktionen bedingen, deren Grundlagen noch gar nicht erkennbar sind? Auf diese Fragen geht Dan Frey nur bedingt ein.

Einen großen Teil des Buches nimmt die Gründung des Start Ups ein. Die Ausgangslage sind ein Quantencomputer, der mittels der Qbits Informationen die Zukunft auslesen kann. Grundsätzlich hat die Idee der beiden Studenten das visionäre Potentials eines Zuckerbergs, eines Musks und/ oder eines Steven Jobs, die mittels Sturheit, Rücksichtslosigkeit und vor allem auch dem entsprechenden Kapital zu Milliardären geworden sind und die Welt verändert haben. Aber im Gegensatz zu den beiden Pionieren konnten sich viele der ehemaligen Start Up Gründer in Silicon Valley nicht sicher sein, ob ihre Firmen wirklich zu den berühmten Einhörnern – gegründet in der Garage und inzwischen eine Milliarde oder mehr wert – werden würden. Ketzerisch gesagt wissen es Boyce und Chaudry. Weiterhin bräuchten sie eigentlich das ganze Kapital gar nicht, sie könnten es sich in der Theorie beschaffen. Nur in der Theorie, da jedes zu erfolgreiche Wettsystem oder entsprechende nach Insidertrades aussehende Transaktionen irgendwann den Behörden auffallen. Und im Gegensatz zu den angesprochenen Milliarden ist ihre Erfindung eine perfekte Abwehrwaffe, die zumindest aus Sicht jedes Politikers in die richtigen und damit eigenen Hände gehört.

Ein wichtiger Störfaktor scheint immer noch der Mensch zu sein. Neben den ausführlichen und gut recherchierten Abschnitten zur Gründung von Start Ups, dem Einwerben von Risikokapital und schließlich auch der Vermarktung – obwohl sie über kein klassisches Massenprodukt verfügen – geht Dan Frey immer wieder auf romantisch emotionale Beziehungen ein. Hier zeigt sich eine große Schwäche des Buches, denn die Kenntnis der Zukunft führt nicht immer zu den entsprechenden Resultaten bei den Beziehungen. Faszinierender wäre es wahrscheinlich, wenn Dan Frey nicht einen perfekten Blick in die Zukunft gestattet hätte, sondern die Ergebnisse der Berechnungen seines Quantencomputers in Form von Wahrscheinlichkeiten dargestellt hätte. Jede Aktion in der Gegenwart hätte dann in der Zukunft zu höheren oder niedrigen Trefferwahrscheinlichkeiten geführt und die Handlungen der Protagonisten in der Gegenwart hinsichtlich der potentiellen Zielergebnisse spannender gestaltet.

Unabhängig von diesen schwierig zu greifenden Themen und der vom Autoren absichtlich ignorierten politischen Einflußnahme – Homeland Security wäre wahrscheinlich sofort einmarschiert und hätte die Pläne konfisziert – zeigt sich an Kleinigkeiten wie der Ukraine Situation, der Wechselwirkung zwischen Gerücht und Fakten sowie den schwierigen Finanzierungsrunden einer im Grunde perfekten Investition, den zahlreichen Exkursen in eine realistische Darstellung des gegenwärtigen Social Media Verhaltens der Massen und ihren dann sich selbsterfüllenden Wünschen, wie genau Dan Frey den Hintergrund seiner Geschichte recherchiert und wieviel Mühe er sich gegeben hat, die phantastische Idee in ein möglichst realistisches Umfeld zu packen.

Der Leser muss wie angesprochen einige Kompromisse akzeptieren, um den phantastischen Plot in der vom Autoren angedachten, aber leider nicht jeglicher Realität von Politikern und Geheimdienst Aktionen entsprechenden Art und Weise  zu akzeptieren. Die Protagonisten sind solide gezeichnet, die ungewöhnliche und lange Zeit durchgehaltene Erzählstruktur überdeckt einige emotionale Schwächen und Kompromisse.

„Future- die Zukunft gehört Dir“ spricht die Leser zwar titeltechnisch auf dem Niveau eines Onlinespiels an, in diesem Fall ist es wahrscheinlich neben dem klassischen Wahrheitsgehaltes des Untertitels die beste Vorgehensweise, denn die Protagonisten schaue ja vor allem direkt in die eigene medientechnische Zukunft. Die Ausgangsbasis ist interessant, die Ausführung mit den angesprochenen Einschränkungen mindestens zufriedenstellend, das Ende ist zu offen und deutet zu stark auf eine nicht unbedingt notwendige Fortsetzung hin.     

Future - Die Zukunft gehört dir: Roman

  • Herausgeber ‏ : ‎ Heyne Verlag; Deutsche Erstausgabe Edition (10. Januar 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 432 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3453321316
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3453321311
  • Originaltitel ‏ : ‎ The Future is Yours