Die Augen der Galaxis

Adrian Tchaikosvy

„Die Augen der Galaxis“ ist der zweite Band der Architekten Trilogie des britischen Autoren Adrian Tchaikovsky. Der abschließende Roman „Die Feinde der Zeit“ wird im Dezember 2023 erscheinen. Es ist wichtig, die drei Bücher in der chronologischen Reihenfolge zu lesen. Auch wenn Adrian Tchaikovsky nicht nur zwischen den Romanen, sondern auch innerhalb der einzelnen Handlungsstränge wichtige Ereignisse nicht nur für die Leser, sondern auch die einzelnen Protagonisten rekapituliert, ist es wichtig, die Vorgehensweise des Autoren innerhalb der einzelnen Romanen zu erkennen. Auch wenn Adrian Tchaikovsky sein Universum auch in „Die Augen der Galaxis“ weiter ausbaut, wirken diese neuen Szenen eher wie Ergänzungen eines sehr komplexen und im Auftaktband ausgesprochen zufriedenstellend entwickelten Universums, das unabhängig von den exotischen wie gefährlichen außerirdischen Architekten von Blue Collar Menschen bewohnt wird, die von den Ereignissen immer mehr ihrem persönlichen Schicksal entgegen getrieben werden als das sie in der Lage sind,  etwas aktiv zu steuern.

Im ersten Roman hat der Autor im Prolog den ersten Angriff der und die eher verblüffende Abwehr dank einer Kommunikationsbasis mit den Architekten beschrieben. Weiterhin etablierte Adrian Tchaikovsky, das es geheimnisvolle Artefakte gibt, mit denen die Architekten von Planeten fern gehalten werden können. So detailliert die Autor die einzelnen Objekte beschrieb, so vage blieb er hinsichtlich ihrer Hintergründe. Auch die wie kleine Mode wirkenden Architekten mit ihrem Hunger nach Planeten inklusive der entsprechenden Lebensformen wurden so vage wie vertretbar, aber auch gleichzeitig so bedrohlich wie anschaulich beschrieben. Es war ein Ritt auf der Rasierklinge, den der Autor seinen Lesern zumuten. An jeder Stelle war auf der einen Seite ersichtlich, dass in den beiden nächsten Romanen der Trilogie noch mehr kommt, auf der anderen Seite musste eine spannungstechnische Basis etabliert werden. Dazu zog der Autor nicht nur eine Handvoll von sehr unterschiedlichen Charaktere, aber Ähnlichkeiten zu James Coreys „The Expanse“ Serie zusammen.

Die Architekten sind am Ende des ersten Buches zurück und sie haben gelernt. Die Artefakte schützen die Planeten nicht mehr. Das ist der erste wichtige Aspekt des zweiten Buches. Die Menschheit hat im Grunde nur wenige Möglichkeiten. Gemeinsam gegen die technisch überlegenen Architekten entweder alleine oder mit den Insektoiden kämpfen, welche die Menschheit vor vielen Jahren entdeckt haben. Allerdings ist deren Ziel der Bau von Sternenarchen, mit denen sie auch die Möglichkeit haben, immer vor den Architekten zu fliehen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Aufgabe aller Kolonien und ebenfalls sich auf die stetige Flucht vor den Architekten zu  begeben. Die Heimat der Menschheit – die Erde – ist ja seit vielen Jahren zerstört worden. Eine gemeinsame Front auszubilden ist angesichts der Opportunitäten, welche das Chaos eines heraufdämmernden Krieges zusätzlich für die Opportunisten bildet, schwierig. Politische Entschlüsse können so gut wie gar nicht mehr gefasst werden. Einzelne Planeten suchen nach eigenen Möglichkeiten oder gehen nach dem Besuch durch die Architekten klanglos unter. Evakuierungen der Millionen von Menschen ist auch schwer möglich, die Fluchtziele werden immer rarer. Adrian Tchaikovsky zeigt das Bild einer Menschheit, die trotz des Pyrrhussieges von vor achtzig Jahren den Architekten bis auf Heldenmut nichts weiter entgegenbringen kann.

Vor achtzig Jahren konnte Idris als Intermediär den Angriff der Architekten stoppen. Anscheinend haben sie ihn als intelligentes Leben wahrgenommen. In den achtzig Jahren hat die Menschheit sich dem Irrglauben hingegeben, dass die Architekten Respekt vor intelligentem Leben haben könnten. Der erneute Angriff unterstreicht, dass die Menschen  einem Trugschluss erlegen sind und andere Intelligenzen den Architekten egal sind. Jetzt muss Idris mit einer Handvoll von brüchigen Verbündeten nach einer perfekten Waffe suchen, um eine aussichtslose Situation noch zu wenden.

Diese Suche ist der rote Faden, welcher die verschiedenen Handlungsteile im vorliegenden zweiten Band der Trilogie zusammenhält. 

Weiterhin lebt der Roman von der komplexen Struktur seines Universums. Neben den Insektoiden und den Architekten als zwei wirklich exotisch fremden Rassen, mit denen entweder eine Zusammenarbeit – den Insektoiden – oder eine Kommunikation – den Architekten – notwendig ist. Adrian Tchaikovsky weicht keinen Millimeter von seinem Weg ab, diese Außerirdischen auch wirklich als fremdartig zu kennzeichnen und den Menschen nur wenig Zugang zu deren Kulturen zu geben. Es kommt zu Kommunikationen, welche die verschiedenen Missverständnisse überwinden müssen, aber er hält die Leser und damit auch die Menschen auf einer gewissen Distanz zu seinen Schöpfungen. Eine Humanisierung findet an keiner Stelle des Buches statt und mit diesem konsequenten Weg baut der Autor vor allem in der zweiten Hälfte von „Die Augen der Galaxien“ nach einigen Längen zu Beginn des zweiten Teils die Spannungskurve sinnvoll, aber auch konsequent und in sich geschlossen weiter aus.

Siege sind möglich, aber die Zahl der Opfer ist so groß, dass sie sich wie Niederlagen anfühlen. Zwar präsentiert Adrian Tchaikovksy am Ende des Buches einen kleinen optimistisch- fatalistischen Ausblick auf die finale Auseinandersetzung – der Krieg muss zu den Angreifern gebracht werden -, aber es bleiben viele Fragen offen. Das lässt „Die Augen der Galaxis“ auch weniger wie einen Füllroman erscheinen, sondern den elementaren Mittelbaustein eines durchgängig zu lesenden Romans und weniger einer Trilogie. Für Peter F. Hamilton wäre die „Architekten“ Trilogie ein Auftaktroman, auf den er noch einmal zwei derartig umfangreiche Bände hätte folgen lassen. Adrian Tchaikovsky versucht im direkten Vergleich zu Peter F. Hamilton, den zugrundeliegenden Plot erstaunlich stringent und zusammenfassbar zu erzählen.

Der Autor baut auch seine wichtigsten Charaktere weiter aus. Eine zusammengewürfelte Crew mit Idris als eine Art Wurmfortsatz, der widerwillig geduldet wird und die ihren Captain im ersten Band der Trilogie verloren hat. Neue Hierarchien müssen sich unter den chaotischen äußeren Umständen ausbilden. Vertrauen ist brüchig; die freiwillig übernommene Mission ist im Grunde unmöglich. Alles  spricht natürlich gegen diesen sehr lebendigen Haufen von Antihelden und doch sind sie bis an den Rand des Klischees extrapoliert, die einzige Hoffnung der Menschheit. Viele Leser werden diese Struktur an „The Expanse“ Serie erinnern und ganz lässt sich eine Ähnlichkeit auch nicht von der Hand weisen. Aber James Corey versucht in einem futuristischen Universum menschliche Konflikte ablaufen zu lassen, während die Architektentrilogie im sehr weiten Sinne eine klassische Fortsetzung der seit Äonen im Genre ausgefochtenen Menschen vs.  Alien Situation ist.  Die barocke Space Opera basierend auf dem Golden Age ist inzwischen durch verspielte, mehr auf Action basierende Trilogien abgelöst worden, ohne dass das Genre dadurch verloren hat. Es ist erstaunlich, wie stark der Geist der nur kurzlebigen Fernsehserie „Firefly“ in diesen Büchern mitschwingt, auch wenn die Produktionskosten der Fernsehserie derartige intellektuelle Elfenbeintürme wie von Hamilton, Stross, Reynolds oder eben Tchaikovsky auch im Zeitalter der perfektionierten, seelenlosen Körpertricks nicht hätten refinanzieren können.

Im Buch haben Peter F. Hamilton oder Adrian Tchaikosvky die Mechanismen des Golden Age verinnerlicht und beginnen sie auf eine deutlich optimistische Art und Weise zu nutzen. In Deutschland hat sich seit einigen Jahren Andreas Brandhorst diesem Trend angeschlossen.

„Die Augen der Galaxis“ ist kein einfaches Buch. Selbst die Überlichtreise zwischen  den Sternen ist bei diesem britischen Autoren nicht einfach.  Sie reisen dank  ihrer FTL Technik durch ein sich stetig bildendes Wurmloch System, das ihnen den Übergang in die unbekannten Regionen des „unspace" erlaubt. Dieses Wurmloch System führt anschließend zu einer mysteriösen, seit vielen Äonen verschwundenen Rasse von Originators, deren Artefakte wiederum im ersten Buch den Architekten Einhalt geboten haben.  Ein abschließendes Urteil über die Trilogie kann noch nicht gefällt werden. Der Roman kann und darf nicht alleinstehend betrachtet werden. Dazu sind die Verbindungen chronologisch zu dem ersten „Die Scherben der Erde“ zu stark. Auf der anderen Seite werden kontinuierlich weitere Flanken und damit weitere Fragen an den abschließenden Band „Die Feinde der Zeit aufgebaut.“ Sowohl James Corey als auch Adrian Tchaikovsky zerstören entweder im Laufe ihrer Serie oder vor Einsetzen der Trilogie Handlung die Erde und damit die Wiege der Menschheit. Beide Autoren setzen ein entsprechendes Signal, das erstaunlicherweise beide Schriftsteller im Rahmen ihrer Arbeiten anschließend eher pragmatisch, passiv mahnend nutzen. Das ist vielleicht die größte Verbindung und gleichzeitig das verwunderliche Element beider Arbeiten.

Auch mit dem zweiten Band seiner Trilogie hat der Brite bewiesen, dass das Golden Age der Science Fiction durch eine Art modern Age der Space Opera adäquat ersetzt worden ist und das dem Subgenre selbst bei bekannten, vielleicht auch auf den ersten Blick klischeehaften Themen angesichts der dreidimensionaleren Hintergründe und vor allem der ausgesprochen lebendigen wie exotischen Charaktere noch viel (action-) Luft zum Atmen bleibt.   

Die Augen der Galaxis: Roman (Die Scherben der Erde, Band 2)

  • Herausgeber ‏ : ‎ Heyne Verlag; Deutsche Erstausgabe Edition (15. Februar 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 688 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3453321839
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3453321830
  • Originaltitel ‏ : ‎ Eyes of the Void - Shards of Earth Trilogy Book 2