PR Neo 69- Wächter des Archivs

Michelle Stern

Michelle Stern kann dem Leser inzwischen leidtuen. In der laufenden Heftromanserie gehörten ihre letzten Beiträge – einen hat sie zusammen mit Christian Montillon geschrieben – zu den Schwächsten der laufenden Serie und im vorliegenden „Perry Rhodan Neo“ 69 kann sie sich mühen wie sie möchte, aus der weiterhin sehr ungeschickt konstruierten und immer unglaubwürdiger werdenden Rhodan Handlungsebene kann sie keinen vernünftigen Roman stricken. Vor allem, weil Frank Borsch und leider auch Michelle Stern auf so alte Tricks zurückgreifen, dass es beiden peinlich sein muss.

Auch in der laufenden Erstauflage musste eine Simulation herhalten, um Spannung zu erzeugen. Im vorliegenden Roman wird Perry Rhodan zusammen mit Kishori in einer Prüfungskammer der Arkoniden von da Treffon festgenommen. Dieser rühmt sich angesichts seiner Heldentat und wird vielleicht als erster Hinweis von Michelle Stern übertrieben in typisch klischeehafter James Bond Antagonisten Manier beschrieben. Um die Ecke liegt die private Folterkammer. Ein weiterer Hinweis für die kommenden Ereignisse, denn normalerweise werden in den Rhodan Romanen die Informationen quasi aus dem Gehirn gesogen. Um die Koordinaten der Erde zu erhalten, soll Kishori Perry Rhodan foltern. Dessen Schmerzzentrum soll aktiviert werden. Als da Treffon passend aus der Folterkammer gerufen wird, bittet Rhodan theatralisch Kishori, sein Gedächtnis mittels des Schmerzsensors quasi zu löschen. In diesem dramatischen Augenblick endet die Simulation und Kishori weiß, dass sie Rhodan vertrauen kann. Es ist unglaublich, dass die Autoren den Mut haben, derartig kitschige und vor allem klischeehafte Szenen noch zu verwenden und Seiten mit der Irritation der Leser förmlich verschwenden. Es ist aber nicht die einzige schwache Szene in einem grundsätzlich ausgesprochen langweiligen und leider auch langatmigen Roman.

Zu Beginn des Romans können Belinkhar, Talamon und Perry Rhodan mit den in einem Lebensmittelcontainer eingeschmuggelten Matsu und Jeethar  auf Iprasa landen. Ihre Tarnung ist so perfekt, dass sich der Institutsleiter nicht erkundigt, sondern sie wirklich als Inspektoren anerkennt. Leider gibt es einen Arkoniden, der an Belinkhar ein persönliches Interesse hat. Oront da Tesmets  ist der Bruder der Arkoniden, die bei der Aktivierung seines Extrasinns Belinkhar unterlegen gewesen ist. Jetzt sinnt er auf Rache für seine Familie. Dadurch wird Belinkhars Maskerade relativ schnell durchschaut, zumal in den Institutsrängen auch untereinander Neid herrscht. Da sich anscheinend niemand mehr um seine Pflicht kümmert, weil da Tesmets seinen privaten Rachefeldzug starten. Wie oft ist das schon in diesem „Neo“ Zyklus vorgekommen. Anstatt Perry Rhodan und Belinkhar zu verhaften, wird ihnen aufgrund der Dummheit, Borniertheit und dem Egoismus einzelner Arkoniden immer wieder die Chance gegeben weiterzumachen. Diese unglaubwürdigen und glücklichen Zufälle halten als Entschuldigen für geradlinige Handlungsfäden her. Vor allem wird dann Belinkhar nicht einmal getötet, sondern auf absurde Art und Weise in einer zur Sprengung vorbereiteten Pyramide eingesperrt! Wie die Rettung durch eine Art außerirdische Kavallerie erfolgt, ist lesenswert. Also Parodie geeignet. Es ist unglaublich, dass „Neo“ noch tiefer fällt. Sei gut zu Fremden, dann helfen sie dir auch. So untertunneln die Taa Krieger das die Anlage schützende Schirmfeld wie in der ersten Staffel auch Ernst Ellert einen Zugang zu der vom arkonidischen Schutzschirm umgebenen STARDUST gefunden hat. Ihnen gelingt es, nicht nur Belinkhar zu befreien und Rhodan gleich mit zu nehmen, Reginald Bull schickt in letzter Sekunde einen Schirmfeldgenerator mit Schwebeantrieb, der sie vor den Verfolgern in Gestalt zweier (!!!) Kampfroboter schützen soll. Bedenkt man, wie wenig diese elementare Anlage geschützt ist, dann überrascht es auch nicht, dass es im Gegensatz zur ursprünglichen Serie noch leichter geworden ist, den Kampfroboters zu entkommen. Da agieren selbst die ambivalenten Naats sehr viel einfallsreicher und vor allem origineller als diese arkonidischen mechanischen Ersatzkrieger.

Erscheint schon die grundlegende Handlung stark konstruiert und vor allem unglaubwürdig, so kommt es bei den Archivträgern noch dicker. Immer vorausgesetzt, dass diese teilweise nicht von ihren Aufgaben wissen und es sich um essentielle Informationen handelt, die über Jahrtausende anscheinend ohne offizielle Sanktionierung oder Wissen des jeweiligen Regenten weitergegeben werden, dann erscheint die Idee mit dem Nahrungsbrei endgültig verrückt. Der Nährbrei besteht aus den Abfallresten der Station, der mit Wirkstoffen versehen ist, die die Informationen über die Aktivatorträger kodieren. Wie gut, dass man einen Hacker mitgenommen hat, der wiederum schnell die letzten möglichen Träger der Position der Erde ermittelt. Von denen erweist sich einer als alter Bekannter, womit sich ein weiterer Handlungsarm dieses Minizyklus schließen und Perry Rhodan/ Atlan quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnten. Das Perry Rhodan sich als Wächter des Archivs ausgibt und dieses durch die oben angesprochene Simulation sogar glaubhaft machen könnte, ist der letzte Sargnagel unter einen der schlechtesten „Neo“ Romane der letzten Zeit. Warum könnte Rhodan ein Wächter des Archivs sein, weil er seine Heimatwelt nicht opfern und den Arkoniden in die Hände fallen lassen möchte? Was glaubt Kishori, dass er mit den Daten macht? Immerhin könnte er bereit sein, Mitglieder des Archivs zum Erreichen seiner Ziele auch zu töten. Da der Leser weiß, dass er Frank Borsch ihn niemals vor dieses moralische Problem stellen wird, ist eine weitere Diskussion überflüssig. Das sie am Ende die wahre Wächterin des Archivs finden und die Arkoniden die Extrasinnaktivierung nicht selbst herausgefunden, sondern von der Taa erlernt haben könnte, ist der Gipfel der Konstruktion. Es erscheint so unwahrscheinlich, dass zwei Spezies von unterschiedlicher Herkunft quasi über das gleiche Instrument verfügen und die eher primitive Kultur der TAA den Extrasinn quasi ökologisch reizen können während die Arkoniden es in einem hoch komplizierten Vorgang inklusiv Tempel und Wettkämpfen machen. Hinzu kommt der Hinweis, dass eine Gründerin den Arkoniden die Aktivierungstechnik vor ungefähr 14.000 Jahre zur Verfügung gestellt hat. Immer diese ominösen geheimnisvollen im Hintergrund operierenden Kräfte. Während die Erstauflage vereinfacht wird, versucht Frank Borsch den „Neo“ Kosmos von Beginn an unnötig kompliziert und komplex zu machen. Die potentiellen Kosmokraten im Hintergrund behindern augenblicklich eher den vorsichtig gesprochen sehr langweiligen Handlungsaufbau. Darüber hinaus versucht Frank Borsch sehr viel, den Arkoniden die fremdartige Faszination einer aristokratischen und gleichzeitig Technologiehörigen Gesellschaft zu nehmen, um daraus ein Volk der Verschwörer, der Denunzianten und Anarchisten zu machen, die alle egoistisch nur an sich denken und keine Sekunde sich als Einheit präsentieren. Kein Wunder, dass ein Zufallsstolperer wie Perry Rhodan hier Erfolg haben kann. Natürlich muss „Neo“ anders sein, aber dann soll es wirklich anders sein. Warum nicht den Mut haben, einen kompletten Neustart zu machen und eine gänzlich andere Geschichte zu erzählen, als die Details aus der Originalserie auf eine derartig frustrierend Art und Weise zu zerstückeln?

Wie schon mehrfach erwähnt ist „Wächter des Archivs“ zusätzlich ein Roman voller Klischees und konstruierten Situationen, der wenig dynamisch verfasst worden ist und hoffentlich das leidige und ausgewalzte Thema des Epetransarchivs den entscheidenden Schritt zum Ende führt. So langsam wünscht man sich als Leser, dass da Treffon doch die Daten bekommt und die Erde eliminiert wird. Das wäre endlich eine originelle Wendung dieser zähen Masse Rhodan.     

Pabel Verlag

Taschenheft, 160 Seiten

Erschienen Mai 2014

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