„Funkenmord“ ist nicht nur der elfte „Kluftinger“ Roman, sondern die direkte Fortsetzung zum Jubiläumsband der Serie. Es ist nicht notwendig, nach „Kluftinger“ unbedingt „Funkenmord“ lesen zu müssen. Am Ende des zehnten Buches kommt dem älteren Kluftinger die Erkenntnis, dass er als junger ambitionierter Beamter bei seinem ersten Mordfall auf den ersten Blick alles „richtig“, auf den zweiten Blick aber auch vieles falsch gemacht hat. Der grundlegende bestialische Mord an einer jungen Lehrerin – sie wurde in dieser besonderen Nacht am Kreuz verbrannt – bleibt dadurch zumindest auch aus Kluftingers Perspektive unaufgeklärt. Es macht allerdings keinen Sinn, „Funkenmord“ für sich alleine genommen zu lesen. Zu viele Hinweise und Handlungsfäden sind übernommen worden und werden ohne große Vorreden extrapoliert.
„Kluftinger“ bestach nicht nur durch einen Fall, der weit in die Vergangenheit des Protagonisten zurückreichte, sondern vor allem ihn als Jugendlichen und jungen Beamten beschrieb. Dadurch wird der eckige Kluftinger zu mehr als einer Farce, als welche ihn die beiden Autoren vor allem in den schwächeren Romanen darstellten. „Funkenmord“ kann mit diesem interessanten Aspekten/ Hintergrundinformationen nicht punkten und konzentriert sich neben den Ermittlungen im „Funkenmord“ wieder auf eine Reihe von nicht immer wirklich humoristisch erfolgreichen Exkursen.
Am Rande des Klischees ist die Bahnfahrt nach Kassel mit der Verwechselung der Klassen; der Angst, das 18 Minuten Umsteigezeit in Augsburg nicht reichen und der Fahrkartenkauf. Ebenfalls an der Grenze zum Slapstick ist die Thermomixvorführung im Hause Langhammer mit einer trinkfesten Russin sowie Kluftinger als Ersatz für seine an Migräneanfällen leidende Frau. Natürlich entschließt sich der Kommissar zu einem Spontankauf, ohne wirklich zu ahnen, was diese Geräte kosten.
Aus “Kluftinger” übernehmen die Autoren zwei Handlungsteile. Strobl in Ausübung seines Dienstes erschossen, nachdem die Kollegen ihn mehrmals der Bestechlichkeit verdächtigt haben. Jetzt trauert vor allem Maier mit einer an der Grenze der Dummheit befindlichen Hartnäckigkeit. Hinzu kommen die Fellpuschen, welche die Büros im Polizeirevier heimeliger machen sollen. Auch die Episode mit dem Weihnachtsbaumkauf grenzt an unerträgliche Dummheit. Auf der anderen Seite schenken die Autoren dem Maier schließlich zusammen mit der neuen Kollegin auch einen Moment des Ruhms.
Langhammers Hund hat am Ende von “Kluftinger” dem Kommissar das Leben gerettet. Als Dank hat er sich schon auf der übertriebenen Trauerfeier daneben benommen. Jetzt beschafft er aus dem örtlichen Tierheim einen verwahrlosten Hund. Nicht um den armen Tier wirklich ein neues Heim zu schenken, sondern weil das Tier bei den vorherigen Besitzer ordentlich die Möbel kaputt gemacht hat und Kluftinger sich auf das dumme Gesicht Langhammers freut , wenn er nicht mehr einen Rassehund sein Eigen nennt, sondern die wertvollen Möbel beschädigt werden. Das ist nicht mehr wirklich lustig, nicht einmal mehr albern, sondern peinlich für die Autoren, die ihren im zehnten Roman wieder gut und irgendwie kauzig menschlich aufgebauten Kluftinger in “Funkenmord” wieder ordentlich demontieren. Zumal ausgerechnet der Hund von jenseits des Grabs den Schlüssel buchstäblich im Maul hält, mit dem Kluftinger schließlich den Mord lösen kann.
Schadenfreude kann der Leser hinsichtlich der dreifachen Speisung mit Kässpatzen empfinden. Dabei meinen es alle nur gut mit Kluftinger. Aber dreimal eine doppelte Portion an einem Tag ist selbst für einen Stahlmagen zu viel. Auch hier endet diese Sequenz auf einer nur bedingt lustigen Note. Zwiebeln sind für Hunde tödlich.
Das liegt vielleicht auch in der Tatsache begründet, dass die eigentlichen Ermittlungen in Sachen “Funkenmord” sich eher dahin schleppen und nach dem interessanten Auftakt mit Kluftinger Senior lange Zeit im Hintergrund vor sich hin schwelen.
Ein Zufall führt Kluftinger nicht zuletzt dank der Geldgier der Frau Rimmele - die ehemalige Vermieterin der ermordeten Lehrerin - auf neue Spuren. Natürlich wurden diese 1985 nicht entdeckt, weil man ja nicht gefragt hat. Aus einem blutigen Taschentuch - der Leser ahnt, welchen Schlüssel dieser Fund enthält - und Briefen an die Mutter kann Kluftinger mit der Suche beginnen.
Zwei Augenzeugen - syrische Flüchtlingskinder - helfen Kluftinger nur bedingt weiter. Das von ihnen nach dem Überfall auf den Kommissar gemalte Bild ergibt anfänglich keinen Sinn. Am Ende fällt auch dieses Puzzlestück fast von alleine an die richtige Stelle.
Es folgen die Befragungen der ehemaligen Schüler - mit einem soll die Lehrerin neben dem lange Zeit Tatverdächtigen ein Verhältnis gehabt haben - und der ehemaligen Kollegen. Zeit, die Klischees vom erdrückenden Lehrerzimmer und den steifen Pädagogen herauszuholen. Ein potentieller Selbstmord eines der Tatverdächtigen ausgerechnet mit der in “Kluftinger” gestohlenen Dienstwaffe des inzwischen zum interimistischen Polizeipräsidenten ernannten Kluftinger beweisen den Ermittlern, das sie auf heißen Spuren sind.
Abschließend sind es einige Verhöre, welche die letzten Puzzleteile zusammenfallen lassen. Dabei spielt auch die Verjährung eine wichtige Rolle. Die Vorgehensweise ist immer gleich. Der Tatverdächtige wird beschuldigt, mit einigen Tricks und Wendungen ein Teilgeständnis errungen, das schließlich zum nächsten Dominostein in der Kette führt. Ein aufmerksamer Leser ist dem ermittelnden Kommissar Kluftinger spätestens dank eines einzigen Satzes mindestens einen Schritt vorweg. Das Finale ist effektiv, ein wenig überraschend. Nicht unbedingt hinsichtlich des abschließenden Täters, aber in Bezug auf die umgehende Bestrafung.
Das wirkt alles routiniert und wird solide inszeniert. Die Dialoge sind deutlich stringenter, zielführender. Kluftinger nimmt sich fast widerwillig an einer Stelle zurück. Dabei beachten die Autoren die polizeilichen Grundregeln nicht. Wenn ein Beamter in den Fall involviert ist - es geht hier ja auch um den Überfall auf Kluftinger und dessen potentielle Entführung/ Ermordung - darf er bei den Ermittlungen keine aktive Rolle spielen. Nicht einmal dem Dienst befließlichen Maier oder dem Hefele fällt dieser Widerspruch zu den Arbeitsanweisungen auf. Aus dieser Tatsache hätte sich sehr viel mehr Spannung ableiten lassen. in “Kluftinger” konnte der Kommissar auf die seltsamen Morddrohungen nur reagieren, in “Funkenmord” muss er aktiv handeln.
Anschließend kehren die beiden Autoren mit der Taufe auf die familiäre Ebene zurück. Hier finden sich mit Erikas Migräne Erkrankung und ihrer neuen Aufgabe aktuelle Zeitbezüge. Während Kluftinger in seinen Klischees noch gefangen ist, unterstreicht Erika, wie sehr sie sich aus dem langen Schatten ihres Mannes unabhängig von dessen liebevoller Betreuung entfernen kann.
“Funkenmord” ist die solide zweite Hälfte dieses Doppelbandes. “Kluftinger” stellt ein Teilende dar, es ist nicht zwingend notwendig, “Funkenmord” zu lesen. “Kluftinger” ist aber beide umfangreichen Romane betrachtend auch die bessere Geschichte. Mit deutlich mehr Tempo, einigen überraschenden Wendungen und der Aufarbeitung von Kluftingers “Vergangenheit” überzeugt nachhaltiger als die zahlreichen, nicht immer geschmackvollen Slapstickeinlagen in “Funkenmord”, durch die fast routiniert zu nennenden und manchmal zu sehr auf den Faktor Zufall setzenden Ermittlungen miteinander verbunden.
- Herausgeber : Ullstein Taschenbuch; 3. Edition (24. September 2021)
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 496 Seiten
- ISBN-10 : 3548064914
- ISBN-13 : 978-3548064918